Ob im Betrieb, in der Nachbetriebsphase oder bei der Demontage eines Kernkraftwerks: das Ziel der atomrechtlichen Aufsicht ist stets dasselbe: die Sicherheit der Umgebung sowie die des Personals zu gewährleisten. Ein spezifisches kerntechnisches Regelwerk für Stilllegung und Abbau existiert nicht, deshalb werden die existierenden Regelungen für die Errichtung und den Betrieb der Kernkraftwerke sinngemäß angewandt. Ein Hilfsmittel dafür ist der vom Bundesumweltministerium herausgegebene „Stilllegungsleitfaden“.
Rechtliche Voraussetzung für den Rückbau eines Kernkraftwerkes sind die Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen.Da sich die Abbaumaßnahmen nicht vollständig und im Detail vorplanen lassen, stecken die Abbaugenehmigungen im Wesentlichen den Rahmen der Abbauarbeiten ab und regeln das Verfahren der begleitenden Kontrolle während der Abbauphase.
Im Gegensatz zu einer Anlage im Leistungsbetrieb verändert sich beim Abbau der Anlagenzustand kontinuierlich. Probleme bei der Durchführung der Abbaumaßnahmen werden oft nur vor Ort ersichtlich oder nachvollziehbar. Diese Situation erfordert eine hohe Präsenz der Aufsichtsbehörde und der zugezogenen Sachverständigen in der Anlage und ist am ehesten mit der Aufsicht während der Revision der Anlagen im Leistungsbetrieb zu vergleichen.
Die Aufsicht im Rahmen des Abbaus erfolgt in der Regel in zwei Schritten:
Im ersten Schritt werden vor der Aufnahme einer Abbautätigkeit die detaillierten Planungsunterlagen geprüft. Es wird zum Beispiel darauf geachtet, ob die dargestellten Arbeiten mit dem genehmigten Demontageumfang übereinstimmen und ob das sichere Ausschleusen von Reststoffen zur Vermeidung von Kontaminationen sichergestellt ist. Auch die Gewährleistung des Arbeitsschutzes wird überprüft.
Im zweiten Schritt wird die Durchführung der Maßnahmen kontrolliert. Praktisch heißt das, es werden Betreiberberichte über den Beginn und den Abschluss von Tätigkeiten ausgewertet, und dabei insbesondere auch die angefallene Strahlenexposition des Personals beobachtet. Außerdem wird die Dokumentation nach Abschluss von Arbeitsschritten kontrolliert sowie Vorkommnisse während der Abbauarbeiten und geplante Änderungen des Anlagenzustands geprüft und bewertet. Diese Tätigkeiten werden ergänzt durch Inspektionen vor Ort, die häufig mit zugezogenen Sachverständigen erfolgen. Hier liegen die Schwerpunkte auf der Inspektion des Zustands der Anlage und der neuralgischen Punkte an den Baustellen (zum Beispiel Reststofflogistik und Schutzmaßnahmen). Es geht um die Handhabung betrieblicher Regelungen bei den Strahlenschutz-, Brandschutz-, und Arbeitsschutzmaßnahmen, bei den Maßnahmen zur Entsorgung von radioaktiven Reststoffen sowie bei der Dokumentation der Abbaumaßnahmen und der Strahlenschutzüberwachung. Problempunkte bei den Abbautätigkeiten werden im Rahmen dieser Aufsichtsbesuche analysiert und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Anlassbezogene Aufsichtsbesuche finden ebenfalls statt.
Für die Abbautätigkeiten wird neben dem Personal des Betreibers auch Personal von Fremdfirmen eingesetzt. Selbstverständlich gehört auch die Überprüfung des Personals zu den Aufgaben der Atomaufsicht im Umweltministerium. Die Prüfung der Betriebsorganisation und der Festlegung der Schnittstellen der Verantwortlichkeiten stellt sogar einen wesentlichen Punkt der Aufsicht dar. Überprüft werden die ausreichende Zahl an internen Mitarbeitern sowie die Erhaltung der Fachkunde des Eigenpersonals, die Qualifikation der externen Mitarbeiter sowie die Vermittlung der notwendigen Kenntnisse über die Anlage und die Abbaugenehmigung an die Fremdfirmenmitarbeiter.
Ein weiterer Schwerpunkt der aufsichtlichen Kontrolle ist die Überwachung der Maßnahmen des Betreibers zum Schutz des Personals.
Während der Abbauarbeiten werden kontaminierte Bereiche geöffnet, beispielsweise ehemals aktivitätsführende Rohrleitungen. Dazu werden mechanische und thermische Verfahren angewandt, womit eine erhöhte Unfallgefahr für das Abbaupersonal verbunden ist. Strahlenschutz, Arbeitsschutz und Brandschutz müssen so organisiert sein, dass sie auch weiterhin eine starke Stellung im Betrieb haben und genügend und vor allem qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Im Mittelpunkt der Aufsicht stehen daher zum Beispiel im Bereich des Strahlenschutzes die Minimierung der Strahlenexposition durch entsprechende Planung der einzelnen Rückbautätigkeiten sowie ganz allgemein die Einhaltung der Regelungen für den Personenstrahlenschutz.
Um sicherstellen zu können, dass keine Aktivität in die Umgebung gelangt, werden außerdem die dafür getroffenen Schutzvorkehrungen des Betreibers einer regelmäßigen kritischen Prüfung unterzogen.
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Redaktionelle Links zum Thema:
Atomrechtliche Überwachungsbehörde Baden-Württemberg
Stillegung kerntechnischer Anlagen bei Wikipedia
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Der Rückbau der Kernkraftwerke ist Teil der Energiewende
Bisher erschienen:
Atomkraft weltweit auf dem Rückzug, Rebecca Harms (MdeP)
Anforderungen für die Stilllegung, Wolfgang Neumann (Intac GmbH)
>> Die atomrechtliche Aufsicht beim Abbau (Umweltministerium Baden-Württemberg)
Der Rückbau der Atomanlagen, Hubertus Grass
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