Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hat weder in der Energiewirtschaft noch bei den Umweltverbänden Jubel ausgelöst. Auch das Ergebnis unserer Umfrage zeugt davon, dass die Skepsis gegenüber der Großen Koalition in der Energie- und Klimapolitik größer ist denn je. 75 Prozent unserer Leserinnen und Leser bewerten den Vertrag mit „Enttäuschend“. Mit „Eher Durchschnitt“ bewerten ihn 21 Prozent und nur vier von Hundert vergeben die Note „Gut bis sehr gut“.
Koalitionsvertrag bricht Versprechen
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Wer einmal seine Versprechen bricht, sollte keine neuen auf den Weg bringen. Es war eine Koalition in der gleichen politischen Zusammensetzung, die vor elf Jahren das Ziel ausgab, bis 2020 den deutschen Ausstieg an Treibhausgasen um 20 Prozent zu senken. Nach der Koalition von 2005 bis 2009 hatten CDU, CSU und SPD dann von 2013 bis 2017 vier weitere Jahre Zeit, an der Einhaltung des gemeinsam gegebenen Versprechens zu arbeiten. Dass sie erst im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zu der Einsicht gekommen sind, das Ziel für 2020 nicht mehr einhalten zu können, ist – wenn man den Begriff der Lüge vermeiden will – eine Verschleierung der Tatsachsen.
Der Streit über die Gestaltung der Energiewende scheint dieser Parteienkonstellation im besonderen Maße immanent zu sein. Der Streit läuft und lief nicht entlang der parteipolitischen Linien. Die Landesverbände der SPD und der CDU in den Bundesländern NRW, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg sind sich energiepolitisch sehr nahe. Ihr Credo ist das von der preiswerten und sicheren heimischen Energieversorgung auf Basis der Braunkohle. Politisch unterstützt werden sie von der CSU, die mehrheitlich wenig Interesse an der Energiewende zeigt.
Aus Sicht der CSU hat Energie vornehmlich billig zu sein. Weiterhin sollte, um keine Konflikte herauf zu beschwören, aus Sicht der CSU die Energieerzeugung möglichst wenig wahrnehmbar sein. Diesem Anspruch kann weder die Windenergie noch der Ausbau der Übertragungsnetze genügen. Grund genug für die CSU, an diesen Stellen zu mauern und sich in der Koalition mit der Mehrheit von CDU und SPD in den Kohleländern zu verbünden.
In sich konsistente Energiewende nicht zu erwarten
Gegen diese Koalition in der Koalition haben die, die sich für eine konsistente Energiewende und eine Einhaltung der gegebenen Klimaschutzversprechen einsetzen, keine Chance. Und wie schon immer hat die Wirtschaft von heute eine starke Stimme in der Politik. Die Wirtschaft von morgen aber ist dagegen, wie auch die Interessenvertretung der kommenden Generationen weitgehend ohne Lobby.
Was man in den acht Jahren gemeinsamer Regierung, unterstützt von den zahlreichen Fachleuten in den Ministerien und Ämtern, flankiert von den Gutachtern und Wissenschaftlern nicht hinbekommen hat – Richtung und Leitplanken für eine tragfähige Energiewende – konnte auch in den Koalitionsgesprächen nicht gelingen.
Die Absage des Klimaschutzziels für 2020 ist das Konkreteste, was den Unterhändlern der Koalition in der Vereinbarung gelungen. Darüber hinaus wird es blumig. Zwar werden neue Ziele für 2030 bekräftigt. Wie die einzuhalten sind, steht nicht im Vertrag. Dazu soll ein Gesetz erarbeitet werden. Auch auf die zentralen Fragen – Gestaltung der Mobilität der Zukunft und Minderung der CO2–Emissionen, die in der Kohleverstromung entstehen – gibt der Koalitionsvertrag keine Antwort. Man weiß ja aus langjähriger Erfahrung, dass man keine gemeinsame hat. Als Ausweg aus diesem nicht zu lösenden Dilemma hat man sich darauf verständigt, diese Fragen in Kommissionen zu verschieben.
Wenn die beteiligten Partner zum ersten Mal vor einer gemeinsamen Regierungsübernahme stehen würden, wäre es nachvollziehbar, dass es noch diese oder jene Beratung braucht, um die Strategie zu entwickeln. Der neuen alten Koalition fehlt es in den Politikfeldern Energie und Klima weder an Sachverstand noch an Zeit für Diskussionen. Die Meinungen, Ansätze und Ziele sind schlicht zu unterschiedlich, um daraus eine gemeinsame Politik zu formen. Und der Koalitionsvertrag stellt zwischen den Zeilen klar: Niemand hegt die Hoffnung, dass sich dies während der laufenden Legislaturperiode ändern wird.
Die gemeinsame Arbeit begann im Streit
Schon der Streit um die Besetzung und den Namen der Kohlekommission ließ erkennen, dass sich die alten Konfliktlinien in der neuen Regierung fortsetzen werden. Die Kommission bekommt nicht einen Vorsitz, sondern gleich vier. Neben Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) werden Umweltministerin Svenja Schulze, Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) sowie Innenminister Horst Seehofer (CSU) das Gremium leiten.
Viele Köche, so sagt das Sprichwort, verderben den Brei. Wir sind gespannt, ob sich die beteiligten Köche, überhaupt darauf einigen können, gemeinsam Brei zu kochen. Die Erwartungshaltung an die Energie- und Klimapolitik der neuen GroKo ist äußerst gering. Vielleicht liegt darin ihre Chance.
Unsere Umfrage lief vom 19. Februar bis zum 22. April. An ihr nahmen 76 Personen teil.
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