Heißes Wasser aus Rechenzentren für die Wärmewende

Gastautor Portrait

Dr. Jens Struckmeier

Gründer und CTO Cloud&Heat Technologies GmbH

Dr. Jens Struckmeier ist ein erfolgreicher Physiker, Erfinder und Unternehmer aus Deutschland. 2009 begann er damit, Wasserkühllösungen für Rechenzentren zu entwickeln, was zur Gründung des Green-IT-Startups Cloud&Heat Technologies führte. Seitdem ist die Vision des Dresdner Unternehmens, Nachhaltigkeit zum Treiber digitaler Innovation zu machen. Cloud&Heat entwickelt, baut und betreibt energieeffiziente, sichere und skalierbare, Rechenzentren, die den wachsenden Anforderungen der digitalen Zukunft gerecht werden.

weiterlesen
09. Dezember 2019

Das Thema Klimaschutz wird immer wichtiger in der öffentlichen Diskussion. Neben den Persönlichkeiten steht dabei meist der Einfluss des Verkehrssektors sowie der Energiebranche auf die globalen CO2-Emissionen im Mittelpunkt der Debatte. Weniger präsent, aber ebenso wichtig, ist das Thema Wärmewende – ohne die eine Energiewende nicht gelingen kann.

Laut Umweltbundesamt ließen sich im Jahre 2018 rund die Hälfte des gesamten Endenergieverbrauchs – zweieinhalbmal so viel wie Strom – und etwa 40 Prozent der Endenergie aus erneuerbaren Quellen dem Wärmesektor zuschreiben. Für die Gebäudebeheizung wird gemäß einer Studie des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zu etwa 50 Prozent Erdgas und zu 30 Prozent Öl verwendet – also größtenteils fossile Brennstoffe. Und wenn die alte Ölheizung ausgetauscht wird, wählen die meisten Nutzer Erdgas (63 Prozent). Hinzu kommt die Klimabelastung durch industrielle Prozesse: Diese produzieren eine enorme Menge Abwärme, die meist ungenutzt an die Atmosphäre abgegeben wird. In einigen Fällen wird sie unter hohem Energieaufwand heruntergekühlt.

Die digitale Umweltbelastung nimmt zu

Zu einem großen Abwärmeerzeuger zählen laut des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) auch die rund 400 Großrechenzentren in Deutschland. Die Server wandeln den genutzten Strom vollständig in Wärme um und verfügen für gewöhnlich über eine Luftkühlung. Da Wärmequellen und -senken räumlich getrennt sind, bleibt die Abwärme meist ungenutzt.

Rechenzentren werden durch die zunehmende digitale Transformation sämtlicher Lebensbereiche zu einer zentralen Figur der Energiewende. Dazu tragen Techniktrends wie das Internet der Dinge, autonome Fahrsysteme sowie zahlreiche Streaming- und Cloud-Dienste bei. Im Frankfurter Raum machen Rechenzentren laut Energieversorger Mainova schon jetzt 18 Prozent des jährlichen Elektroenergieverbrauchs aus – Tendenz steigend. Spielt das Thema Nachhaltigkeit weiterhin eine untergeordnete Rolle, wächst der Beitrag an den weltweiten Treibhausgasemissionen rapide an.

Rechenzentrum als Wärmelieferant

Deswegen ist die Nutzung von Abwärme von Rechenzentren zur Wärmeversorgung für die Erreichung der Klimaziele unabdingbar. Das meint auch der Bitkom e. V. in seinem Positionspapier vom Juli 2019. Einen konkreten Lösungsansatz bietet Cloud&Heat Technologies: Durch den Einsatz einer innovativen Heißwasser-Direktkühlung für Rechenzentren ermöglicht das Green-IT-Unternehmen die energiesparende Nachnutzung der entstehenden Abwärme. Diese wird mittels direkt auf den Elektronikbauteilen wie Prozessoren angebrachter Kühlkörper direkt an den Wasserkreislauf abgegeben. Das Temperaturniveau kann so ohne Wärmepumpen konstant auf 60 Grad Celsius gehalten werden. Bei optimalen Umständen werden so über 90 Prozent der Abwärme für die Heizung des Gebäudes oder den Anschluss an Nah- und Fernwärmenetze genutzt.

Grafik: Cloud&Heat

Wie gut das Prinzip in der Praxis funktioniert, zeigt das Rechenzentrum im Eurotheum in der Frankfurter Innenstadt: Das 111-Meter-Hochhaus wird teilweise über die Abwärme der wassergekühlten Server geheizt. Im Vergleich zur konventionellen Beheizung mittels Fernwärme sparen die Mieter im Jahr bis zu 160.000 Euro für die Gebäudeheizung und Serverkühlung. Da die Abwärme der Server im gesamten Gebäude genutzt werden kann, verringert diese klimaneutrale Nachnutzung der Abwärme die CO2-Emissionen um mehr als 557 Tonnen jährlich.

Einen Schritt weiter geht Cloud&Heat mit der Software „Krake“, die seit September 2019 als Open-Source-Anwendung verfügbar ist und eine intelligente Lastenverteilung für Rechenzentrumsnetzwerke bietet: Sie verteilt Rechenjobs in einem Netzwerk automatisch anhand metrischer Daten, darunter auch der Wärmebedarf. Wird an einem Standort Wärme benötigt, migriert das System entsprechend Rechenoperationen dorthin und reagiert bei einer Änderung der Gegebenheiten in Echtzeit.

Politik und Wirtschaft im Zugzwang

Die Angst vor hohen Investitionen gepaart mit der ausbaufähigen politischen und finanziellen Förderung hemmen die Bereitschaft zur Modernisierung der Technik

Dr. Jens Struckmeier

Damit die Wärmewende – und damit die Energiewende – erfolgreich umgesetzt werden kann, bedarf es zunächst an Unterstützung seitens der Politik. Wie das Positionspapier des Bitkom bereits formuliert, müssen Abwärmequellen wie Rechenzentren eine Rolle in der Planung kommunaler Wärmenetze spielen und die Nutzung steuerlich bevorteilt werden, um Anreize für die Wirtschaft zu schaffen. Gleichzeitig sollte der Kreis der Förderberechtigen des Förderprogramms Wärmenetze 4.0 auf nicht-öffentliche Anbieter erweitert werden. Zudem müssen die Rahmenbedingungen für energieeffiziente Rechenzentren und Abwärmenutzung gezielt verbessert werden. Positive Beispiele dafür stellen eine europaweite Studie zur Erhöhung der Energieeffizienz von Cloud-Rechenzentren des österreichischen Umweltbundesamts und der Europäischen Kommission sowie die „Blauer Engel“-Zertifizierungsrichtlinien für Rechenzentren von der deutschen Bundesregierung dar.

Rechenzentrumsbetreiber müssen außerdem konkret auf die ökonomischen und ökologischen Vorteile der Nachnutzung von Serverabwärme hingewiesen werden – und selbst das Heft in die Hand nehmen. Die Angst vor hohen Investitionen gepaart mit der ausbaufähigen politischen und finanziellen Förderung hemmen die Bereitschaft zur Modernisierung der Technik. Dabei werden Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels aus der Wirtschaft immer häufiger von Gesellschaft und Arbeitnehmern gefordert: Erst kürzlich haben sich über 1.000 Mitarbeiter von Google in einem offenen Brief an die Geschäftsleitung gewandt und Nullemissionen bis 2030 gefordert. Rechenzentren haben beim größten Suchmaschinenbetreiber der Welt einen signifikanten Anteil am gesamten CO2-Output des Unternehmens. Und wie das Beispiel Eurotheum zeigt, amortisieren sich die anfänglichen Kosten für die Modernisierung innerhalb weniger Jahre. Auf diese Weise sparen die Betreiber langfristig hohe Kosten für die Gebäudeheizung und Serverkühlung und reduzieren gleichzeitig den CO2-Fußabdruck des Rechenzentrums.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

Heißes Wasser aus Rechenzentren für die Wärmewende
5
1