Andere Länder sind im internationalen Wettbewerb besser aufgestellt. Da kann man nicht einfach nur zuschauen.
Die Wochen vor der politischen Sommerpause waren vor allem durch eines geprägt: Warten auf politische Entscheidungen. Warten auf das 100-Tage-Gesetz, auf die Sonderausschreibungen für Wind und Photovoltaik, auf die Einsetzung der Kohlekommission und auf einiges mehr, was im Koalitionsvertrag angekündigt war. Geschehen ist wenig; viel zu wenig angesichts der Fülle von wichtigen Aufgaben. Die 100-Tage-Bilanz der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung fällt deshalb ernüchternd aus. Die Arbeit der Großen Koalition ist von Bremsen und Zaudern geprägt und das sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene. Die Tatenlosigkeit hat angesichts der Hitzewelle, die wir in den vergangenen Wochen zu spüren bekamen, eine ganz neue Brisanz mit Blick auf den Klimaschutz. Auch die ökonomischen Auswirkungen, die vor allem die Windbranche treffen, haben sich in den vergangenen Wochen verschärft.
Es ist höchste Zeit zu handeln und zumindest die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen, allen voran die Sonderausschreibungen für Wind- und Solarenergie oder die steuerliche Förderung des Klimaschutzes in Gebäuden, jetzt zügig auf den Weg zu bringen. Verbunden mit einem ambitionierten Einstieg in den Kohleausstieg ist das Ziel, bis 2030 den Anteil Erneuerbarer Energien im Strombereich auf 65 Prozent auszubauen, mit einem konkreten Maßnahmeplan zu hinterlegen. Auch der Ausbau in den Bereichen Wärme und Verkehr und die Kopplung der Sektoren muss vorangehen! Andere Länder sind im internationalen Wettbewerb besser aufgestellt. Da kann man nicht einfach nur zuschauen.
Nach einer aktuellen Prognose des BEE wird Deutschland der EU-Verpflichtung, bis 2020 den Endenergieverbrauch zu 18 Prozent aus Erneuerbarer Energie zu decken, nicht nachkommen. Die Klimaschutzziele 2020 werden noch krachender verfehlt als angenommen, wie der im Juni vorgestellte Klimaschutzbericht 2017 zeigt. Der Handlungsbedarf ist groß und doch passiert wenig. Vor allem der jahrelange Leerlauf bei Wärme und Verkehr offenbart die fehlenden Konzepte und politische Ideenlosigkeit, wie eine saubere Energieversorgung aussehen kann.
Industriepolitik und Klimaschutzpolitik zusammen denken
Viel zu oft werden Industriepolitik und Klimaschutzpolitik gegeneinander ausgespielt. Das ist falsch – sie müssen zusammen gedacht werden. Es gibt eine starke Erneuerbaren-Industrie, die etabliert ist und die nur darauf wartet, mehr tun und mehr investieren zu können. Zahlreiche Unternehmen haben ihre Geschäftsmodelle auf Erneuerbare Energien umgestellt und gerade im Wärme- und Mobilitätsbereich werden sich noch riesige Möglichkeiten eröffnen. So ist Deutschland ja auch ein bedeutender Automobilstandort, der die internationalen Entwicklungen alternativer Antriebe, neuer Batterietechnologien und neuartiger, sauberer Treibstoffe im Mobilitätssektor nicht ausblenden kann. Muss doch auch der Verkehrssektor seinen Beitrag dazu leisten, die ökologische Modernisierung der Wirtschaft voranzubringen und einen Klimaschutzbeitrag zu leisten. Um Wohlstand und Wirtschaftskraft zu sichern, benötigt die Industrie deshalb klare und stabile Rahmenbedingungen und ein verlässliches Innovationsklima.
Der Klimaschutz wiederum benötigt Erneuerbare Energien, denn nur sie tragen relevant zum Klimaschutz bei: Allein im vergangenen Jahr wurde durch die Nutzung Erneuerbarer Energien nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums der Ausstoß von 179 Millionen Tonnen Treibhausgasäquivalenten vermieden. Das ist so viel, wie der gesamte Verkehrssektor ausstößt und ist deshalb in Verbindung mit dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen – von Kohle über Erdöl bis zum Erdgas – ein unverzichtbarer Baustein, um die Klimaziele zu erreichen.
Es braucht jetzt entschlossene und mutige Schritte, um der Energiewende wieder mehr Vorschub zu leisten. Die Arbeit der sogenannten Kohlekommission kann wegweisend sein, wenn sie einen planbaren, sozial verträglichen Kohleausstieg skizziert, der sich an den nationalen und internationalen Klimazielen orientiert. Nur so können gleichermaßen die Klimaziele erreicht, Strukturbrüche vermieden und dabei energiewirtschaftliche Planbarkeit sowie Investitionssicherheit in klimaschonende Technologien geschaffen werden.
Intelligente Netze
Die Energiewende muss deshalb beschleunigt werden – und sie braucht nicht auf den Netzausbau zu warten. Es gibt einige Möglichkeiten, den Bedarf an neuen Netzen zu reduzieren. Dazu gehören bereits umgesetzte oder in Kürze wirksam werdende Ausbau- und Optimierungsmaßnahmen, die im Bereich der Netzinfrastruktur spürbare Aufnahmekapazitäten eröffnen. Zudem wird ein zeitnah und strategisch organisierter Kohleausstieg den Nord-Süd-Engpass entlasten. Mehr Platz in den Netzen lässt sich auch durch die Verminderung des konventionellen Erzeugungssockels erreichen. Wichtig wird zudem sein, die Netze mit intelligenter Technik besser auszulasten.
Um die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr voranzubringen und damit der Energiewende in der zweiten Stufe neuen Schwung zu verleihen, ist aus Sicht des BEE auch ein CO2-Preis ein unverzichtbares Element. Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit Frankreich und weiteren europäischen Nachbarn vorweggehen und einen CO2-Mindestpreis einzuführen. Die Vereinbarungen der Meseberg-Erklärung bieten eine gute Grundlage und beschreiben den CO2-Preis als Schlüssel eines neuen Abgabe- und Steuersystems. Ein CO2-Preis setzt einen marktwirtschaftlichen Rahmen für den Ausstieg aus fossilen Energien und den Ausbau der Erneuerbaren.
Erneuerbare Energien sind der Motor einer modernen, zukunftsfähigen Energieversorgung, auf der die sozial-ökologische Modernisierung des Wirtschaftsstandorts fußt. Die Erneuerbare Energie-Branche sieht sich als Partner der neuen Bundesregierung, wenn diese sich für den Klimaschutz und eine nachhaltige Energieversorgung einsetzen will.
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