Wir müssen Städtebau und Infrastruktur dem Klimawandel anpassen

Gastautor Portrait

Martin Weyand

BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser

Martin Weyand ist seit Anfang 2009 Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundes-verbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der Diplom-Volkswirt vertritt in dieser Position unter anderem die Interessen von rund 600 Trinkwasserversorgern in Deutschland. Zuvor war Weyand stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDEW und von 2001 bis 2007 Geschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), wo er bereits seit 1989 Referent und ab 1994 als Leiter des Bereiches Energiewirtschaft tätig war. Weyand wurde im rheinland-pfälzischen Birkenfeld geboren.

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10. Mai 2023

Der häufigste Grund für technische Engpässe in der Trinkwasserversorgung war in den letzten Sommerperioden nicht der Wassermangel, sondern, dass an heißen Sommertagen zu viel Wasser auf einmal angefordert wird.

Martin Weyand

Im Jahr 2021 überschwemmten massive Regenfälle das Ahrtal und Teile NRWs, das Jahr 2022 ging als eines der wärmsten in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in die Statistik ein und in diesem Jahr leiden Frankreich und Spanien schon unter einer schweren Dürre, bevor die Sommerhitze überhaupt angefangen hat. Die Folgen des Klimawandels machen sich immer deutlicher bemerkbar. Dies ist auch eine Herausforderung für die Wasserwirtschaft. Erforderlich um die Trinkwasserversorgung auch künftig flächendeckend sicherzustellen, sind Anpassungen in Städteplanung, Infrastrukturausbau und bei der Trinkwassernutzung.

Eines vorweg: In Deutschland haben wir grundsätzlich ausreichend Wasserressourcen, um den Trinkwasserbedarf zu decken. Allerdings sind diese in Deutschland regional unterschiedlich verteilt. Der häufigste Grund für technische Engpässe in der Trinkwasserversorgung war in den letzten Sommerperioden nicht der Wassermangel, sondern, dass an heißen Sommertagen zu viel Wasser auf einmal angefordert wird. Bei großer Hitze steigt der Bedarf der Haushalte um bis zu 60 Prozent an. Die Menschen bewässern ihren Garten, duschen häufiger und immer mehr Haushalte besitzen Pools, die mit mehreren Tausend Litern Wasser befüllt werden. Das kann die Systeme überfordern, deren Pumpleistung, Aufbereitungs- oder Leitungs- und Hochbehälterkapazitäten auf einen niedrigeren Bedarf zugeschnitten sind. Können diese Systeme nicht mehr genügend Wasser pro Zeiteinheit weiterleiten, müssen Gemeinden kurzfristig Gartenbewässerung und Poolbefüllungen untersagen. Das gibt den Speichern Zeit, sich wieder zu füllen und die Trinkwasserversorgung zu sichern. Denn die hat absolute Priorität.

Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser muss immer an erster Stelle stehen

Um die Trinkwasserversorgung auch in Zukunft flächendeckend zu gewährleisten, muss in einigen Regionen die Infrastruktur gestärkt und ausgebaut werden. Um die Infrastruktur besser für Hitzeperioden zu wappnen, muss investiert werden, zum Beispiel in neue Leitungssysteme, Aus- bzw. Neubau von Talsperren, Ausweisung von Wasserschutzgebieten, Wasserwerke und Rückhaltebecken. Genehmigungsverfahren insbesondere für Fernwasser- und lokale Anbindungsleitungen müssen dazu dringend vereinfacht und beschleunigt werden.

Zudem ist es dringend erforderlich, der öffentlichen Trinkwasserversorgung einen Vorrang bei der Trinkwassernutzung einzuräumen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch muss bei der Nutzung von Trinkwasserressourcen immer an erster Stelle stehen. Sie ist Teil der Daseinsvorsorge. Für die Landwirtschaft müssen effiziente Bewässerungsmethoden gefördert werden. Wie in trockeneren Gebieten Landwirtschaft betrieben werden kann, können wir im Sinne von Best Practice von regenarmen Ländern wie Israel lernen, etwa Tröpfchenbewässerung.

Flächenversiegelung stoppen und Grundwasserneubildung erleichtern

Eine nachhaltige Gewässerschutzpolitik muss insbesondere die Möglichkeiten verbessern, Wasserressourcen zu erneuern. Im Vordergrund muss dabei stehen, den Wasserrückhalt in der Fläche zu verbessern.

Martin Weyand

Auch bei der Städteplanung müssen die Folgen des Klimawandels künftig stärker mitbedacht werden. Eine nachhaltige Gewässerschutzpolitik muss insbesondere die Möglichkeiten verbessern, Wasserressourcen zu erneuern. Im Vordergrund muss dabei stehen, den Wasserrückhalt in der Fläche zu verbessern. Es braucht Versickerungsflächen, damit das Wasser dezentral in den Boden sickern oder durch Pflanzen aufgenommen werden kann. Es dürfen dementsprechend nicht mehr so viele Flächen versiegelt werden, zum Beispiel durch Asphalt oder Bebauung. Die Gefahr durch starke Regenfälle steigt, wenn durch den Zubau neuer Wohn- und Gewerbegebiete Versickerungsflächen fehlen. Auch durch die Anlage von Flutrinnen, Retentionsräumen oder durch multifunktionale Flächennutzung können die Auswirkungen von Starkregenereignissen im urbanen Raum wesentlich abgemildert werden. Die Begrünung von Dächern und Fassaden kann hier ebenfalls helfen.

Um die entsprechenden Maßnahmen zügig und effizient umzusetzen, brauchen wir ein umfassendes Regenwasserkonzept. Sinnvoll ist zudem die Schaffung von sogenannten Regenwasseragenturen, wie es sie in einigen Städten, zum Beispiel in Berlin, bereits gibt.

Klar ist, in Zukunft werden Trockenheit und Starregen zunehmen. Wir müssen deshalb lernen, damit umzugehen. Um die Auswirkungen solcher Extremwetterereignisse abzumildern, brauchen wir eine gut durchdachten Hochwasser- und Gewässerschutzpolitik. Das ist eine zentrale Aufgabe der kommenden Jahre.

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