Hagen auf dem Weg zur Wasserstoff-Zukunft: Das HyExperts-Projekt als Katalysator für nachhaltige Mobilitäts- und Industrieentwicklung

Gastautor Portrait

Thomas Köhler

Leiter des Umweltamtes Stadt Hagen und Gesamtprojektleiter HyExperts Hagen

Leitender Städtischer Direktor, seit 1982 im Dienst der Stadt Hagen.

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14. Dezember 2023
Bild: Shutterstock.com/ON-Photography Germany

Das HyExperts-Projekt in Hagen markiert einen Wendepunkt in unserer städtischen Entwicklung. Es symbolisiert nicht nur einen Beitrag zur Energiewende und zum Klimaschutz, sondern stärkt auch die Zukunftsfähigkeit unserer traditionsreichen Industrieregion. Als Leiter des Umweltamtes und Gesamtprojektleiter dieses ambitionierten Vorhabens liegt mir die Förderung der Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure am Herzen. Unser gemeinsames Ziel ist es, Hagen zu einem Vorreiter in der Wasserstoffwirtschaft zu machen und damit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklung unserer Stadt zu leisten. In diesem Artikel beleuchte ich die Schlüsselaspekte des HyExperts-Projekts, die es zu einem Meilenstein in unserer städtischen Entwicklung machen. Projektstart war im Herbst 2022, zum Ende des Jahres 2023 wird das Konzept abgeschlossen sein und mit dem Abschlussbericht Handlungsempfehlungen für die nächsten Schritte in der Umsetzung geben.

Geografische und infrastrukturelle Vorteile von Hagen

Hagen, strategisch positioniert als Bindeglied zwischen dem dicht besiedelten Ruhrgebiet und der ländlich geprägten Region Südwestfalen, bietet ideale Voraussetzungen für die Entwicklung eines umfassenden Wasserstoffgesamtkonzepts.

Thomas Köhler

Hagen, strategisch positioniert als Bindeglied zwischen dem dicht besiedelten Ruhrgebiet und der ländlich geprägten Region Südwestfalen, bietet ideale Voraussetzungen für die Entwicklung eines umfassenden Wasserstoffgesamtkonzepts. Diese einzigartige Lage ermöglicht es uns, sowohl die lokale als auch die überregionale Wasserstoffwirtschaft zu beeinflussen und zu gestalten.

Die hohe Dichte an Logistikunternehmen und energieintensiven stahlverarbeitenden Betrieben in unserer Region stellt eine optimale Ausgangslage für die Schaffung eines integrierten Wasserstoffnetzes dar. Diese etablierten Strukturen sind nicht nur für die lokale Distribution von Wasserstoff entscheidend, sondern ermöglichen auch dessen überregionale Verbreitung.

Darüber hinaus zeichnet sich der Standort Hagen-Kabel durch leistungsstarke Anschlüsse an das übergeordnete Strom- und Erdgasnetz aus. Diese technologische Basis ist entscheidend für den Aufbau von Infrastrukturen zur Wasserstoffverteilung und -speicherung. Die lokale Energieerzeugung, repräsentiert durch die innerstädtischen Kraftwerke wie die Biomasseverstromungsanlage Hagen-Kabel und die Müllverbrennungsanlage, ermöglicht es uns, unter Nutzung erneuerbarer Energiequellen Wasserstoff zu produzieren. Die Einbindung biogener Reststoffe trägt zusätzlich zu einer gesteigerten regionalen Wertschöpfung bei und fördert den Multiplikatoreffekt.

Insgesamt bietet Hagen somit eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung einer zukunftsfähigen Wasserstoffwirtschaft, die sowohl die lokale Industrie als auch die breitere Region stärkt und voranbringt.

Ziele und strategische Ausrichtung des HyExperts-Projekts

Unser primäres Ziel ist es, eine objektive und grundlegende Bewertung der Rolle des Energieträgers Wasserstoff in einer kurz- und langfristigen Perspektive zu erarbeiten.

Thomas Köhler

Im Zentrum des HyExperts-Projekts in Hagen steht die Entwicklung eines umfassenden Konzepts, das die technischen, örtlichen und infrastrukturellen Potenziale für die Implementierung einer Wasserstoffwirtschaft detailliert analysiert und darlegt. Unser primäres Ziel ist es, eine objektive und grundlegende Bewertung der Rolle des Energieträgers Wasserstoff in einer kurz- und langfristigen Perspektive zu erarbeiten. Dabei berücksichtigen wir sowohl die direkten Anwendungsmöglichkeiten als auch die strategische Bedeutung für die regionale und überregionale Energieinfrastruktur.

Ein wesentlicher Aspekt unserer Arbeit ist die Verknüpfung des lokalen Konzepts mit bestehenden Initiativen und Projekten in Südwestfalen und dem Ruhrgebiet. Wir streben danach, vorhandene Arbeiten zu integrieren und darauf aufzubauen, um eine synergetische und vernetzte Entwicklung im Kontext der regionalen HyExperts-Projekte zu fördern.

Unser Ansatz zielt darauf ab, sowohl konkrete strategische Ergebnisse und Maßnahmenvorschläge zu erarbeiten als auch ein breites Verständnis für die realistischen Handlungsperspektiven und -optionen zu schaffen. Dies soll es der Stadt Hagen ermöglichen, passende Netzstrukturen und Technologien für eine effiziente und nachhaltige Wasserstoffverteilung zu entwickeln und damit auch die Dekarbonisierung lokaler Industriebetriebe voranzutreiben.

Darüber hinaus dient das HyExperts-Projekt dem Ziel, eine Vielzahl umsetzungsreifer und für Investoren attraktiver Projektideen zu generieren. Diese sollen als Bausteine einer zukunftssicheren Infrastruktur und einer branchenübergreifenden, wirtschaftlich tragfähigen Dekarbonisierung in Hagen und der umliegenden Region dienen.

Die Studie mit ihren Potenzialanalysen und begleitender Konzeption orientierte sich an diversen Leitfragen, die für verschiedene Sektoren von besonderer Relevanz sind, wie Logistik, Industrie und Zukunftsfähigkeit, die Erzeugung, Speicherung und der Transport von Wasserstoff, kommunale Unternehmen und Mobilität sowie die Dekarbonisierung des Wärmemarktes. Diese Fragestellungen wurden in der Studie sowohl einzeln als auch in ihren Wechselwirkungen betrachtet, um ein holistisches Bild der Möglichkeiten und Herausforderungen einer Wasserstoffwirtschaft in Hagen zu zeichnen.

Die umfassenden Analysen der Wasserstoff-Potenziale und -Aktivitäten in unserer Stadt und Region fokussierten im HyExperts-Projekt diese Bereiche:

  • Güterverkehr
  • Treibstoff für kommunale Unternehmen
  • Wasserstoff-Tankstellen
  • Infrastruktur für Service und Wartung
  • H2-Potenziale im Verkehrssektor in Hagen
  • Wasserstoff-Projekte im Verkehrssektor in Hagen

Darüber hinaus erfolgte eine umfassende Betrachtung über die Möglichkeiten zur Dekarbonisierung des Wärmemarktes mit H2 im Gebäudesektor und nachhaltigen Wärmeerzeugungstechnologien in Hagen, die Nutzung von industrieller Abwärme sowie Sanierung und Gebäudebestand. Eine ökologische Betrachtung der CO2-Einsparpotenzialen rundete die Analysen ab.

Kommunale Unternehmen profitieren von der Entwicklung

Projekte wie das HyExperts-Programm in Hagen zeigen, wie durch die Zusammenarbeit von Stadtverwaltungen, Energieversorgern und weiteren Partnern innovative Lösungen entwickelt werden können. In Hagen wird beispielsweise an der Errichtung einer Wasserstofftankstelle gearbeitet, die eine Schlüsselkomponente für die Einführung von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen in der städtischen Flotte darstellt. Dies ist ein wichtiger Schritt, da der Verkehrssektor in Hagen für etwa 20% der CO2-Emissionen verantwortlich ist.
Darüber hinaus wird in Hagen an der Entwicklung einer Wasserstoffproduktionsanlage gearbeitet, die mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Diese Anlage soll eine Kapazität von bis zu 1.000 Kilogramm Wasserstoff pro Tag haben, was ausreicht, um bis zu 50 Busse oder 500 PKWs zu versorgen. Solche Projekte sind nicht nur technologisch wegweisend, sondern auch ein Beispiel für erfolgreiche, sektorübergreifende Kooperationen. Sie demonstrieren, wie durch gezielte Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur und die Förderung von Pilotprojekten die Grundlagen für eine klimafreundliche Zukunft gelegt werden können.

Kommunale Energieunternehmen spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie ihr Know-how und ihre Ressourcen einbringen, um die technische Machbarkeit und wirtschaftliche Tragfähigkeit von Wasserstoffprojekten zu prüfen und voranzutreiben. Die Investitionen in diese Technologien und Infrastrukturen sind nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein wichtiger Schritt in Richtung einer diversifizierten und resilienten lokalen Wirtschaft.

Die Rolle der Industrie in Hagen im Rahmen des HyExperts-Projekts

Im Rahmen des HyExperts-Projekts wird die Rolle der Hagener Industrie im Kontext der Dekarbonisierung und der Nutzung von Wasserstoff neu definiert.

Thomas Köhler

Seit dem 19. Jahrhundert ist Hagen ein bedeutender Standort für die Herstellung von Metallerzeugnissen und Werkzeugen, geprägt durch die Verfügbarkeit von Rohstoffen und einer günstigen geografischen Lage. Diese historische Entwicklung hat Hagen zu einem wichtigen Akteur in der regionalen Industrielandschaft gemacht.

Im Rahmen des HyExperts-Projekts wird die Rolle der Hagener Industrie im Kontext der Dekarbonisierung und der Nutzung von Wasserstoff neu definiert. Mit knapp 30% der jährlichen Emissionen der Region hat die produzierende Industrie ein signifikantes Potenzial, zur Dekarbonisierung beizutragen. Das Projekt zielt darauf ab, die stofflichen und energetischen Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff in der Industrie zu untersuchen, aktuelle und zukünftige Bedarfsmengen zu ermitteln und die aktuelle Projektlandschaft im Hinblick auf Synergiepotenziale zu analysieren.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Entwicklung von Rahmenbedingungen für den Einsatz von Wasserstoff in der Industrie, einschließlich logistischer, finanzieller und politischer Aspekte. Die Analyse der vorgesehenen Versorgungsketten und die Rolle von HyExperts Hagen als Beschleuniger für die Wasserstoffwende in der Region sind ebenfalls zentrale Bestandteile unserer Arbeit seit Herbst letzten Jahres. In mehreren Regionalforen sowie einer Umfrage und qualitativen Interviews konnten wir im Detail Status quo, Anforderungen und Hürden der lokalen Industrie identifizieren in Bezug auf die Fragestellung, „wie H2-Ready“ Hagen und die umliegende Region ist.

Die Vorstellung der Industrieakteure in Hagen zeigt, dass die größten industriellen Akteure der Region sich auf die metallverarbeitende Industrie konzentrieren. Diese Unternehmen, viele davon über 100 Jahre alt, haben einen großen Wandel erlebt und zeichnen sich durch einen hohen Energieverbrauch aus, der derzeit überwiegend durch die Verbrennung von Erdgas gedeckt wird. Das HyExperts-Projekt bietet die Möglichkeit, diese Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und an die neuen Herausforderungen und Möglichkeiten einer dekarbonisierten Wirtschaft anzupassen.

Abschluss und Ausblick: Das HyExperts-Projekt in Hagen

Mit dem geplanten Abschluss des HyExperts-Projekts Ende 2023 erreichen wir einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Wasserstoffwirtschaft in Hagen. Der Abschlussbericht, der zu diesem Zeitpunkt vorliegen wird, umfasst umfassende Handlungsempfehlungen für die Stadt Hagen. Diese Empfehlungen werden auf den Erkenntnissen und Analysen des Projekts basieren und bieten konkrete Anleitungen für die nächsten Schritte in der Umsetzung der identifizierten Potenziale.

Ein großer, hier im Artikel nicht näher beschriebener Aspekt des HyExperts-Projekts war zudem die Akzeptanz-Forschung und begleitende Öffentlichkeitsarbeit. Kein Technologieprojekt im Infrastrukturbereich kommt ohne die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger aus – dementsprechend haben wir auch hier ein Augenmerk darauf gelegt und sowohl über Befragungen als auch Pressearbeit und konkreten Dialogangeboten in Form von Präsenz-Veranstaltungen Transparenz bereits in dieser Phase der Konzeptentwicklung für die neu entstehende Wasserstoffwirtschaft erzeugt.

Der derzeit entstehende Abschlussbericht wird nicht nur die Grundlage für die weitere Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft in Hagen bilden, sondern auch als Blaupause für ähnliche Initiativen in anderen Regionen dienen können. Er gibt Ausblick auf konkrete Anschlussprojekte, die darauf abzielen, die analysierten Potenziale in die Praxis umzusetzen. Diese Projekte werden entscheidend dazu beitragen, die Dekarbonisierung der lokalen Industrie voranzutreiben und die Energieversorgung der Region nachhaltig zu gestalten.

Das HyExperts-Projekt in Hagen ist somit mehr als nur ein einzelnes Projekt – es ist ein Katalysator für den Wandel und ein Vorbild für die Gestaltung einer umweltfreundlichen und wirtschaftlich starken Zukunft. Wir sind stolz darauf, Teil dieses wegweisenden Projekts zu sein und freuen uns darauf, die Früchte unserer Arbeit in den kommenden Jahren zu sehen – wenngleich dies viel Durchhaltevermögen und auch starke Rückendeckung durch die Politik insbesondere auf Bundesebene erfordert. Die aktuelle Berichterstattung in Bezug auf die Haushaltsneujustierung lässt aufhorchen und hoffen: Mögen solche initialen Modellprojekte wie HyExperts hoffentlich nicht ohne Folgen bleiben, sondern ihre Fortsetzung finden. Wir wären bereit – die beteiligten Akteure willens, sich über das Jahr 2023 hinaus zu engagieren.

Zur Weiterführung und Durchführung der im HyExperts Projekt identifizierten Umsetzungspotenziale konkreter Wasserstoffprojekte soll eine methodische Fortsetzung greifbare Ergebnisse ermöglichen:

  1. Bildung der Arbeitsgruppe: Auswahl eines Teams, das alle Interessensgruppen repräsentiert und interdisziplinär aufgestellt ist.
  2. Ausarbeitung eines Aktionsplans: Erstellung eines detaillierten Plans mit klar definierten Zielen, Zuständigkeiten und Zeitrahmen für das Projekt.
  3. Regelmäßige Koordinationstreffen: Einführung fester Treffen zur Überprüfung des Fortschritts, zur frühzeitigen Identifizierung von Herausforderungen und zur Entwicklung von Handlungsstrategien.
  4. Offene Kommunikation: Gewährleistung einer transparenten und kontinuierlichen Kommunikation innerhalb der Gruppe und mit externen Stakeholdern.
  5. Bewertung und Anpassung: Ständige Evaluierung der Fortschritte und gegebenenfalls Anpassung der Strategie aufgrund von Rückmeldungen und veränderten Bedingungen.
  6. Dokumentation und Wissenssicherung: Gewissenhafte Aufzeichnung aller Beschlüsse und Entwicklungen sowie der gewonnenen Erkenntnisse, um sie für zukünftige Projekte nutzbar zu machen und als Basis für Verbesserungsprozesse zu dienen.

Mit dieser methodischen Herangehensweise wird die Wasserstoffregion Hagen Schritt für Schritt konkreter, wobei stets das Ziel der Wertschöpfung und die Gewährleistung einer nachhaltigen Durchführung im Vordergrund stehen.

Für Interessierte finden sich weitere Fachartikel auf der Projektwebsite www.wasserstoff-hagen.de sowie in der gleichnamigen LinkedIn Gruppe.

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