Wärmewende: Energieeffiziente Gebäude als Türöffner für Technologieoffenheit

Gastautor Portrait

Alexandra Langenheld und Dr. Matthias Deutsch

Agora Energiewende

Alexandra Langenheld arbeitet bei Agora Energiewende als Projektleiterin zu den Themen Energieeffizienz und Lastmanagement. Vorher war sie von 2006 bis 2012 für die Europäische Kommission tätig – zunächst abgeordnet vom Bundesumweltministerium als Nationale Expertin an die Generaldirektion Energie und ab 2009 angestellt als Energy Policy Analyst am Joint Research Center. In diesen Funktionen war sie maßgeblich an Ausgestaltung und Verhandlung der EU-Richtlinien zur Förderung Erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz beteiligt und hat die Mitgliedstaaten bei der Erstellung ihrer Nationalen Aktionspläne beraten. Zwischen 2001 und 2006 war sie für die Abteilung Klimaschutz und Erneuerbare Energien des BMU tätig. Dr. Matthias Deutsch arbeitet bei Agora Energiewende als Projektleiter zu den Themen Sektorkopplung Strom-Wärme und Speicher. Bis 2015 war er bei der Prognos AG als Berater mit den Schwerpunkten erneuerbare Energien, Energiebedarf, Gasnetzentwicklung und statistische Analysen tätig und hat Unternehmen, Verbände und Regierungsstellen in Deutschland und im internationalen Bereich beraten. Nach seinem Studium des Technischen Umweltschutzes an der TU Berlin hat er an der University of Maryland School of Public Policy, USA, im Bereich Energie- und Umweltpolitik promoviert.

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04. Februar 2019
Energieeffizientes Gebäude

Wärmewende hinkt hinterher

Die Energiewende ist bisher vor allem eine Stromwende. So beträgt der Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch mittlerweile mehr als 38 %. Davon sind die Endverbrauchssektoren Verkehr und Gebäudewärme mit rund 5 % und 14 % (2017) noch weit entfernt. Umgekehrt wird in diesen Sektoren heute und auch in Zukunft absehbar zu viel CO2 emittiert. Sogar so viel, dass Deutschland für Verkehr und Wärme jetzt Strafzahlungen drohen, weil es seine durch die EU verbindlich gemachten Treibhausgasminderungsziele im Zeitraum 2021 bis 2030 nicht erfüllen wird. Dann müsste Deutschland zum Ausgleich Emissionsrechte von anderen EU-Staaten einkaufen, und das könnte den Bundeshaushalt insgesamt etwa 30 bis 60 Mrd. € kosten. Fraglich ist allerdings, in welchem Zustand die deutsche Volkswirtschaft sich am 01.01.2031 befindet, wenn in der vorherigen Dekade nur im Ausland kompensiert und nicht selbst Emissionen reduziert würden. Denn weltweiter und europäischer Klimaschutz wird ja 2030 nicht zu Ende sein, sondern immer weitergehende Treibhausgasverringerungen benötigen.

Warum also so viel Geld zur reinen Kompensation ausgeben, anstatt zu Hause in Klimaschutz zu investieren? Schließlich geht es dabei um erhebliche Wertschöpfungspotenziale, wie z.B. die BDI-Klimapfade-Studie gezeigt hat.

Wettbewerb ermöglichen

Ein »Technologie-Entweder-Oder« führt nicht zum Ziel

Alexandra Langenheld und Dr. Matthias Deutsch

Damit solche Investitionen in Deutschland auch zu möglichst effizienten Treibhausgasminderungen führen, müssen wir vor allem eines sicherstellen: einen hinreichenden Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Technologien wie Solarthermie, Biomasse, Wärmepumpen, Niedrigtemperatur-Wärmenetzen oder strombasierten synthetischen Brennstoffen, die auch als „Elektro-Fuels“ bezeichnet werden. Ein „Technologie-Entweder-Oder“ führt nicht zum Ziel.

Aber wie organisieren wir genug Wettbewerb in der Wärmewende? Vor allem durch Technologieoffenheit. Es wäre eine unangemessene Anmaßung von Wissen, wenn der Staat schon Jahre oder sogar Jahrzehnte im Voraus einzelne technische Lösungen für bestimmte Herausforderungen im Gebäudesektor komplett vorschreiben würde. Dafür ist die Vielfalt bei Gebäuden in Verbindung mit den jeweils vorhandenen Erneuerbaren-Potenzialen in Deutschland – auf dem Land, in der Stadt, mal mit Zugang zu Wärmenetzen, mal ohne etc. – einfach zu groß. Stattdessen muss es darum gehen, einen Wettbewerb zwischen Technologien auf Augenhöhe zu organisieren.

Energieeffiziente Gebäude als Schlüssel

Unsere neue Studie zum Wert der Energieeffizienz bei Gebäuden zeigt, dass der größte Türöffner für Technologieoffenheit in der Wärmewende energieeffiziente Gebäude mit ausreichender Dämmung sind. Denn der kostengünstigste und einzig realistische Weg zu einem klimafreundlichen Wärme- und Heizsystem führt über größere Effizienzanstrengungen im Gebäudebereich und hier vor allem die Dämmung bestehender Gebäude. Derzeit wird jährlich etwa eines von hundert Bestandsgebäuden gedämmt, nötig für das Gelingen der Wärmewende ist eine Verdopplung. Die Alternative, ein flächendeckender Einsatz von synthetischen Brennstoffen, die aus erneuerbarem Strom erzeugt werden (Power-to-Gas/ Power-to-Liquid) als Ersatz für fossiles Erdgas und Heizöl ist kurzfristig kaum darstellbar und würde die deutschen Haushalte in einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung bis zu 8,2 Milliarden Euro im Jahr mehr kosten als der Effizienz-Pfad.

Unsere Studie zeigt in einem Vergleich unterschiedlicher Szenarien auf, dass neben den Gesamtkosten vor allem die Realisierbarkeit ein zentrales Kriterium für ihre Bewertung sein sollte. So sind in den von uns betrachteten Szenarien die notwendigen Markthochläufe aller Gebäude-Klimaschutztechnologien sowie die damit verbundenen Anforderungen an Energieberater, Handwerker und Hersteller hoch bis extrem hoch. Nur, wenn bei allen Optionen – Dämmstoffen, Wärmepumpen, erneuerbaren Wärmeerzeugern und synthetischen Brennstoffen – eine Vervielfachung der Installationszahlen stattfindet, sind die Wärmewendeziele 2030 und 2050 erreichbar. Das heißt, die Zeit des „Entweder-oder“ beim Einsatz verschiedener Wärmetechnologien ist angesichts der Versäumnisse der Vergangenheit vorbei.

Eintrittskarte für Technologieoffenheit: Energieeffizienz

Vorteile von Effizienz im Gebäudebereich
Vorteile von Effizienz im Gebäudebereich (ifeu 2018)

Grafik: Agora Energiewende

Der alleinige, flächendeckende Einsatz von synthetischen Brennstoffen im Gebäudebereich, ohne zuvor den Energieverbrauch des Gebäudebestands nennenswert gesenkt zu haben, ist eine kostspielige, klimapolitische Sackgasse, die nicht nur abhängig macht von dauerhaft hohen Importen, sondern auch das Heizen für jeden Einzelnen verteuert.

In der energetischen Sanierung bestehender Gebäude liegt insofern einer der wichtigsten Schlüssel. Ohne hinreichende Dämmung ist kein sinnvoller Einsatz von Wärmepumpen, erneuerbarer Wärme oder Niedrigtemperatur-Wärmenetzen möglich. Höhere Dämmstandards von Gebäuden gehen zudem fast immer auch mit der Steigerung des Wohn- und Gebäudewertes einher. Insofern verringern effiziente Gebäude den Aufwand an Energieerzeugung und -verteilung, bewahren Erneuerbaren-Potenziale für neuralgische Anwendungen und schaffen Spielraum, um zukünftig noch flexibel auf mögliche Pfadänderungen reagieren zu können. Schließlich wissen wir alle nicht, ob die vorausgesetzten Entwicklungen auch tatsächlich eintreten werden.

Dringender politischer Handlungsbedarf

Trotz der großen Bedeutung der Gebäude-Energieeffizienz passiert bei der energetischen Sanierung leider viel zu wenig. Die Bundesregierung hat diese Zurückhaltung noch dadurch verschärft, dass sie seit Jahren die steuerliche Förderung verspricht, diese aber nicht umsetzt. Das führt zu Attentismus. Die Politik sollte daher mit höchster Priorität die Effizienzpotenziale durch Gebäudedämmung heben.

Damit die Wärmewende gelingen kann, braucht es zügig eine „Roadmap Gebäudeeffizienz 2030“. Ohne eine rasche und umfassende steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung, kombiniert mit Ordnungsrecht und klaren Anreizen für Hauseigentümern („Fördern und Fordern“) wird die Wärmewende nicht gelingen.

Über die Autoren

Alexandra Langenheld

Projektleiterin, Agora Energiewende

Alexandra Langenheld arbeitet bei Agora Energiewende als Projektleiterin zu den Themen Energieeffizienz und Lastmanagement. Vorher war sie von 2006 bis 2012 für die Europäische Kommission tätig – zunächst abgeordnet vom Bundesumweltministerium als Nationale Expertin an die Generaldirektion Energie und ab 2009 angestellt als Energy Policy Analyst am Joint Research Center. In diesen Funktionen war sie maßgeblich an Ausgestaltung und Verhandlung der EU-Richtlinien zur Förderung Erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz beteiligt und hat die Mitgliedstaaten bei der Erstellung ihrer Nationalen Aktionspläne beraten. Zwischen 2001 und 2006 war sie für die Abteilung Klimaschutz und Erneuerbare Energien des BMU tätig.

Dr. Matthias Deutsch

Projektleiter, Agora Energiewende

Dr. Matthias Deutsch arbeitet bei Agora Energiewende als Projektleiter zu den Themen Sektorkopplung Strom-Wärme und Speicher. Bis 2015 war er bei der Prognos AG als Berater mit den Schwerpunkten erneuerbare Energien, Energiebedarf, Gasnetzentwicklung und statistische Analysen tätig und hat Unternehmen, Verbände und Regierungsstellen in Deutschland und im internationalen Bereich beraten. Nach seinem Studium des Technischen Umweltschutzes an der TU Berlin hat er an der University of Maryland School of Public Policy, USA, im Bereich Energie- und Umweltpolitik promoviert.

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