Hinweis: Der Text basiert auf einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe Traktionsbatterien in der Circular Economy Roadmap für Deutschland (2021) und wurde von den Autoren für diesen Blogbeitrag angepasst. Die komplette Liste an Autoren des Abschlussberichts Traktionsbatterien, die vollständigen Ergebnisse der Arbeitsgruppe, inklusive der in den Pilotsteckbriefen konkretisierten Themen für die Umsetzung, sowie die hier abgeleiteten Handlungsempfehlungen sind detailliert im Ergebnisbericht Traktionsbatterien beschrieben https://www.circular-economy-initiative.de/publikationen
Die seitens der EU-Kommission vorgeschlagene Novelle der EU-Batterierichtlinie stellt hier einen vielversprechenden Ansatz dar.
Die derzeitige und weiter erwartete starke Marktexpansion von Traktionsbatterien weltweit birgt große Potenziale für die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs und gleichzeitig für neue wirtschaftliche Wertschöpfungs- und Wohlstandssteigerung. Andererseits gilt es, von Anfang an die ökosozialen Herausforderungen – Umweltbelastungen, Fragen der Arbeitssicherheit, Menschenrechtsverletzungen –, die entlang der internationalen Lieferketten entstehen können, zu minimieren, und zwar vom Abbau der Rohstoffe (vor allem in Produktionsländern mit weniger entwickelten Umwelt- und Sozialstandards) bis hin zum Recycling.
Die Arbeitsgruppe Traktionsbatterien der Circular Economy Initiative Deutschland konnte zeigen, dass verschiedene Circular-Economy-Maßnahmen wie Rückgewinnung/Recycling, Instandsetzung defekter Traktionsbatteriesysteme und Second-Life-Anwendungen in alternativen Anwendungen hier signifikante Beiträge leisten können. So konnte mit Modellrechnungen gezeigt werden, dass durch die Rückgewinnung von Metallen wie Lithium, Kobalt und Nickel aus in Deutschland auf den Markt gebrachten Fahrzeugen erheblicher wirtschaftlicher Wert generiert werden kann (1,2 Milliarden Euro bis 2030 beziehungsweise 13,8 Milliarden Euro bis 2050 bei derzeitigen Rohstoffpreisen).Die CO2-Reduktion könnte sich durch die Rückgewinnung der Metalle so bis 2030 auf rund 36 Millionen Tonnen belaufen. Durch die Instandsetzung defekter Traktionsbatteriesysteme könnten zudem bis 2050 sogar Einsparungen von etwa 5,3 Milliarden Euro und 282 Petajoule Energiebedarf (das entspricht 31,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten) möglich sein; durch Second-Life-Anwendungen unter optimistischen Annahmen käme man auf Einsparungen des kumulativen Energieaufwands (KEA) von 655 Petajoule (73 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente).
Jedoch sind die derzeitigen regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht geeignet, um eine produktive Nutzung und effektive Kreislaufführung wichtiger Batteriematerialien zu unterstützen. Zu diesen defizitären Rahmenbedingungen zählen beispielsweise niedrige, nicht nach Materialien differenzierte Rückgewinnungsquoten, mangelnde Wertschöpfungsnetzwerke für zirkuläre Geschäftsmodelle einschließlich Nachnutzungsoptionen sowie fehlende Investitionen in die nötige Infrastruktur. Entsprechend gilt es, diese Rahmenbedingungen neu zu justieren. Die seitens der EU-Kommission vorgeschlagene Novelle der EU-Batterierichtlinie stellt hier einen vielversprechenden Ansatz dar.
Für den Übergang zu einer zirkulären, nachhaltigen Batteriewertschöpfung müssen Maßnahmen umgesetzt werden, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette greifen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Traktionsbatterien unterstützen dabei die von der Global Battery Alliance genannten Prinzipien und fassen die daraus gewonnenen zentralen Erkenntnisse wie folgt zusammen:
- Anpassung der Hard- und Software: Es bedarf der Berücksichtigung eines zirkulären Produktdesigns (Design for Repair, Design for Recycling) und einer Überprüfung, welche Rolle eine größere Modularität dabei spielen kann. Standards zur Bereitstellung relevanter Daten müssen technisch möglich und industrieweit vereinbart werden, damit ein effizientes zirkuläres Management gelingen kann. Material- beziehungsweise Produktpässe (Battery Passport) sind als Lösung hierfür besonders hervorzuheben.
- Implementierung von Circular-Economy-Strategien und Anpassung politischer Rahmenbedingungen: Damit Altbatterien für Second-Life-Anwendungen genutzt oder recycelt werden können, ist ihre möglichst vollständige Erfassung eine wesentliche Grundlage; hierzu müssen geeignete politische und wirtschaftliche Strukturen sichergestellt sein. Zentrale Definitionen, wie zum Beispiel rechtliche Bestimmungen für Fahrzeugbatterien, die Standardisierung der Berechnung von CO2-Fußabdrücken und Recyclingraten sowie die Nennung von Mindeststandards, beispielsweise bezüglich der Wahrung des Daten- und Arbeitsschutzes sowie verbindlicher Rückgewinnungsraten, sind von großer Bedeutung und müssen entsprechend festgelegt werden.
- Entwicklung von Prozess- und Produktinnovationen: Die Entwicklung automatisierter Demontagesysteme, sicherer Entladetechnologien und neuer, umweltschonender Recyclingverfahren mit Fokus auf effizienten und nachhaltigen Recyclingketten sowie robusten Materialsyntheseprozesse ist ebenso von Bedeutung für höherwertige Zirkularität wie die Bereitstellung von effizienten und zuverlässigen Tests zur Second-Life-Eignung von Batterien. Smart Charging, Vehicle-to-Grid und Vehicle-to-X (V1G/V2G/V2X) sind die potenziell erfolgversprechendsten Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung durch zusätzliche Umsatzgenerierung über verschiedene Netzdienste.
- Bildung und Forschung: Der Aufbau von fundiertem Grundlagen- und Anwendungswissen durch die entsprechende Integration in relevante Studiengänge, zum Beispiel mittels Vorlesungen zu Circular Economy, Circular-Economy-bezogener Masterstudiengänge, Studiengangvertiefungen und Fortbildungsangeboten ist wichtig.
Autor*innen des Beitrags
Dr. Reinhard von Wittken
Wissenschaftlicher Referent Circular Economy Initiative Deutschland
Dr. Reinhard von Wittken ist wissenschaftlicher Referent im Bereich Energie, Ressourcen und Nachhaltigkeit bei acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich dort mit Themen und Fragestellungen der Kreislaufwirtschaft/ Circular Economy. Von 2019-2021 koordinierte er u.A. die Arbeitsgruppe Traktionsbatterien in der vom BMBF geförderten Circular Economy Initiative Deutschland. Seit 2021 arbeitet er zudem für die Geschäftsstelle der vom BMWi aus initiierten Dialogplattform Recyclingrohstoffe, die von der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) geleitet und von acatech als wissenschaftlicher Partner begleitet wird. Reinhard von Wittken studierte Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Internationale Beziehungen und promovierte zum Thema Nachhaltiges Unternehmertum an der Technischen Universität München.
Dr. Ing. Christian Hagelüken
Director EU Government Affairs - Umicore AG & Co KGaA; Co-Leitung Arbeitsgruppe Traktionsbatterien der Circular Economy Initiative Deutschland
Dr. Christian Hagelüken leitet die Abteilung EU Government Affairs von Umicore. Von 2003 bis 2011 war er verantwortlich für Geschäftsentwicklung und Marketing bei Umicore Precious Metals Refining. Vor 2003 bekleidete er verschiedene Management-Positionen im Unternehmensbereich Edelmetalle der Degussa AG. Christian Hagelüken vertritt Umicore in relevanten Politikinitiativen, Verbänden, Expertengruppen und Forschungskooperationen, unter anderem der EU Rohstoff Initiative, dem UNEP Resource Panel, dem BDI-Rohstoffausschuss, sowie dem acatech Arbeitskreis „Rohstoffe für die Energiesysteme der Zukunft“. 2021 wurde er in die Ressourcenkommission des Umweltbundesamts berufen. In der Arbeitsgruppe „Traktionsbatterien“ der Circular Economy Initiative Deutschland übernahm er unternehmensseitig die Co-Leitung. Er verfügt über langjährige Erfahrung im Recycling und Ressourcenmanagement von (Edel-) Metallen und ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und Konferenzbeiträge. Christian Hagelüken studierte Bergbau und Wirtschaftsingenieurwesen an der RWTH Aachen, wo er 1991 zum Dr. Ing. promovierte.
Foto: Umicore
Prof. Dr. Ing. Arno Kwade
Institutsleiter - Institut für Partikeltechnik an der TU Braunschweig; Co-Leitung Arbeitsgruppe Traktionsbatterien der Circular Economy Initiative Deutschland
Prof. Dr. Arno Kwade ist Leiter des Instituts für Partikeltechnik (iPAT) an der TU Braunschweig sowie Sprecher und Gründer der Battery LabFactory Braunschweig. Darüber hinaus verantwortet er die Bereichsleitung Verfahrens- und Fertigungstechnik am Fraunhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik. Seine Forschungsinteressen liegen insbesondere im Bereich Zerkleinerung, Dispergieren sowie Fließ- und Kompaktierungsverhalten von Partikeln und Pulvern im Submikron- und Nanometerbereich. Der Fokus richtet sich dabei auf die Anwendung dieser Partikel für Beschichtungen und Kompositmaterialien wie der Herstellung von Elektroden für den Einsatz von Lithium-Ionen-Batteriezellen. In der Arbeitsgruppe „Traktionsbatterien“ der Circular Economy Initiative Deutschland übernahm er wissenschaftsseitig die Co-Leitung. Als Vorsitzender des europäischen Netzwerks der Pilotlinien zur Batteriezellproduktion, stellvertretender Vorsitzender des Beirats Batterieforschung Deutschland des BMBF und Projektkoordinator verschiedener BMBF- und EU-seitig geförderter Initiativen bringt sich Arno Kwade an zentraler Stelle in die Forschung und Anwendung von Batteriezelltechnologien ein. Arno Kwade studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Braunschweig, wo er 1996 zum Dr.-Ing. promovierte.
Foto: Frank Bierstedt/TU Braunschweig
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