War watt? „Wir brauchen den Klimawandel…“

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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03. November 2016
War watt? ist die energiepolitische Kolumne unseres Moderators Hubertus Grass, der seit nunmehr 30 Jahren für die Energiewende streitet.

In der nächsten Woche wird in den USA gewählt. Wer wird Präsident oder Präsidentin im mächtigsten Staat der Erde? Die Demoskopen sagen uns, dass das Rennen wieder offen ist. Die Chancen Donald Trumps, POTUS zu werden, stehen nicht schlecht. Von ihm stammt übrigens das Zitat aus der Überschrift. „Wir brauchen den Klimawandel. Es ist kalt hier.“ Zu sehen und zu hören ist es in einem Film, den der Hollywood-Star Leonardo di Caprio produzierte. Seit Anfang der Woche und noch bis zum 7. November ist „Before the Flood“ kostenfrei im Netz zu sehen.  Deutsche Zuschauer werden in dem Film wenig Neues über den Klimawandel aber viel über das Niveau der politischen Diskussion in den USA erfahren.

https://www.youtube.com/watch?v=90CkXVF-Q8M

Before the Flood ist auch ein Lehrstück über den Niedergang einer freien und offenen Gesellschaft, in der sich Partikularinteressen rücksichtslos durchsetzen, wenn sie über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen. Einige Lobbygruppen sind in den USA stark genug, die öffentliche Meinung zu kaufen und die Zeit zurück zu drehen. Die Errungenschaft von Renaissance und Aufklärung? Scheinbar mühelos schaffen es Big Oil und Big Steal, mittelalterlichen Aberglauben wieder auferstehen und mehrheitsfähig werden zu lassen. Rationalismus und die Erkenntnisse aus aktueller Wissenschaft und Forschung sind chancenlos gegen das Geschwätz gekaufter Entertainer und Journalisten, bzw. Leuten, die sich als solche ausgeben.

Der Einfluss der USA auf den Klimawandel war und ist groß

90 Prozent der US-Amerikaner vertrauen in Fragen der Schöpfung eher der Bibel als der – tausendfach belegten – Evolutionstheorie des Charles Darwin.  Immerhin jeder Dritte US-Bürger ist – wider jede wissenschaftliche Erkenntnis – davon überzeugt, dass der Mensch von Anfang an auf der Erde weilte und wir kein Produkt der Evolution sind. Man könnte über diese Amis, ihre Leichtgläubigkeit, den Einfluss von Lobbygruppen wie der National Rifle Association auf die Gesetzgebung, ihre Demokratie und den Kandidaten Donald Trump so herrlich lachen, wenn sie ein kleines Volk wären, das auf einer Insel im Südpazifik ohne Einfluss auf die Weltpolitik die Wahl des nächsten Präsidenten vorbereitet. Doch dem ist nicht so. Was klima- und energiepolitisch in den USA passiert, hat globalen Einfluss. Auch auf das Klima dieses Planeten.

Mit einem CO2–Ausstoß von über 16 Tonnen pro Jahr und Kopf gehören die USA immer noch zu den größten Emittenten von Klimagasen weltweit. Das Land verfügt über riesige Öl-, Erdgas- und Kohlelagerstätten. Deren rücksichtslose Ausbeutung würde fast allein ausreichen, die Erde in ein Treibhaus zu verwandeln. Die USA sind aber auch das Land, in dem kreativer als anderswo an den Herausforderungen gearbeitet wird, vor die uns der Klimawandel stellt. An einer CO2–freien Zukunft können wir deshalb konkret arbeiten, weil die digitalen Voraussetzungen dafür auch im Silicon Valley erschaffen wurden. Hier sitzen die Kreativen und hier sitzt auch das Geld, das wir im Kampf gegen die Erderwärmung benötigen.

Deutsche Arroganz ist fehl am Platze

Die USA, das ist auch das Land von Leonardo di Caprio, der den Kampf gegen die Klimawandel zu seinem Lebensthema gemacht und sogar seine Oscarrede diesem Thema gewidmet hat: „Wir müssen alle zusammenarbeiten und aufhören, alles auf später zu verschieben. Wir müssen solche Regierungsführer unterstützen, die nicht für die großen Umweltverschmutzer und Konzerne sprechen, sondern die für die gesamte Menschheit sprechen. Für die indigenen Völker, die Milliarden benachteiligter Menschen, die vom Klimawandel am stärksten betroffen sein werden, für unsere Enkelkinder und für all diejenigen, deren Stimmen erstickt werden durch die Politik der Gier.“

https://www.youtube.com/watch?v=44EC0R7cR2o

Die Präsidentenwahl in den USA ist auch eine Wahl zwischen Mittelalter und Moderne. Und wir in Deutschland haben keinerlei Grund verächtlich über den großen Teich zu schauen. Auch bei uns werden wieder Politiker in die Parlamente gewählt, die wissenschaftliche Forschung zur Glaubensfrage herab stufen und die die Erkenntnis vom Menschen gemachten Klimawandel in Wahlprogrammen als x-beliebige Meinung darstellen. Arroganz ist fehl am Platze in einem Land, das unfähig ist, einen Klimaschutzplan auf den Weg zu bringen und die eigenen CO2-Minderungsziele einzuhalten. Wir sollten mit Sorge auf die Präsidentenwahl in den USA schauen und die eigenen Hausaufgaben erledigen.

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