Nachhaltigkeit und Klimaanpassung – der Bau ist der Schlüssel

Gastautor Portrait

Prof. Beate Wiemann

Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbands NRW

Beate Wiemann, geboren 1961 in Hildesheim, studierte Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians- Universität Würzburg und der Albert- Ludwigs-Universität Freiburg. 1992 stieg sie als Referentin der Abteilung Sozialpolitik in den Bauindustrieverband NRW in Düsseldorf ein, seit 2009 ist sie Hauptgeschäftsführerin des Verbands. Die Rechtsanwältin hat seit 2011 eine Honorarprofessur an der Fachhochschule Münster und lehrt dort im Fachbereich Baubetrieb Arbeitsrecht.

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14. Juni 2023
Foto: Smileus/Shutterstock.com

Der Schutz unseres Klimas und die Anpassung an den Klimawandel, mehr Energieeffizienz, Ressourcenschutz und eine moderne Infrastruktur sind zentrale Herausforderungen für unser Land. Ein Mehr an Klimaschutz und eine höhere Klimaresilienz unserer gebauten Umwelt können nur im engen Schulterschluss von Politik und Gesellschaft, von Auftraggebern und Unternehmen erreicht werden. Die Bauwirtschaft spielt dabei als Schlüsselbranche eine zentrale Rolle und bietet innovative Lösungen bei Klimaschutz- und Klimaanpassung wie auch beim ressourcen- und kostenbewussten Bauen an. Bund, Länder, Kommunen und weitere öffentliche Auftraggeber können durch ihre Vorbildfunktion wichtige Impulse setzen und zentrale Treiber werden.

Herausforderungen und Rahmenbedingungen

Gebäude und Infrastrukturen müssen den zukünftigen klimatischen Bedingungen entsprechend ausgelegt und existierende Gebäude und Infrastrukturen baulich angepasst werden.

Prof. Beate Wiemann

Die Dringlichkeit der Lösung dieser Jahrhundertaufgabe hat das katastrophale Jahrhunderthochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Sommer 2021 erneut gezeigt: Das Klima muss noch schneller und noch effektiver geschützt, unser Land besser auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet werden. Gebäude und Infrastrukturen müssen den zukünftigen klimatischen Bedingungen entsprechend ausgelegt und existierende Gebäude und Infrastrukturen baulich angepasst werden. Gleichzeitig gehören aber das Bauen und – in noch höherem Maße der Betrieb von Gebäuden – zu den Hauptemittenten von CO2 und Baustoffe werden oft noch nicht ausreichend recycelt. Es liegt daher auf der Hand, Klimaschutz, Klimaanpassung und Nachhaltigkeit immer zusammen zu denken und auch umzusetzen.

Ob Green Deal oder „Fit for 55“ −hinter diesen Begriffen verbergen sich klare Rahmenbedingungen und Vorgaben: So soll innerhalb von 10 Jahren etwa die Renovierungsquote im Gebäudesektor mindestens verdoppelt werden, die seit Jahren in den EU-Mitgliedsstaaten zwischen 0,4 und 1,2 Prozent stagniert. Viel Geld wird investiert, um eine Renovierungswelle in Gang zu setzten. Eine signifikante Erhöhung der Sanierungsquote kann allerdings nicht durch Geld allein erreicht werden: Es gilt, Prozesse zu optimieren und innovative, bauindustrielle Produktionsmethoden konsequent auszubauen. So können gerade größere Gebäudebestände effizienter und schneller modernisiert werden.

Nachhaltige Bauweise und Kreislaufgedanke

Bislang vergeben gerade öffentliche Auftraggeber wie Bund, Land oder Kommunen Bauaufträge oftmals an den billigsten Anbieter. Nachhaltige Bauweisen und innovative und klimafreundliche Baustoffe kommen dadurch noch zu selten zum Einsatz, da sie zunächst teurer als konventionelle Verfahren und Produkte sein können. Die Bauwirtschaft spricht sich deshalb dafür aus, dass regionale Bauprodukte mit dem Vorteil kurzer Wege und regionaler Wertschöpfung sowie Recyclingbaustoffe und CO2-einsparende Logistikkonzepte zukünftig eine viel größere Rolle bei Auftragsvergaben spielen müssen. Der gesamte Lebenszyklus eines Bauwerkes sollte in den Blick genommen und darauf geachtet werden, eingesetzte Baustoffe am Ende eines Gebäudelebens wiederverwenden zu können und nicht deponieren zu müssen.

Das ist auch deshalb besonders wichtig, weil das Bauen ressourcenintensiv ist, sowohl im Rohstoffeinsatz als auch beim Abfallaufkommen im Rahmen der Bautätigkeiten. Lieferengpässe und zum Teil extreme Preissprünge bei Baustoffen – zunächst als Folge der Corona-Pandemie und dann als Folge des Kriegs in der Ukraine – unterstreichen, dass nicht nur aus Klimagesichtspunkten knapper werdenden Ressourcen am Bau noch nachhaltiger genutzt und vor allem auch verstärkt wiederverwendet werden müssen. Denkt man diesen Kreislaufgedanken konsequent zu Ende, werden im Idealfall künftig bei jedem Abbruch Bauteile regelrecht geerntet werden können, anstatt sie als Bauschutt zu entsorgen. Das ist nicht nur gut für das Klima, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von bislang oft ausschließlich importierten Rohstoffen und Bauprodukten. Projekte wie das Bürogebäude „The Cradle“ im Düsseldorfer Medienhafen zeigen auf vorbildliche Weise, wie dies gelingen kann: Das Gebäude kann nach Nutzungsende bis zu 97 Prozent zurückgebaut und das Material für Neubauten wiederverwendet werden. Ein regionaler Holzbaubetrieb hat sich vertraglich dazu verpflichtet, das eingebrachte Holz am Ende des Gebäudelebens wieder zurückzukaufen und wiederzuverwenden.

Innovative und nachhaltige Bauprodukte

Auch innovative und nachhaltige Bauprodukte spielen zunehmend eine wichtige Rolle bei Klimaschutz und Klimaanpassung – zum Beispiel im Straßenbau: So setzten beispielsweise in Nordrhein-Westfalen bereits mehrere Kommunen veredelte Straßenbeläge ein, die mit Hilfe von Sonneneinstrahlung und Regen aktiv giftige Stickoxide reduzieren können. Hellere Asphalte können in heißen Sommern dabei helfen, Hitzestaus in Innenstädten zu verhindern. So genannte Power Roads können Energie aus Sonnenwärme über Wärmepumpen für benachbarte Gebäuden und Infrastrukturen nutzbar machen – Straßen werden so zu Energiequellen. Im Gebäudebereich sollen zudem nachwachsende Rohstoffe in Zukunft vermehrt zum Einsatz kommen, etwa auf Basis der Hanfpflanze. Mit Hanfbetonen und Hanfziegeln lassen sich dank hervorragender bauphysikalischer Eigenschaften auch ohne zusätzliche Isolierung Gebäude nach höchsten Klimahausstandards errichten, die insgesamt mehr CO2 binden, als bei ihrem Bau entsteht.

Klimaanpassung als Teil von Planungen und Entscheidungen

Die Baubranche ist ein Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaanpassung, kann allerdings nur umsetzen, was ihre Auftraggeber bestellen [...]

Prof. Beate Wiemann

Mit dem bundesweit ersten eigenständigen Klimaanpassungsgesetz schreibt die Landesregierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes das Ziel fest, die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Alle Träger öffentlicher Aufgaben sind fortan dazu verpflichtet, Klimafolgen bei allen Planungen und Entscheidungen zu berücksichtigen. Zudem ist die Erstellung und Fortschreibung einer Klimaanpassungsstrategie, die Durchführung eines Klimafolgen- und Anpassungsmonitorings sowie die Einrichtung eines Beirates für Klimaanpassung gesetzlich festgeschrieben, in dem auch die NRW-Bauindustrie mitwirkt.

Die Baubranche ist ein Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaanpassung, kann allerdings nur umsetzen, was ihre Auftraggeber bestellen: Gerade die Öffentliche Hand ist deshalb gefragt, mit gutem Vorbild voranzugehen und noch schneller zu werden bei der konsequenten Umsetzung ihrer Nachhaltigkeits- und Klimaanpassungsstrategien.

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