Wasserstoff – eine Perspektive für die Region Stuttgart? Handlungsansätze und Umsetzungsschritte

Gastautor Portrait

Holger Haas

Leiter Standortentwicklung, Wirtschaftsfoerderung Region Stuttgart GmbH

Holger Haas, Diplom-Biologe, 58 Jahre, verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Seit 1996 bei der WRS, anfangs als Projektleiter, mittlerweile Leiter Standortentwicklung mit aktuell 15 Mitarbeiter*innen. Seit 2006 Prokurist (Gesamtprokura). Die Themenfelder der Standortentwicklung sind die Transformation der Automobilindustrie, Bauwirtschaft, Bioökonomie, Grüne Technologien mit Brennstoffzelle und Wasserstoff sowie die Unterstützung von wissensbasierten Startups. Zwischen 2017 und 2019 Geschäftsführer der IBA 2027 StadtRegion Stuttgart GmbH, die von einem WRS-Team vorbereitet wurde.

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25. Oktober 2023
Bild: Shutterstock.com/petrmalinak

Die Region Stuttgart

Auf 10% der Landesfläche Baden-Württembergs leben 25% der Menschen. Rund 30% der Wirtschaftskraft Baden-Württembergs wird hier erwirtschaftet. Damit zählt die industriestarke Region Stuttgart auf internationalem Level zu den führenden Innovationsstandorten. Gerade der Automobilsektor befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, der gekennzeichnet ist durch neue Technologien (z.B. Elektrifizierung), durch eine fortschreitende Globalisierung, die mit einer Verschiebung der Märkte einhergeht und gleichzeitig perspektivisch mit einem Mangel an Fachkräften und Beschäftigten, die mit völlig neuen fachlichen Anforderungen konfrontiert sein werden. Dies hat zur Folge, dass neben der Erhaltung des Automobilclusters, neue zukunftsfähige Wirtschaftsfelder erschlossen werden müssen. Die Wasserstoffwirtschaft mit der Brennstoffzelle bietet sich hier aus unterschiedlichsten Gründen an.

Wasserstoff- und Brennstoffzellenstrategie für die Region Stuttgart

Im Jahr 2021 hat die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) vom Fraunhofer IAO, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und dem Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffwirtschaft eine regionale Strategie erarbeiten lassen, in der unter anderem 60 konkrete Projektideen im Detail untersucht wurden.

Die Ausgangsvoraussetzung in der Region Stuttgart ist gut. Bereits heute sind 170 Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und dem öffentlichen Sektor in der Wasserstoffwirtschaft oder Brennstoffzellentechnologie engagiert. Vor allem die Stärke des Forschungspotentials ist enorm, aber auch zahlreiche Unternehmen – vom Startup bis zum Global Player – haben sich auf den Weg gemacht. Und es gibt ein hohes Konversionspotenzial der Unternehmen bezogen auf Brennstoffzellen und Wasserstoff. Die Grundlagen dafür wurden schon im Jahr 2000 gelegt als die WRS das Kompetenzzentrum Brennstoffzelle und den Fachkongress f-cell ins Leben gerufen hat.

Perspektiven für die Region Stuttgart und für Baden-Württemberg

Wasserstoff und die dafür benötigten Technologien bieten große Potenziale für Industrie-und Technologiestandorte wie der Region Stuttgart. Konventionelle Technologien sollen durch neue, „grüne“ Technologien ersetzt werden. Vier Aktionsfelder wurden identifiziert, die auf regionaler Ebene primär umgesetzt werden sollen, und die besonders erfolgversprechend sind:

  1. Die Industrialisierung der Wasserstoffwirtschaft, das heißt die Massenproduktion von Systemen für die Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff.
  2. Initiierung, Management und Umsetzung von lokalen/regionalen H2-Projekten.
  3. Mobile Anwendungen im Nutzfahrzeugsektor.
  4. Wasserstoffquartiere im Kielwasser der Internationalen Bauausstellung (IBA`27), die 2027 nach 10 Jahren Planung und Umsetzung ihr Präsentationsjahr haben wird.

Die Modellregion Grüner Wasserstoff (H2 GeNeSiS)

Mit finanzieller Unterstützung des Umweltministeriums Baden-Württemberg und der EU (EFRE-Programm) wollen die fünf beteiligten Partner das Neckartal zu einer Modellregion für Grünen Wasserstoff transformieren.

H2 GeNeSiS führt den Nachweis, dass eine Wasserstoffwirtschaft in Baden-Württemberg wirtschaftlich tragfähig, gesellschaftlich akzeptiert und ökologisch sinnvoll konzipiert, genehmigt, errichtet, betrieben und ausgebaut werden kann. Die Modellregion soll als Blaupause für andere Regionen dienen. Kernstück des Vorhabens ist die Errichtung des ersten Abschnittes einer Wasserstoffpipeline zwischen dem Hafen Stuttgart und Esslingen Weststadt auf einer Länge von fast 11 Kilometern. Dabei ist die Pipeline so ausgelegt, dass sie zukünftig an die europäische und nationale Wasserstoffinfrastruktur angedockt werden kann. Wie Perlen an einer Kette werden sich dann unterschiedliche Teilprojekte entlang der Pipeline-Achse aneinanderreihen.

Zum Beispiel wird im Hafen Stuttgart eine Elektrolyse in der Größenordnung 7,5 MW umgesetzt. Auch der Elektrolyseur des ZSW mit insgesamt 1 MW Leistung, der mit über 40 Unternehmen aus Baden-Württemberg im Projekt BW-Elektrolyse gebaut wurde, kommt zum Einsatz.

Geplant sind außerdem mindestens zwei Wasserstofftankstellen im Bereich der Pipeline und eine Anbindung an das Klimaquartier in Esslingen-Weststadt, in dem schon heute Wasserstoff produziert wird und das aktuell ausgebaut wird. Probleme machen die Baukostensteigerungen. Während in der Antragsphase mit 1000 Euro je Meter Pipeline kalkuliert wurde, muss man aktuell mit 1.500 Euro/Meter rechnen. Das heißt, dass verschiedene Maßnahmen nur realisiert werden können, wenn zusätzliche Fördermittel eingeworben werden können. Alle Aktivitäten werden über einen „H2-Marktplatz“ vernetzt. Dadurch sinkt die Eintrittsbarriere für weitere Akteure und Projekte, die zukünftig die Modellregion ergänzen werden.

Schlussfolgerung

Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien eignen sich zur Sektorenkopplung und können mittel- bis langfristig wesentlich dazu beitragen, die Klimaschutzziele bis 2050 auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene zu erreichen.

Holger Haas

Es geht nicht nur darum die Wirtschaftsstärke der Region zu halten, damit die Menschen auch zukünftig im Ballungsraum Region Stuttgart ein gutes Leben führen können. Hinzu kommt, dass die Begrenzung des Klimawandels durch Reduzierung der CO2-Emissionen, eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts darstellt. Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien eignen sich zur Sektorenkopplung und können mittel- bis langfristig wesentlich dazu beitragen, die Klimaschutzziele bis 2050 auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene zu erreichen. Letztlich geht es auch um die Frage, ob wir zukünftig Elektrolyseure, Brennstoffzellen und andere Systeme „Made in Germany“ einsetzen können oder ob wir diese Produkte aus anderen Teilen des Globus beziehen werden. Die Grundlagen dafür werden heute gelegt.

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