Unsere Zukunft ist weder fossil noch atomar

Gastautor Portrait

Almut Großmann

Stellvertretende Bundesvorsitzende der Jusos

Almut Großmann (*1995) lebt in Nordrhein-Westfalen und studiert dort Medizin. Im Moment arbeitet sie an ihrer Promotion in der Mikrobiologie. Almut Großmann ist im Bundesvorstand für die Themen Feminismus, Gesundheit, Mobilität, Klima und Umwelt zuständig.

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09. Mai 2022

Für eine gute Zukunft müssen wir uns unabhängig von Autokrat*innen und Diktator*innen machen [...]

Almut Großmann

Unsere Zukunft ist bedroht durch die Klimakrise. Die globale Erwärmung schreitet ungebremst voran. Das 1,5-Grad-Ziel rückt in immer weitere Ferne. Dadurch steigt nicht nur die Gefahr von Extremwetterereignissen, die unsere Erfahrungen aus dem Sommer 2021 bei Weitem übersteigen werden. In der Konsequenz wächst auch das Risiko, unumkehrbare Kipppunkte zu erreichen und den unabsehbaren Folgen für das Klima und unsere Umwelt ausgesetzt zu sein. Diese Klimakrise müssen wir stoppen. An der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels darf kein Weg vorbeiführen.

Über diese Zielsetzung scheinen sich inzwischen alle demokratischen Politiker*innen mehr oder weniger einig zu sein. Während über den Weg und die verbleibende Zeit noch gestritten wird. Von einem ausreichend effektiven, gemeinsamen und schnellem Handeln sind wir in der Bundesrepublik, in Europa und im globalen Norden noch weit entfernt.

Gleichzeitig wird unsere Zukunft von den Diktator*innen und Autokrat*innen dieser Welt bedroht. Spätestens mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und damit auch auf die europäische Friedensordnung wurde für uns alle sichtbar: Die Diktaturen und Autokraten weltweit erstarken. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind keine Selbstverständlichkeit.

Für eine gute Zukunft müssen wir uns unabhängig von Autokrat*innen und Diktator*innen machen und gleichzeitig eine Welt frei von atomarer und fossiler Energieversorgung werden.

Wir bleiben dabei: Atomkraft – nein danke

Es mag wie eine abgedroschene Binsenweisheit klingen, aber für uns ist die Grundlage unsere Haltung zum Atomstrom: Bis heute ist kein Endlager für den Atommüll der letzten Jahrzehnte gefunden worden. Und es ist völlig klar, ein optimales Lager kann und wird es nicht geben. Atomstrom kann deshalb auch in Zukunft nicht nachhaltig sein. Der Ausstieg zum Ende dieses Jahres ist und bleibt richtig. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass auch Investitionen in Atomstrom nicht nachhaltig sind oder als solche deklariert werden dürfen.

Unabhängig von der Frage der Nachhaltigkeit zeigt sich aber auch beim Atomstrom unsere Abhängigkeit von den Autokrat*innen dieser Welt: 26 Prozent des angereicherten Urans, welches in der EU verwendet wird, stammt aus Russland. Argumente für die Weiternutzung der Atomkraft mit dem Ziel der Energiesouveränität laufen in Anbetracht dieser Zahlen ins Leere.

Sozialgerechter Kohleausstieg – so schnell wie möglich

Der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, wie er bislang geplant wurde, ist mutlos und ideenlos und Ausdruck eines mangelnden Investitionswillens, sowie Ergebnis der Interessen einiger weniger Profiteur*innen dieser Energieerzeugung. Ein rascher Ausstieg ist möglich. Auch ohne die Beschäftigten in den Tagebauen und den indirekt von der Kohleverstromung abhängigen Gegenden allein zu lassen. Der Umbau der Wirtschaft in den vom Strukturwandel betroffenen Regionen darf dabei nicht zu einer Deindustrialisierung führen. Stattdessen muss der Wandel viel mehr die Ansiedelung von Unternehmen bedeuten, die für eine sozial-ökologische Transformation relevant sind. Ob Batteriezellfertigung, E-Mobilität, der Ausbau der Schienenmobilität oder die Entwicklung der Wasserstofftechnologie – Erneuerbare Energien und Klimaneutralität muss auch in Regionen des Strukturwandels stattfinden.

Unsere Zukunft ist erneuerbar

Unsere jungsozialistische Idee von der Zukunft hat in erster Linie nichts mit Verzicht und Verlust zu tun. Wir wollen eine gute Zukunft. Niemand soll darüber nachdenken müssen, die Winterjacke auch in der Wohnung anzuziehen, weil das Heizen zu teuer ist. Niemand soll auf die Fahrt in den Urlaub verzichten oder zum Einkaufen in den nächsten Ort wandern müssen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien bedarf massiver Investitionen durch die öffentliche Hand und eine aktive Entscheidung, die immer noch bestehenden Hürden – von 10-H-Regel bis zur Deckelung des Ausbaus – endlich zu kippen. So viele Anlagen wie möglich müssen durch Repowering zu leistungsstärkeren umgebaut werden. Und auch der Ausbau der Photovoltaikanlagen darf nicht länger gebremst werden. Mit der nächsten EEG-Novelle muss der atmende Deckel endlich vollständig abgeschafft werden. Alle jährlichen Ausbauziele müssen Mindestziele werden.

Gas – eine Übergangstechnologie mit kurzer Lebensdauer

Aktuell können wir den Energiebedarf nicht über Erneuerbare Energien decken. Eine Übergangstechnologie ist notwendig, um Versorgungssicherheit zu garantieren. Dieser Zustand ist bekannt und kann damit auch behoben werden. Dennoch muss fossiles Gas als aktuell notwendiger Energieträger langfristig durch die Erneuerbaren abgelöst werden! Keine massiven Investitionen in den Bau von Pipelines, kein Fracking in Europa. Gaskraftwerke müssen schon heute für die Nutzung mit nicht fossilen Gasen wie zum Beispiel Wasserstoff vorbereitet werden, um eine Weiternutzung in Zukunft zu ermöglichen. Auch das ist Nachhaltigkeit.

Unabhängigkeit von Diktaturen

Für eine gute Zukunft für uns alle müssen wir eine Energieversorgung unabhängig von Diktator*innen und Autokrat*innen sicherstellen. Wir dürfen uns nicht erpressbar machen und müssen dafür die Abhängigkeit von einzelnen Energielieferanten insbesondere mit autokratischen und diktatorischen Regimen reduzieren.

In einem ersten Schritt müssen wir uns jetzt von Russland und dem Regime Putins unabhängig machen und ein Ölembargo verhängen. Für den nächsten Schritt muss dann ein Gasembargo vorbereitet werden. Für uns ist klar: Keine Geschäfte mit einem Staatsapparat, der für Kriegsverbrechen und einen Angriffskrieg auf die Demokratie in der Ukraine verantwortlich ist.

Energiearmut den Kampf ansagen

Für eine gerechte Zukunft muss Energie bezahlbar sein. In gut gedämmten Wohnungen wohnen, mit dem Zug fahren, Strom aus erneuerbaren Energien aus der Steckdose bekommen, mit Kraft-Wärme-Kopplung heizen, trotz Leben im ländlichen Raum ohne Verbrennungsmotor mobil sein, das alles darf kein Privileg für die Wenigen sein. Jede*r muss Zugang zu einer guten Zukunft haben – und dafür setzen wir uns mit aller Kraft ein.

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