Wärmepumpe oder Power-to-Gas?

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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22. Juli 2019
Foto: Bundesverband Wärmepumpe e.V.

Es ist die größte Baustelle der Energiewende: Die Bereitstellung von Wärme oder Kälte. Fast die Hälfte der in Deutschland eingesetzten Energie entfällt auf diesen Sektor. Und anders als beim Strom, wo in  diesem Jahr ca. 40 Prozent der benötigten Energie regenerativ erzeugt wird, spielen die Erneuerbaren im Wärmesektor nur eine Nebenrolle. Über 85 Prozent der Wärmeenergie stammt immer noch aus fossilen Quellen. Somit ist klar: Um die Klimaschutzziele 2030 einzuhalten, müssen wir schleunigst Fortschritte bei der Wärmewende machen.

Erdgas führt im Bestand

Die Erdgasheizung ist derzeit die Standardenergiequelle in deutschen Haushalten. Jede zweite Bestandswohnung wird mit ihr beheizt. Heizöl spielt mit 26,3 Prozent immer noch eine große Rolle im Markt. Es folgt die Fernwärme mit 13,7 Prozent. Alle anderen Anwendungen wie Wärmepumpen, Pellets, Holz, Kohle, Brennstoffzelle oder Power-to-heat (die direkte Umwandlung von Strom in Wärme) kommen nur auf einen Marktanteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

Aufgrund des hohen Anteils der Versorgung mit Erdgas im Bestand scheint es naheliegend, die vorhandene Infrastruktur der Gasleitungen, Verdichterstationen und Speicher dauerhaft zu nutzen. Eine Dekarbonisierung des Wärmemarktes ließe sich erreichen, in dem fossiles Gas nach und nach durch regeneratives Gas aus Power-to-Gas-Anlagen ersetzt wird. Diese Strategie hätte den Vorteil, dass in der Haustechnik – vom Brenner bis hin zu Heizkörpern – keinerlei Änderungen erforderlich wären. Im sozial angespannten Markt der Mietwohnungen könnten Kosten vermieden werden, die bei einem Systemwechsel anfallen und auf die Mieter umgelegt würden.

Wärmedämmung und die Kombination mit Solarthermie müssten die PtG-Strategie ergänzen. Denn, da sind sich alle Studien einig, ohne eine drastische Verbesserung der Energieeffizienz lässt sich der künftige Bedarf regenerativ kaum decken.

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Sektorenkopplung in Wärmenetzen: Wie Erneuerbare Energien die Wärmewende voranbringen können.

Dank ihrer Effizienz: Im Neubau führt die Wärmepumpe

Anders als im Bestand sieht es im Neubau aus. Im letzten Jahr wurden 43,7 Prozent der neu gebauten Immobilien mit einer Wärmepumpe ausgestattet. Erdgas folgt knapp dahinter auf Platz zwei mit 41 Prozent. Bedeutet der seit Jahren steigende Anteil der Wärmepumpe im Neubau, dass auf lange Sicht die Wärmepumpe Gas ablösen wird?

Im Neubau ist die Effizienz der Wärmepumpe nicht zu schlagen. Wenn das gesamte System der Heizung (und im Bedarfs auch das der Kühlung) auf die Wärmepumpe ausgelegt werden kann, vermag die Technologie ihre Vorteile auszuspielen: Sie arbeitet im Niedertemperaturbereich bis zu 50 Grad, ist unglaublich effizient und lässt sich beliebig mit anderen Technologien (PV oder Solarthermie) kombinieren. Und im Sommer ersetzt die Wärmepumpe zusätzlich noch die Klimaanlage.

Der Neubau der Firma Freiberg Instruments in Sachsen wird mit Wärmepumpen geheizt und gekühlt. Die Solaranlage auf dem Dach des Firmengeländes liefert den größten Teil des Stroms für die Pumpen.

Foto: Bundesverband Wärmepumpe e.V.

Vor- und Nachteile der Technologien

Diese hohe [...] Effizienz macht die Wärmepumpe für die Energiewende unverzichtbar

Hubertus Grass, Kolumnist

Aus einem Teil Strom erzeugt die Wärmepumpe die vier- und – unter günstigen Bedingungen im Gestein oder im Tauschmedium Wasser – manchmal auch mehr als die fünffache Menge an Wärmeenergie. Diese hohe, von keiner anderen Technologie erreichte Effizienz macht die Wärmepumpe für die Energiewende unverzichtbar.

Nachteilig ist der hohe Investitionsaufwand. Hohe Jahresarbeitszahlen (das Verhältnis von eingesetzter elektrischer Energie zu gewonnener thermischer Energie) lassen sich nur durch die Installation von Wärmetauschern im Gestein oder im Wasser erzielen. Tiefe Bohrungen (häufig über 100 Meter) oder die Verlegung in der Fläche verursachen Kosten, die sich erst über Jahre amortisieren. Mit der seit 2015 aufgestockten Förderung wurde der Einsatz von Wärmepumpen in vielen Anwendungsbereichen wirtschaftlich. Entsprechend stieg der Anteil der Wärmepumpen im Neubau.

Schwieriger als im Neubau hat es die Wärmepumpe im Wohnungsbestand. Zum einen sind die überwiegend vorhandenen Konvektionsheizkörper keine idealen Partner für die Wärmepumpe. Viel effektiver sind Flächenheizkörper im Boden- oder der Wand. Und auch beim Warmwasser, wo in gemeinsam genutzten Anlagen die Trinkwasserverordnung das Aufheizen des Wassers auf 60° verlangt, muss man über Alternativen oder Ergänzungen zur Wärmepumpe nachdenken.

Keine echten Konkurrenten

In einer dekarbonisierten Welt werden sowohl PtG-Anlagen aus auch Wärmepumpen mit Strom aus Erneuerbaren Energien angetrieben. Moderne Power-to-Gas-Anlagen erreichen einen Wirkungsgrad von über 70 Prozent. Aus einer Kilowattstunde Strom macht die Wärmepumpe bis zu fünf kWh thermischer Energie, die PtG-Technologie nur 0,7 kWh.

Trotz dieses Riesenunterschieds in der Effizienz werden beide Technologien in der Energiewelt von Morgen eine prägende Rolle spielen. Obwohl der Wandlungsprozess bei PtG wertvolle Energie kostet, wird auch grünes Gas in einer CO2-freien Welt benötigt. Matthias Deutsch, Projektleiter bei Agora Energiewende, nennt Power-to-Gas den „Joker“ der Energiewirtschaft. Sehr selten und teuer, aber überall einsetzbar. Power-to-Gas macht die Energiewelt von morgen flexibel.  Wärmepumpen müssen auch in Zeiten der Dunkelflauten laufen. Wenn weder die Sonne scheint noch der Wind weht, sorgt Power-to-Gas für Versorgungssicherheit.

Beide Technologien werden gebraucht, um die Energiewende zu gestalten. So sieht das auch die Politik. Im Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“ finden sich beide Technologien unter den 20 Gewinnern.

 

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Transparenzhinweis: Der Autor nahm im Mai an einer vom Bundesverband Wärmepumpe e.V. organisierten und bezahlten Pressefahrt in Sachsen teil.

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Aus dem energiewirtschaftlichen Vergleich in diesem Beitrag sollten keine Rückschlüsse für eine individuelle Entscheidung gezogen werden.

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