Der Krieg in der Ukraine hat in der Energiepolitik vieles über den Haufen geworfen. Aber im Wesentlichen bestätigt, was wir als Sozialist:innen bereits seit Jahren sagen:
Wir dürfen nicht länger abhängig von Diktaturen und ihren Ölvorkommen und Gasreserven sein.
Die Fragen sind immernoch die selben – aber uns läuft die Zeit davon
Für diesen Beitrag wurden die Leitfragen gestellt, welche Entwicklungen 2022 besonders brisant seien und was im Fokus der Debatte stehen muss. Aber die wichtigsten Punkte sind eigentlich immernoch dieselben wie auch die letzten Jahre: Die Verbrennung fossiler Rohstoffe setzt CO2 frei, das bewirkt den Klimawandel, dieser muss aufgehalten werden. Die naturwissenschaftlichen Mechanismen sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Lösungen sind ebenso bekannt.
Es ist als „junge Generation“ besonders frustrierend, in einer Welt aufzuwachsen, in der uns die Zeit derart davon läuft. Während man älter wird, langsam die Ausmaße der drohenden Katastrophe zu begreifen – und die Ausmaße des Versagens.
Hätte man beispielsweise vor 20 Jahren – ich selbst war damals im Kindergarten – angefangen, mit voller Kraft die Wirtschaft zu dekarbonisieren, dann könnten wir heute fertig sein. Man hätte wirklich die Zeit gehabt, eine sanfte Transformation zu organisieren, mit minimalen Nebenwirkungen und genügend Zeit, um auf Veränderungen und unerwartete Probleme zu reagieren.
Und jetzt? Wir haben längst 1° Erwärmung überschritten. Die offiziell angestrebte Grenze sind 1,5°. Ich lehne mich nicht allzuweit aus dem Fenster, wenn ich vorhersage, dass wir sie mit Schwung einreißen werden. Die politische Realität heute ist ein Abwehrkampf: Es geht de facto nur noch darum, die Katastrophe so klein wie möglich zu halten.
Was bedeutet das also für die Debatte und für die Politik?
Für uns als Linksjugend sind hier zwei Dinge klar:
- Es muss so schnell wie möglich passieren. Die Zeit, sich Zeit zu nehmen, wurde leider in den letzten zwei Jahrzehnten verschwendet, jetzt muss es schnell gehen.
- Es muss sozial gerecht sein. Jede Transformation hat Nebeneffekte, das kann man nicht verhindern – aber die Politik muss diese Nebeneffekte abfangen und ausgleichen.
Warum passiert so wenig?
Technisch und wissenschaftlich sind alle Antworten vorhanden.
Warum also wurde das noch nicht schon lange umgesetzt? Manchmal wird so getan, als sei der Klimawandel und Energiepolitik ein technisches oder ein wissenschaftliches Problem. Eines, auf das man nur die richtige Antwort finden müsse, dann würde es sich in Wohlgefallen auflösen.
Das ist eine Lüge. Sie dient nur dazu, von dem tatsächlichen Problem abzulenken. Technisch und wissenschaftlich sind alle Antworten vorhanden. Wir brauchen Solaranlagen, Wind- und Wasserkraft, Batterie- und Wasserstofftechnik, Elektromotoren und Wärmepumpen. All das ist vorhanden. Das tatsächliche Problem ist die Politik, und das ist, was 2022 mehr in den Fokus der Debatte rücken muss.
Es ist offensichtlich, dass reine Marktmechanismen weder die größte Geschwindigkeit an den Tag legen, noch können sie verlässlich soziale Nebenwirkungen verhindern. Im Gegenteil: Alle Firmen im Kapitalismus streben (zwangsweise) nach Profit. Die Konzerne, die aktuell große Profite mit CO2-Wirtschaft machen, stehen selbst vor einer komplizierten Transformation, die Planung, Ahnung und Investitionen braucht. All das ist nicht einfach und so können wir in Echtzeit beobachten, wie diese Firmen lieber lobbyieren, um Klimaschutz aufzuhalten und progressive Gesetze zu verhindern.
Der Einfluss der fossilen Lobbies auf die Regierung muss bekämpft werden und die Politik muss sich von der Fehlvorstellung befreien, man könne oder sollte alles „dem freien Markt“ überlassen. Das ist ein Märchen, das nur dazu dient, die Vormachtstellung einiger Konzerne zu sichern und politische, das heißt demokratische (!) Entscheidungen zu verhindern.
Energiepolitik ist auch Friedenspolitik
Die russische Invasion der Ukraine hat brutal und schonungslos offengelegt, was Abhängigkeit von Öl und Gas bedeutet. Sie bedeutet auch Abhängigkeit von Diktaturen und Oligarchen. Auch heute noch, mehrere Wochen nach Kriegsbeginn, importiert Deutschland Öl und Gas aus Russland und überweist im Gegenzug täglich Millionen von Euro.
Kriegszeiten haben historisch oft gewaltige wirtschaftliche Umbrüche verursacht. Deutschland ist nicht direkt am Krieg beteiligt und wir wollen hoffen, dass das so bleibt, aber vielleicht kann der Schock endlich die Kräfte mobilisieren, auf die wir so lange schon warten. 100 Milliarden zusätzlich für die seit Jahren aufgerüstete Geldverschwendungsmaschine Bundeswehr sind absoluter Unfug. 100 Milliarden Sondervermögen für die erneuerbare Transformation hingegen könnten einen nachhaltigen positiven Effekt haben – auch für den Frieden in der Welt und die Sicherheit Deutschlands.
Denn die meisten Kriege werden um Ressourcen geführt und die moderne Welt giert nach Energie wie nie zuvor. Nicht nur durch die Abhängigkeit von Russland wird dieser Tage deutlich: Energiepolitik ist auch Friedenspolitik.
Wir können es besser machen
So wie meine Generation jetzt frustriert erkennen musste, wie viel Zeit verschwendet wurde, wird in zehn Jahren eine neue Generation erwachsen werden und uns daran messen, wie wir die Zeit genutzt haben. Wir brauchen jetzt, und damit meine ich: Jetzt sofort! eine Investitionsoffensive in die neue Wirtschaft. Die beste Zeit, um von fossilen Rohstoffen unabhängig zu werden und 100% erneuerbar zu werden, war gestern. Die zweitbeste Zeit ist jetzt.
Vermasseln wir es nicht.
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