Kein Green Deal ohne Circular Economy

Gastautor Portrait

Peter Kurth

Geschäftsführender Präsident des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V.

Peter Kurth wurde am 5. April 1960 in Siegburg geboren. Er studierte Rechts- und Politikwissenschaften in Bonn und in Freiburg/Breisgau. Nach einem Referendariat in Berlin als Beisitzer von 1985 bis 1988 war Herr Kurth für verschiedene Tätigkeiten im Bereich der Sozial- und Betriebswirtschaftslehre im Land Berlin tätig. Von 1994 bis 1999 war er als Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Finanzen tätig und von 1999 bis 2001 Senator in derselben Senatsverwaltung. Von 2001 bis 2006 war er Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und von 2001 bis 2009 Mitglied des Vorstands der ALBA AG. Seit Oktober 2009 ist er Geschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft. Von Februar 2011 bis Juni 2014 und erneut von 2020 bis 2022 war er Präsident der FEAD, der Europäische Föderation der Entsorgungswirtschaft in Europa. Seit November 2012 ist er Mitglied des Lenkungsausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

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07. Juli 2021

Verbände wichtige Impulsgeber

Der 22. August 2020 war eine bemerkenswerte Zäsur. Auf diesen Tag fiel der Erdüberlastungstag, also jener Termin, an dem rechnerisch die natürlichen Ressourcen der Erde für das komplette Jahr aufgebraucht waren. Von diesem Termin an haben wir für den Rest des vergangenen Jahres auf Pump von den Ressourcen nachfolgender Generationen gelebt.

Die Tatsache, dass wegen der Corona-Pandemie dieser Tag um drei Wochen gegenüber 2019 nach hinten gerückt war, ist kein Grund zum Aufatmen, denn seit einem halben Jahrhundert leben wir so als hätten wir drei Erden als Rohstoffspender zur Verfügung. Was also ist zu tun, wenn wir wirtschaftlich wachsen, den Wohlstand halten und trotzdem nachhaltig handeln wollen?

Chance Kreislaufwirtschaft

Mit einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft haben wir die große Chance, unser Wirtschaftssystem zukunftsfähig zu machen und Ökonomie und Ökologie wirkungsvoll miteinander zu verbinden. Bei weltweit wachsendem Lebensstandard und steigenden Bevölkerungszahlen ist es alternativlos, dass wir mit endlichen Ressourcen sparsam umgehen müssen. Wir müssen anders produzieren und konsumieren, wir müssen gebrauchen, statt verbrauchen.

Hier sprechen die wissenschaftlich belegten Zahlen eindeutig für mehr Kreislaufwirtschaft: wenn eine Verdoppelung der Recyclingrohstoffmenge in der industriellen Produktion von derzeit knapp fünfzehn Prozent auf dreißig Prozent mit konkreten Maßnahmen angegangen werde, hätte man nicht nur 60 Millionen Tonnen CO2-Einsparung zusätzlich erreicht, sondern auch den Produktionsstandort Deutschland gestärkt.

Europa führt Agenda für Kreislaufwirtschaft an

Der Green Deal ist der Weg Europas in die Klimaneutralität und damit eine Querschnittsaufgabe verschiedener Ressorts in Deutschland.

Peter Kurth

Deutschland war über lange Jahre Vorreiter in der Entwicklung der Kreislaufwirtschaft. Leider liegen die letzten echten Weichenstellungen dafür länger als ein Vierteljahrhundert zurück.

Inzwischen hat Europa hier die Führung übernommen, Stichworte: Green Deal und Kreislaufwirtschaftsaktionsplan. Das europäische Engagement darf uns aber nicht daran hindern, wieder eigene Akzente zu setzen. Für die nächste Bundesregierung bieten sich dafür viele Möglichkeiten. Der erste Schritt wäre eine klare, neue Zuständigkeitsregelung. Wir fordern deshalb die Ansiedlung des Bereichs Kreislaufwirtschaft im Wirtschaftsministerium. Außerdem macht sich der BDE für einen Staatsministerposten zur Umsetzung des Green Deal im Bundeskanzleramt stark, denn dieser umfasst viele Bereiche.

Der Green Deal ist der Weg Europas in die Klimaneutralität und damit eine Querschnittsaufgabe verschiedener Ressorts in Deutschland. Betroffen sind fast alle Politikfelder: Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Wohnen, Umwelt, Finanzen usw. Dieser umfassende Prozess muss auch in der nächsten Bundesregierung für Deutschland gesteuert und verantwortet werden. Deshalb ist die Bündelung an zentraler Stelle im Bundeskanzleramt sinnvoll, aber auch notwendig.

Verbände Partner beim Umbau der Wirtschaft

Gleichzeitig ist aber klar, dass Kreislaufwirtschaft weit mehr ist als eine entwickelte Entsorgungs- und Abfallwirtschaft. Sie wird künftig vor allem Produktpolitik sein.

Peter Kurth

Die Wirtschaft würde klare Regelungen begrüßen. Bereits jetzt leistet sie ihren Beitrag für mehr Kreislaufwirtschaft. Viele Unternehmen verfolgen dabei eigene Strategien mit Selbstverpflichtungen in Sachen Nachhaltigkeit. Dennoch sollten die Akteure ihre Aktionen orchestrieren Dies ist auch einer der Hauptgründe für ein gemeinsames Vorgehen des Bundesverbandes Nachhaltige Wirtschaft BNW e. V. und des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e. V. in ihrem Engagement für mehr Ressourceneffizienz.

Der BNW ist nicht irgendwer. Im Jahre 1992 als Netzwerk nachhaltig handelnder Unternehmen unter dem Namen „UnternehmensGrün“ gegründet, ist der Verband die politische Stimme der nachhaltigen Wirtschaft. Seit 2020 gehört der BDE zu seinen Mitgliedern.

Als erste gemeinsame Aktion haben beide Verbände im Vorfeld zur Bundestagswahl den wahlkämpfenden Parteien einen 10- Punkte- Plan für mehr Kreislaufwirtschaft zur Diskussion vorgelegt.

So sind beide Verbände mit Blick auf den Klimaschutz der Ansicht, dass das Potenzial der Kreislaufwirtschaft noch lange nicht erkannt sei, geschweige denn genutzt werde. Beide Organisationen sehen die massiven Effekte, die eine konsequente Circular Economy schaffen könne, um die Ziele des Pariser Klimaabkommen zu erreichen.

Aber auch in der Frage der Rohstoffversorgung Deutschlands haben BNW und BDE eine gemeinsame Antwort. Denn auch hier könnte die Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur optimalen Rohstofflieferung leisten und durch die Produktion von Recyclingrohstoffen die Abhängigkeit von Drittstaaten in der Rohstoffversorgung minimieren. Zudem schaffe sie durch hochwertige Aufbereitung nachhaltige Arbeitsplätze und generiere so eine zukunftsfähige Wertschöpfung.

Übereinstimmend kommen beide Verbände zudem zu der Auffassung, dass praktische Kreislaufwirtschaft auch immer zur nachhaltigen Energieeinsparung beitrage. So könne es Deutschland mit Innovationen in nachhaltigen Technologien gelingen, die frühere Vorreiterrolle in der Industrieentwicklung in Sachen Energieeffizienz zurückzugewinnen.

Das Engagement der Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft für Circular Economy gehört zur DNA dieses Wirtschaftszweiges. Gleichzeitig ist aber klar, dass Kreislaufwirtschaft weit mehr ist als eine entwickelte Entsorgungs- und Abfallwirtschaft. Sie wird künftig vor allem Produktpolitik sein. Deshalb ist es gut, dass sich auch im Verbandswesen die Reihen schließen und Synergien bilden. Die Kooperation des BDE mit dem Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft ist eine auf Zukunft gerichtete Allianz und wird den Nachhaltigkeitsthemen mehr Schlagkraft und Aufmerksamkeit verleihen. BNW und BDE arbeiten gemeinsam an dem Ziel, die Circular Economy in Deutschland zu etablieren, damit unser Land die Klimaziele erreicht, ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt und die technologische Vorreiterrolle wiedererlangt. Wenn dies gelingt, dann besteht auch die Chance, dass der Erdüberlastungstag wieder weiter Richtung Jahresende rückt.

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