Es ist nur ein Versprechen. Das Klimaabkommen von Paris wird das beschriebene Papier nicht wert sein, wenn den schönen Worten nun keine Taten folgen. Ab heute geht es in Bonn ans Eingemachte: Wie können wir das Klima deutlich unter der 2°-Grad-Grenze stabilisieren? Was müssen die beteiligten Staaten dafür tun? An welchen Richtlinien wird sich die Umsetzung orientieren? Die Weltklimakonferenz, COP23, ist die größte zwischenstaatliche Konferenz, die es in Deutschland je gegeben hat. Teilnehmen werden 25.000 Personen aus allen Ländern der Welt. Unter ihnen sind ca. 500 Nichtregierungsorganisationen und mehr als 1.000 Journalistinnen und Journalisten. Die Präsidentschaft der Konferenz liegt beim pazifischen Inselstaat Fidschi. Deutschland unterstützt als technischer Gastgeber und trägt den Großteil der Kosten.
„Die Welt besteht aus Menschen, die nicht besonders viel Wert darauf legen, die Sichtweise anderer Menschen zu verstehen.“
Nazhat Shameen Khan ist die Chefunterhändlerin der Republik Fidschi. Für die pazifischen Inselstaaten geht es bei den Klimaverhandlungen um Untergang oder Überleben. Doch die Republik Fidschi versteht sich nicht als Opfer. Aus der besonderen Bedrohung will die Präsidentschaft keinen zusätzlichen Druck auf die Versammlung ausüben. Stattdessen setzt Nazhat Shameen auf eine „weiche“ Verhandlungsstrategie. „Einige Länder haben größere CO2 -Emissionen als andere Länder und wir, die Gemeinschaft der pazifischen Inseln, wissen sehr wohl, dass unser Fußabdruck im Vergleich zum Rest der Welt minimal ist – und dass wir sehr stark unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Aber die Welt besteht aus Menschen, die nicht besonders viel Wert darauf legen, die Sichtweise anderer Menschen zu verstehen. Dieses Bewusstsein bringen wir in die Verhandlungen ein, um ein konstruktives Ergebnis zu bekommen, das universell umsetzbar ist.“
80 Dörfer auf den Fidschi müssen in höher gelegene Orte umgesiedelt werden, weil das Meerwasser steigt. Obwohl selbst bedroht, bietet sich der Staat anderen Bewohnern des Pazifiks als Zufluchtsstätte an. „Wir geben euch ein Zuhause, wenn eure Inseln verschwinden.“
Deutschland vor dem industriellen Selbstmord?
Nicht ganz so empathisch wie im Pazifik geht es in den Sondierungsverhandlungen in Berlin zu. Da war unter anderem zu hören, dass Deutschland „industriellen Selbstmord“ begehe, wenn es die eigenen Klimaziele für 2020 einhalte.
Die so genannten CO2–Vermeidungskosten seien in Deutschland viel zu hoch. Effektiver, so war es von dieser Verhandlungspartei zu hören, sei es, die gleichen CO2-Summe in Indonesien oder Brasilien einzusparen. Man muss um Deutschland fürchten. Nicht, weil es kostspielig ist, CO2 einzusparen. Sondern weil manche Verlautbarungen zum Klimaschutz so niveaulos sind. Als hätte die Diskussionen vorgestern begonnen. Dabei wissen wir seit 1985 von der Bedrohung. 1990 erschien der erste IPCC-Report. Und seither ist bekannt: Die Folgen eines ungebremsten Klimawandels werden katastrophal. Die Wetteranomalien der letzten Jahre sind nur ein Vorgeschmack für die Kosten für Mensch und Natur.
Es braucht Taten im eigenen Land
Argumente, die vor zehn Jahren beim Klimaschutz noch eine gewisse Berechtigung hatten, zielen heute daneben. Die notwendigen CO2 –Minderungen lassen sich nicht mehr an Drittstaaten delegieren. Den Zeitpunkt haben wir lange verpasst. Der Klimawissenschaftler Stefan Rahmstorf bringt es auf den Punkt: „Entweder nehmen wir das Pariser Abkommen ernst, oder wir reduzieren die Emissionen weiter so langsam wie bisher.“
Wir sind bei der Nummer 23 der Weltklimakonferenzen angekommen. Sie findet in Deutschland statt. Und in Berlin bei den Sondierungen erwägen einige Politiker, sich von den eigenen Klimazielen zu verabschieden. Erbärmlich. Verantwortungslos. Peinlich.
Der Plan für den Kohleausstieg muss jetzt kommen
Ist es ein Glück, dass die „alte“ Regierung noch federführend im Amt ist? Die Große Koalition hat sich beim Klimaschutz nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Doch sie verfügt über Akteure, die ohne den koalitionären Druck Deutschland auf der Weltklimakonferenz in Bonn glaubwürdig vertreten können. Doch nicht nur in Bonn, auch in Berlin sind Taten gefragt. Nach einem Jahrzehnt des Stillstandes muss es bei der CO2–Minderung nun dynamisch vorangehen. Und das funktioniert, alle wissen es, nur mit dem Einstieg in den Ausstieg der Kohleverstromung. Raus aus der Kohle. Jetzt ist die Zeit, einen Plan zu machen. Deutschland verfügt über das finanzielle Potenzial, die strukturellen Herausforderungen für Beschäftigte, Wirtschaft und Regionen abzufedern. Beim Klimaschutz muss jetzt gehandelt werden. Die Kanzlerin wird es wissen.
(Das ganze Interview mit Nazhat Shameen Khan findet sich im aktuellen Greenpeace Magazin. Es steht auch online zur Verfügung. Wir empfehlen die Lektüre wärmstens.)
https://www.youtube.com/watch?v=CG-66Ky1KnQ
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