Studie „Mobiles Baden-Württemberg“ – Zukunftsbilder für Mobilität in Baden-Württemberg im Jahr 2050

Gastautor Portrait

Daniel Voith

Referent der Abteilung Bildung, Baden-Württemberg Stiftung

Daniel Voith hat an der Universität Stuttgart Geographie studiert und ist als Referent der Abteilung Bildung der Baden-Württemberg Stiftung u.a. für Programme im Bereich „Bildung für Nachhaltige Entwicklung – Bürgerbildung“ zuständig. Vor seiner Zeit bei der Baden-Württemberg Stiftung war er als Projektmanager und wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Bereichen „Nachhaltige Regional- und Kommunalentwicklung“ und „Kommunales Flächenmanagement“ tätig.

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07. Oktober 2019

Hintergund

Wie kann hier der Wandel zu einer ökologisch, sozial und gleichzeitig wirtschaftlich nachhaltigen Mobilität gelingen?

Daniel Voith

Eine sachliche Betrachtung lässt nur den Schluss zu, dass der Wandel hin zu einer klimaneutralen Mobilität beschleunigt werden muss, wenn das Pariser Klimaabkommen eingehalten werden soll – nicht nur in Baden-Württemberg, sondern weltweit. Denn aufgrund des erheblichen Anteils des Verkehrs am CO2-Ausstoß insgesamt – in Baden-Württemberg beträgt dieser Anteil knapp 1/3 – kann wirksamer Klimaschutz nur mit einer Mobilitätswende gelingen. Die globale Erwärmung schreitet immer schneller voran. Und dass der Mensch durch den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 wesentlich dazu beiträgt, ist unter Fachleuten unstrittig. SchülerInnen, die sich um ihre Zukunft sorgen und im Rahmen von „Fridays for Future“ ihre Stimmen erheben, ist es zu verdanken, dass dem Klimaschutz mittlerweile weltweit auf allen Ebenen eine immer größer werdende Bedeutung zukommt.

Und die Art und Weise, wie wir derzeit unterwegs sind, schadet nicht nur dem Klima. Staus, Luftschadstoffe, Lärmbelastung und die Flächeninanspruchnahme durch fahrende und parkende Autos beeinträchtigen die Lebensqualität insbesondere in den Innenstädten- und dies nicht nur in Megacities in Fernost, sondern auch in zahlreichen Städten Baden-württembergs.

Angesichts der ökologischen und sozialen Belastungen durch unser Mobilitätsverhalten steht Baden-Württemberg, wo die Automobilwirtschaft zu Wohlstand und Lebensqualität geführt hat und ein äußerst wichtiger Wirtschaftsbereich ist, vor großen Herausforderungen. Wie kann hier der Wandel zu einer ökologisch, sozial und gleichzeitig wirtschaftlich nachhaltigen Mobilität gelingen? Diese Frage wird im Land mittlerweile von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmer- und Umweltverbänden und von der Zivilgesellschaft intensiv diskutiert, beispielsweise im Rahmen des „Strategiedialogs Automobilwirtschaft“ der Landesregierung.

Bereits 2013 – also lange bevor die Thematik „Mobilität, Klimaschutz und Mobilitätswirtschaft“ derart in den Fokus der Öffentlichkeit und der Medien gerückt ist – hat sich die Baden-Württemberg Stiftung auf Initiative des BUND Landesverbandes Baden-Württemberg mit der Studie „Mobiles Baden-Württemberg – Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität“ diesem Thema angenommen.

Entwerfen von Nachhaltigkeitsszenarien durch ein wissenschaftliches Konsortium

Für die Studie entwarfen WissenschaftlerInnen des Öko-Instituts, des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, des IMU-Instituts und des Instituts für sozial-ökologische Forschung gemeinsam mit 19 VertreterinInnen der Mobilitätswirtschaft, Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden sowie der Zivilgesellschaft drei Mobilitätsszenarien für 2050. Die WissenschaftlerInnen betrachteten insgesamt 17 Indikatoren zur ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Leitend waren Fragen wie: Welche Szenarien erreichen die Klimaschutzziele von Paris? Wie hoch ist der Strombedarf in den einzelnen Szenarien? Wie hoch der Ressourcenbedarf? Welche Auswirkung haben die einzelnen Szenarien auf Umsatz und Beschäftigung in der Mobilitätswirtschaft? Wie hoch sind die Mobilitätskosten? Was bedeutet die jeweilige Mobilitätsform für den Flächenverbrauch durch den Verkehr und die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums? Die Szenarien werden im Folgenden zusammengefasst beschrieben und bewertet.

Szenario 1: Neue Individualmobilität: Privat, komfortabel und elektrisch unterwegs

Grafik: Baden-Württemberg Stiftung

Szenario 1: Neue Individualmobilität – Privat, komfortabel und elektrisch unterwegs

Das Mobilitätsverhalten der Menschen hat sich kaum verändert. Sie sind weiterhin überwiegend mit dem eigenen Auto unterwegs, allerdings vollelektrisch und autonom. Der Energie- und Flächen-verbrauch des Verkehrs in den Städten ist sehr hoch.

Die klimaschädlichen Emissionen nehmen ab, jedoch werden die Klimaschutzziele von 2030 verfehlt. Andere Nachhaltigkeitsziele z. B. bzgl. des Strombedarfs oder der Flächeninanspruchnahme werden ebenfalls nicht erreicht.

Szenario 2: Neue Dienstleistungen: Neue Geschäftsmodelle und geteilte Fahrzeuge

Grafik: Baden-Württemberg Stiftung

Szenario 2: Neue Dienstleistungen – Neue Geschäftsmodelle und geteilte Fahrzeuge

Mit der Digitalisierung sind neue Geschäftsmodelle entstanden, die neue Formen der Mobilität ermöglichen. Viele Menschen wollen Autos zwar weiterhin nutzen, aber nicht unbedingt kaufen und besitzen. Für sie ist das Teilen von Fahrzeugen Normalität und sie kombinieren Carsharing mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Platzbedarf durch Autos und Verkehr sinkt. Ehemalige Verkehrsflächen werden anders genutzt. Dadurch steigt insbesondere in den Innenstädten die Lebensqualität. Auch in diesem Szenario werden die Klimaschutzziele 2030 nicht erreicht. Andere Nachhaltigkeitsziele werden teilweise erreicht, bspw. sinkt die Flächeninanspruchnahme des Verkehrs.

Szenario 3: Neue Mobilitätskultur: Kürzere Wege und flexible öffentliche Systeme

Grafik: Baden-Württemberg Stiftung

Szenario 3: Neue Mobilitätskultur – Kürzere Wege und flexible Systeme

Immer mehr Menschen pflegen einen bewussteren Lebensstil. Die zurückgelegten Strecken sind insgesamt kürzer, da Freizeit, Arbeit und Wohnen in einem engen Umfeld stattfinden. Viele Wege werden daher zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. Für weite Distanzen werden Bus und Bahn genutzt. Gemeinsames Fahren und das Teilen von Fahrzeugen gehören zum Alltag. Private Pkw sind nicht mehr erforderlich, um bequem mobil sein zu können. Die Klimaschutzziele werden erreicht und weitere ökologische und soziale Ziele werden am ehesten erfüllt. Unerwünschte ökonomische Effekte auf Umsatz und Beschäftigung sind jedoch am größten.

Bewertung der drei Szenarien nach ausgewählten Nachhaltigkeitsindikatoren

Schlussfolgerungen und weitere Aktivitäten der Baden-Württemberg Stiftung

Selbst unabhängig von den Szenarien ist von einschneidenden Veränderungen in der Mobilitätswirtschaft auszugehen. Grund dafür sind u.a. sich ändernde Marktanteile, die Abhängigkeit von globalen Entwicklungen des Absatzmarktes, die Entwicklung der Produktivität und der Einfluss von technischen Entwicklungen.

Die Studie zeigt Handlungsoptionen auf, bei denen das Land Baden-Württemberg hinsichtlich eines möglichst nachhaltigen Wandels unserer Mobilität aktiv werden kann. Unabhängig davon möchte die Baden-Württemberg Stiftung möglichst objektiv und ohne politische Empfehlungen die BürgerInnen Baden-Württembergs über die anstehenden ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen des Wandels hin zu einer nachhaltigen Mobilität informieren und sensibilisieren und hat zu diesem Zweck die Bildung- und Informationskampagne „Mobiles Baden-Württemberg“ ins Leben gerufen. Denn eine „Neue Mobilitätskultur“ – wie das insgesamt nachhaltigste Szenario heißt – beginnt beim Mobilitätsverhalten einer bzw. eines jeden Einzelnen von uns. Weiteres dazu erfahren Sie unter www.mobiles-bw.de. Dort kann auch die Studie heruntergeladen werden.

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  1. Michael Gangotena

    vor 3 Jahren

    Die drei Bilder zeigen das Problem der gedachten Zukunft ganz deutlich! Die Autos stehen weiterhin im Vordergrund! Es gibt weiterhin Staus und ein dominantes Bild im Bild, nämlich die roten KFZ! Ressoucenschonende Mobilität kann sich meines Erachtens innerhalb von Städten nur durch die Darstellung von Rad- Fuß- oder sonstiger selbstaktiver Mobilität gepaart mit ÖPNV und SPNV positiv darstellen. Überregionaler Verkehr käme dann wieder vermehrt das KFZ zur Geltung. Bilder sagen mehr als der Text daneben. Textmüdigkeit stellt sich ein. Wenn Bilder schon nicht akzeptiert werden, will man kaum mehr den Text lesen. Aktive Menschen, Radfahrer*innen mit Treffpunkten für „Kunststückchen“, Skater*innen, Inliner*innen, Menschen die aus dem ÖPNV/SPNV steigen und auf ihr selbstaktives Anschlusstransportmittel umsteigen, das fände ich wirksamer! Privatwirtschaftliche schließe ich mich meinem „Vorkommentator“ an. Die Rosinen erscheinen immer auf die gleiche Art und Weise! Cash und Casher. Erst der Mensch, dann das Business! Geht es dem Menschen gut, geht es dem Gewerbe gut! Umdenken lohnt sich, denn anders rum bleibt der Mensch auf der Strecke. Bei der Devise: „Erst der Mensch“ bleibt niemand auf der Strecke!

  2. Martin H

    vor 5 Jahren

    Eine nette bunte Aufbereitung der ausführlichen Studie „Mobiles Baden-Württemberg – Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität" mit einigen Statements von "Impulsgebern des Wandels" in BW.
    Ich empfehle die Original-Studie auch zu lesen und dann auch wirklich gute Mobilitätsoptionen für 21. Jahrhundert daraus zu entwickeln, die nachhaltig und gemeinwohlorientiert sind.
    In der Broschüre ist der kleine Hinweis auf das "Nimm-mich-mit-Häusle in Hinterzarten" ein positives Beispiel, dass wir gerade in BW durch intensives MIT-fahren (gerade auch im privaten PKW) den Verkehr durchaus um 50% reduzieren können und dabei noch ein viel besseres Mobilitätsangebot (in der Fläche) erreichen können. Gleichzeitig erhalten wir so die Vorteile der automobilen Angebote aus Baden-Württemberg. Hier müsste der Staat (und die Kommunen) eine viel aktivere Verantwortung für das Management der Mobilität im öffentlichen Raum übernehmen und nicht der (ausländischen) Privatwirtschaft überlassen, die sich nur die Rosinen aus dem Mobilitätsmarkt herauspicken.

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