The future starts now – Sachsen auf dem Weg in die automobile Zukunft

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Werner Olle

Direktoriumsmitglied des Chemnitz Automotive Institute (CATI)

Langjährige Erfahrung in der Automobil- und Zulieferindustrie als Unternehmensvorstand und Logistik-Manager. Deutscher Logistik-Preis 1998 mit der VW Sachsen GmbH für das Konzept ‘Produktion in Partnerschaft’, Mitwirkung bei der zweimaligen Auszeichnung mit dem elogistics Award für innovative Steuerungstools mit den Firmen Logis (2009) und Carnet (2013). Mitbegründer der Innovationsplattform FutureFab. Honorarprofessor an der Staatlichen Studienakademie in Sachsen. Fotoquelle: MediaLoge

weiterlesen
21. Oktober 2019
Vorstellung eines Elektroautos auf der IAA.

Quelle: Volkswagen

Sachsen bezeichnet sich gern und mit Recht als ‚Autoland’, verfügt die Region doch über eine lange automobile Tradition, an die die heutige Automobilindustrie in der Region dank einer bemerkenswerten Revitalisierung in den letzten drei Jahrzehnten wieder anknüpfen kann.

Doch diese anhaltende Wachstumsstory scheint gegenwärtig bedroht. Die gesamte Branche befindet sich am Beginn eines tiefgreifenden strukturellen Umbruchs, der die Automobilhersteller zu einem radikalen Umdenken zwingt, bei Automobilzulieferern hohe Risiken in einem Produktbereich (Antrieb) erzeugt, aber auch gute Wachstumschancen in anderen Sektoren (Interieur, Elektrik/ Elektronik) bietet. Diese Herausforderung, die gegenwärtig noch durch marktbedingte Verwerfungen überlagert wird, kommt auch auf das ‚Autoland Sachsen’ mit hoher Geschwindigkeit zu.

Im Fokus steht dabei die Trendwende zur Elektromobilität, die in einer 1. Welle ab 2020 und verstärkt ab 2025 zu einem deutlichen Wachstum bei Elektrofahrzeugen führen wird. Die damit verbundene Produktoffensive aller Automobilhersteller ist – bei Erreichung marktfähiger Preise, höherer Reichweiten und flankiert durch eine entsprechende Infrastruktur – eine wesentliche Voraussetzung, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen.

Die ‚Treiber’ der Elektro-Offensive der Automobilhersteller

Die Trendwende im Produktportfolio der Automobilhersteller resultiert nicht aus ökologischen Einsichten, sondern aus wirtschaftlichen Zwängen. Haupttreiber dieser Entwicklung sind regulative Auflagen in Europa und in China, die durch CO2-Limits oder vorgeschriebene Quoten die Hersteller dazu zwingen, den Anteil von Fahrzeugmodellen mit emissionsarmen Antrieben in relativ kurzer Zeit drastisch zu erhöhen.

Ein kurzer Blick auf die CO2-Limits der EU und die durchschnittlichen CO2-Werte neu zugelassener Fahrzeuge verdeutlicht die Dramatik.

  • Die Limits der EU schreiben bis 2021 durchschnittliche CO2-Werte von 95g/km vor, und in weiteren Reduzierungsstufen bis 2030 absinkend bis auf 59 g/km.
  • Der Mittelwert der in Deutschland im I. Halbjahr 2019 neu zugelassenen Fahrzeuge aller Hersteller betrug nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) 157,0 g/km (nach WLTP) und lag damit etwa 65 % über den Zielwerten der EU für 2021.

Dieser Zahlenvergleich macht deutlich, dass die CO2-Zielwerte  der EU ohne massiven und kurzfristigen Umstieg auf Elektromobilität nicht annähernd zu erreichen sind.

Prognose zur Produktion von Elektroautos 2025

Sachsen wird damit zu einer der TOP-Regionen der Produktion von Elektro-PKW nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.

Prof. Dr. Werner Olle

In einer Gemeinschaftsstudie des Chemnitz Automotive Institute (CATI) und des Netzwerks der Automobilzulieferer Sachsen (AMZ) haben wir die Planungen der in Deutschland produzierenden Hersteller im Detail analysiert und hinsichtlich des für 2025 zu erwartenden Volumens an voll-elektrischen Fahrzeugen bewertet.

Für 2025 ist in Deutschland eine Produktion von 1,59 Mio. voll-elektrischer Fahrzeuge zu erwarten. Bei einer um die 5,3 Mio. Einheiten stagnierenden Gesamtproduktion im Inland entspricht dies einem Anteil von 30 % voll-elektrischer PKW an der inländischen Automobilproduktion. Dies ist gegenüber der heutigen Produktionszahl von < 100.00 voll-elektrischen Fahrzeugen ein unvorstellbarer Quantensprung.

Diese zu erwartende Entwicklung wird in Sachsen noch getoppt. Durch die Planungen der drei Automobilhersteller VW, BMW und Porsche ist davon auszugehen, dass in der Region 2025 ca. 870.000 Fahrzeuge produziert werden (+15 % gegenüber 2017), darunter ca. 370.000 voll-elektrische PKW. Dies entspricht einem Anteil von 40-45 % voll-elektrischer PKW an der Automobilproduktion in Sachsen.

Sachsen wird damit zu einer der TOP-Regionen der Produktion von Elektro-PKW nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.

Risiken und Chancen für die Region

Mitarbeiterqualifizierung für den den Batterieeinbau. Mit Hilfe von Virtual Reality werden die Angestellten ausgebildet.

Quelle: Volkswagen

Eine solche zu erwartende Entwicklung ist ohne Frage eine sehr erfreuliche Botschaft für die Region, die Volkswagen Sachsen mit dem Slogan ‚Tradition trifft Zukunft’ markant zum Ausdruck bringt. In der Stadt mit dem August-Horch-Museum und in einem Werk, in dem noch der Trabant vom Band lief, wird nun ein bestehendes Fahrzeugwerk in einem rasanten Tempo zu einem Werk umgebaut, in dem in Kürze keine Verbrenner mehr produziert werden. Das Werk soll zudem zu einem markenübergreifenden ‚Europäischen Zentrum für e-Mobilität’ entwickelt werden.

Die Zulieferindustrie sieht dieser Entwicklung durchaus mit gemischten Erwartungen entgegen. Zulieferer aus dem Produktbereich Antrieb werden ohne neue Produkte und/oder Diversifikation ihren heutigen Stand nicht aufrechterhalten können. Nach unseren Berechnungen sind für diesen Produktbereich, der der beschäftigungsintensivste in der sächsischen Zulieferindustrie ist, bis 2025 Beschäftigungsreduzierungen um ca. – 15 % zu erwarten. Demgegenüber bestehen Wachstumschancen mit positiven Vorzeichen bei der Beschäftigtenentwicklung im Interieur (+ 6 %) und im Bereich Elektrik/Elektronik (+14 %), vorausgesetzt die dafür erforderliche Personalverfügbarkeit ist gegeben.

Diese Zahlen dürfen aber nicht hinwegtäuschen, dass sich Beschäftigungsrisiken und –chancen nicht friedlich gleichverteilt über die Region ausbreiten. Während die Unternehmen mit Schwerpunkt im Antriebsbereich mehrheitlich rund um Zwickau und Chemnitz sowie im Erzgebirgskreis lokalisiert sind, ist die Mehrheit der Elektronik-Unternehmen im Großraum Dresden zu Hause. Hinzu kommen unterschiedliche Qualifikations- und Anforderungsprofile.

Herausforderungen annehmen, ohne die Risiken zu ignorieren

An einer forcierten Trendwende zur Elektromobilität führt kein Weg vorbei, sollen klimapolitische Ziele und wiederholte Versprechen eingelöst werden.

Damit verbundene Risiken sollten allerdings nicht ignorierte werden. Ohne einen begleitenden ‚Branchendialog’ mit allen Beteiligten wird es schwer werden, diese Gemengelage aus Klimaschutz und wirtschaftlicher Transformation zu bewältigen.

Diskutieren Sie mit

Ich akzeptiere die Kommentarrichtlinien sowie die Datenschutzbestimmungen* *Pflichtfelder

Artikel bewerten und teilen

The future starts now – Sachsen auf dem Weg in die automobile Zukunft
5
1