Wo kommen die Erneuerbaren Energien her?

Gastautor Portrait

Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann

Sprecher für Energiepolitik der FDP-Bundestagsfraktion

Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann wurde 1956 in Vetschau geboren, hat Maschinenbau an der Technischen Universität Dresden studiert und wurde 1988 an der Ingenieurhochschule in Cottbus promoviert. 1999 folgte er dem Ruf der Hochschule Magdeburg-Stendal als Professor für Technische Gebäudeausrüstung. 2007–2009 gehörte er der Arbeitsgruppe Klimawandel des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt an. Professor Neumann war von 2009 bis 2013 Mitglied des 17. Deutschen Bundestages und ist seit 2017 als Sprecher für Energiepolitik erneut liberales Parlamentsmitglied.

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02. Dezember 2020

Das Wort haben die Energiepolitiker*innen.
Eine Anmerkung der Redaktion

Wie geht es weiter mit der Energiewende? Wenn alle von der Sektorkopplung reden, Millionen Pkw elektrisch fahren, nicht mehr mit Öl und Gas, sondern mittels Wärmepumpe oder Wasserstoff geheizt werden soll, dann brauchen wir viel mehr grünen Strom. Wir brauchen grünen Strom auch, um die Prozesse in der Industrie zu dekarbonisieren. Und dieser Wechsel – von fossil auf erneuerbar – muss schnell geschehen, denn sonst lässt sich die Verpflichtung aus dem Pariser Klimaabkommen nicht einhalten. Dort haben die Nationen sich festgelegt, „den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2°“ zu begrenzen.

Wir haben die energiepolitischen Sprecher*innen der Fraktionen im Deutschen Bundestag gefragt, woher er kommen soll, der grüne Strom? Konkret wollten wir wissen:

  • Wie hoch wird der Strombedarf 2030 sein?
  • Wie viel erneuerbaren Strom brauchen wir, um die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten?
  • Ist es opportun, große Mengen Energie (als Strom oder als Wasserstoff?) zu importieren? Aus Europa? Aus Afrika?

Wir bedanken uns für die Gastbeiträge, die uns als Antwort auf unsere Anfrage erreichten. Heute schreibt Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann, FDP.

Wo kommen die erneuerbaren Energien her?

Verlässliche Prognosen, wie der Strombedarf 2030 aussieht, kann man heute nur grob abgeben. Die Bundesregierung sieht einen Bruttostromverbrauch von rund 580 TWh (derzeit gut 530 TWh, davon etwa 42 Prozent erneuerbar). Die benötigte Leistung könnte aber um ein Vielfaches höher liegen. Sicher ist, dass mit dem Ausstieg aus der Atom- und der Kohleverstromung rund 48 GW Leistung wegfallen, die kompensiert werden müssen. Zugleich verschärft die Bundesregierung die Klimaziele (55 Prozent weniger CO2-Emissionen als im Jahr 1990). Das macht es für energieintensive Unternehmen und die Bürger nicht unbedingt leichter und könnte die Wettbewerbsfähigkeit sowie die gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende belasten.

Die steigenden Absatzzahlen für Elektrofahrzeuge werden den Strombedarf voraussichtlich zusätzlich in die Höhe treiben, wobei nicht deren größere Zahl ein Problem ist, sondern die große Zahl E-Autos, die gleichzeitig ans Stromnetz angeschlossen werden müssen. Ein alltägliches Beispiel wäre, wenn die Menschen von der Arbeit nach Hause kommen. Um die angepeilte Marke von zehn Millionen E-Autos bis 2030 auch lastentechnisch zu erreichen, braucht es also intelligente Lösungen sowie ausreichend Strom – und der sollte erneuerbar sein. Denn nur wenn die E-Autos mit nachhaltig produziertem Strom unterwegs sind, entsteht kein zusätzliches CO2.

Nichtsdestoweniger wird es wohl kaum gelingen, bis 2030 mindestens 65 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und damit die Klimaziele zu erreichen. Dafür verantwortlich ist unter anderem der zu schleppende Ausbau der Windenergie an Land. Aufgrund fehlender Flächen, stockender Genehmigungsverfahren und vieler Klagen vor Gericht kommt der Markt seit 2019 nicht ins Rollen. Insgesamt wurden in den ersten sechs Monaten 2020 nur rund 160 Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamtleistung von 590 MW in Betrieb genommen. Deutschlandweit führt Brandenburg mit einer Leistung von 96 MW, die bisher in diesem Jahr in Betrieb genommen wurden. Die Lage bei den Windparks auf hoher See lässt sich ähnlich skizzieren – auch hier ist der Ausbau fast zum Erliegen gekommen: Offshore-Windkraftanlagen sind in den ersten sechs Monaten nur mit einer Leistung von 219 MW ans Netz gegangen. Allein das stellt die angestrebte Energiewende vor eine große Herausforderung.

Ganzheitliche Lösungen sind gefragt

Maßnahmen müssen stets sektorenübergreifend und europäisch, nicht einseitig in Deutschland angelegt sein.

Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann

Doch geht es nicht nur um den Zubau von installierter Leistung oder höheren Ausbauzielen. Wir brauchen vielmehr ganzheitliche Lösungen, die auch Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit garantieren. Dazu gehört eine stärkere Ausrichtung auf Energiemenge statt auf Leistung. Maßnahmen müssen stets sektorenübergreifend und europäisch, nicht einseitig in Deutschland angelegt sein. Nationale Ausbauziele allein sind aus meiner Sicht nicht zielführend.

Ohne einen wirklichen politischen Impuls erreichen wir im Jahr 2030 einen Stromanteil aus erneuerbaren Energien von etwa 55 Prozent. In Zukunft müssen wir viel stärker volatile Energie – wie Sonne und Wind – an Speicher koppeln. Moderne Speichertechnologien und der Einsatz von Strom im Verkehr und Wärmemarkt können ebenso dazu beitragen, die regenerativ erzeugte Energie besser zu nutzen, das System effizienter zu machen und den Ausstoß von Treibhausgasen zu begrenzen.

Es gibt Zeiten, in denen der erzeugte Strom nicht benötigt und bisher meist verschenkt wird. Aber das muss nicht sein, denn der Strom könnte in andere Energieformen, zum Beispiel Wasserstoff, umgewandelt werden und damit als Speicher dienen. Deshalb befürworte ich grundsätzlich die von der Bundesregierung beschlossene Wasserstoffstrategie. Doch sie wird nur mit größeren Anstrengungen umsetzbar sein. Bei der Elektrolyse gehen nämlich nach dem jetzigen Stand der Technik je nach Verfahren 20 bis 40 Prozent der Energie verloren – was deutlich macht, dass Wasserstoff als Energieträger nur in Betracht kommt, wenn wir ihn günstig aus dem Ausland beziehen oder unseren Strompreis senken (dafür müssen sich jedoch Steuern, Abgaben und Umlagen spürbar verringern). Deutschland hat heute einen Wasserstoffbedarf von rund 55 TWh, der größtenteils in der chemischen Industrie und in Raffinerien eingesetzt wird. Gemäß der Wasserstoffstrategie sollen in Deutschland bis 2030 5 GW Elektrolysekapazität entstehen, mit der jährlich 14 TWh grüner Wasserstoff hergestellt werden kann. Doch entscheidend für den Erfolg ist die Schaffung eines globalen Marktes für Wasserstoff; denn wir stoßen schon heute an Grenzen der Flächenverfügbarkeit und Akzeptanz beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Nur einen Bruchteil unseres Bedarfs werden wir mit der lokalen Erzeugung von grünem Wasserstoff bedienen können. Trotz einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien werden Strom und Wasserstoff also nicht ausreichend zur Verfügung stehen.

Oft wird als möglicher Wasserstoff-Elektrolyseur Marokko ins Spiel gebracht. Das nordafrikanische Land verfügt aufgrund seiner klimatischen Verhältnisse über gute Voraussetzungen, Wasserstoff in größerer Menge herzustellen. Der Transport soll mit Schiffen und mit den Erdgasleitungen nach Spanien gelingen. Doch inwiefern Marokko größere Mengen exportieren wird, hängt auch davon ab, welche Potenziale deutsche Unternehmen bei Investitionen und Beteiligungen sehen – die seit 2012 bestehende Energiepartnerschaft und eine Referenzanlage für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe, die in den nächsten zwei bis fünf Jahren entstehen soll, stimmen jedenfalls zuversichtlich.

Wir brauchen also für die Energiewende einen breiten Mix von emissionsarmen Energieträgern und marktwirtschaftliche Lösungen, die die erneuerbaren Energien in den Energiemarkt erfolgreich integrieren. Das heißt einen Wettbewerb emissionsarmer Energieträger, der nicht nur auf Photovoltaik und Windkraft setzt. Und wir brauchen eine Steigerung der Energieeffizienz, um den in jedem Fall wachsenden Strombedarf im Jahr 2030 decken zu können. Für mich ist deshalb klar: Keine Kilowattstunde darf verloren gehen oder verschenkt werden. Auch das ist nachhaltige Energiepolitik.

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