Eine Zukunft schaffen, die sich lohnt

Gastautor Portrait

Sebastian Breer

Referent für Klimaschutz und Energiepolitik, WWF Deutschland

Sebastian Breer ist seit Juni 2021 Referent für Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. Dort betreut er Projekte rund um das Thema Energiewende und arbeitet schwerpunktmäßig zu energiepolitischen Fragestellungen auf nationaler Ebene. Bereits während seines Studiums beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit klima- und energiepolitischen Fragestellungen. Sebastian studierte Europäische Studien mit dem Nebenfach Geographie (B.A.) in Osnabrück und Bratislava. 2021 schloss er einen Master in Political Economy of European Integration (M.A.) an der HWR Berlin ab. Foto: Studio Monbijou Berlin

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23. März 2022

Das Jahr 2015 ist für mich persönlich ein ganz besonderes und markiert einen Meilenstein in meinem bisherigen Leben: Ich zog von zuhause aus und begann mein Studium.

2015 wurde jedoch auch Weltgeschichte geschrieben. Im Dezember besiegelten 196 Staaten und die Europäische Union das bisher umfassendste internationale Abkommen, das die Weltgemeinschaft je gesehen hat: das Pariser Klimaschutzabkommen. Das erste Mal in der Geschichte hat sich die Welt ein klares und völkerrechtlich verbindliches Ziel gesetzt, die Erderhitzung auf möglichst 1,5°C zu begrenzen.
Für mich und viele andere in meiner Generation war dies ein prägender und zugleich lang ersehnter Durchbruch. Denn letztlich ging es damals um nichts weniger als darum, eine lebenswerte Zukunft zu bewahren.

Das Pariser Klimaschutzabkommen hat neue Dynamiken entfacht – weltweit

Paris hat neue Dynamiken ausgelöst, die vorher von vielen als unerreichbar abgetan wurden.

Sebastian Breer

Der WWF-Bericht „Megatrends der globalen Energiewende II“ zeigt auf, dass seit Dezember 2015 viel in puncto Energiewende passiert ist. Paris hat neue Dynamiken ausgelöst, die vorher von vielen als unerreichbar abgetan wurden. Die globale Jugendbewegung Fridays for Future hat dafür gesorgt, dass Entscheidungsträger:innen weltweit unter Druck gesetzt wurden, eine ambitionierte Klimaschutzpolitik zu verfolgen. Immer mehr Industriebereiche haben sich dem notwendigen Wandel verschrieben, den es benötigt, um unsere Weltwirtschaft zu dekarbonisieren. Auch die Rechtsprechung nimmt die Klimakrise immer öfter als Grundlage für ihre Urteilsfällung. In Deutschland gibt es seit dem historischen Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz im Frühjahr 2021 faktisch ein Grundrecht auf Klimaschutz. Als Konsequenz dieses Urteils kann man sehen, dass die Politik in der Lage ist, innerhalb kürzester Zeit eine ambitionierte Klimapolitik festzulegen.

Die Energiewende ist mittlerweile unumkehrbar geworden. Diese neuen und für viele undenkbaren Dynamiken sorgten dafür, dass die Erneuerbaren Energien mittlerweile sogar die fossilen Energien in den Zuwachsraten überholen konnten. Hierzulande sind Wind und Sonne mittlerweile die günstigsten Energieträger. Der größte Anteil der weltweiten Investitionen in die Stromerzeugung fließt bereits in regenerative Energien.

Allerdings entscheiden politische Entscheidungsträger:innen über die Geschwindigkeit, mit der sich die Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft vollzieht. Steigende Energiepreise und große Unsicherheiten, die mit dem Krieg in der Ukraine einen dramatischen Höhepunkt gefunden haben, bringen vor allem eins zum Ausdruck: Wir müssen die fossile Welt schleunigst hinter uns lassen.

Klar ist auch: Es wird nicht genug getan.

Trotz jahrelanger mangelnder Ambition in der Energiewende, sind mittlerweile auch in Deutschland Erfolge zu sehen, die viele einst als „nicht finanzierbar“ oder gar „wilde Utopie“ abgetan haben. Und diese Erfolge müssen hervorgehoben werden. Sie sind der mutmachende Beleg dafür, dass eine Welt ohne fossile Brennstoffe Wirklichkeit werden kann. Wie schnell wir uns diesen Traum erfüllen, liegt allein in unseren Händen.

Überall auf der Welt muss man angesichts klimabedingter Naturkatastrophen immer wieder schmerzhaft feststellen, wie verwundbar wir sind. Nach wie vor reicht die Geschwindigkeit, mit der sich die Transformation vollzieht, bei weitem nicht aus, um die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten. Und dahinter verbirgt sich die größte Erwartung in Richtung Politik. Das, was in den vergangenen Jahren bei der Umsetzung der Transformation verschlafen wurde, muss nun in kürzerer Zeit nachgeholt werden.

Die Politik ist am Zug – wenn nicht jetzt, wann dann?

Die neue Bundesregierung ist mit dem Anspruch an die Wähler:innen herangetreten, eine Klimaregierung zu sein. Und an diesem Anspruch wird sie sich messen lassen müssen.

Sebastian Breer

Die neue Bundesregierung ist mit dem Anspruch an die Wähler:innen herangetreten, eine Klimaregierung zu sein. Und an diesem Anspruch wird sie sich messen lassen müssen. Die Politik ist am Zug, um nachfolgenden Generationen auch nach dem Jahr 2050 einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen.

Im Koalitionsvertrag sind viele ehrgeizige Ziele vereinbart worden, den Klimaschutz national als auch international zu stärken und die Energiewende in großen Schritten voranzubringen. In seiner Eröffnungsbilanz im Januar 2022 machte Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck klar, dass es nur mit einer „Kurskorrektur“ wieder zurück auf den 1,5°C-Pfad gehen kann, den wir unlängst verlassen hatten. Und dazu bedarf es ambitionierter Maßnahmen.

Bis 2030 sollen bereits 80 Prozent unseres Stroms aus Erneuerbaren Energien stammen. Das entspricht in etwa einer Verdopplung des heutigen Anteils. Wenige Jahre später sollen es dann schon 100 Prozent sein. Dafür bedarf es eine Vervielfachung des Ausbaus der Erneuerbaren wie Photovoltaik und Windkraft in kürzester Zeit – in einem Tempo, wie wir es noch nicht zuvor gesehen haben. Und dabei handelt es sich nicht um eine Frage des Wollens. Die Politik muss all ihre Möglichkeiten ausschöpfen, um die Energiewende umfassend und konsequent voranzutreiben. Bleibt zu hoffen, dass mit angekündigten Klimaschutz-Sofortprogramm tatsächlich auch die Hebel umgelegt werden, auf die es so dringend ankommt. Daran führt kein Weg vorbei, wenn uns eine lebenswerte und sichere Zukunft wichtig ist.

Potentiale für ein besseres Zusammenleben hervorheben

Eigentlich hat die Bekämpfung der Klimakrise ein sehr konservatives Ziel: Das Bewahren des jetzigen Status Quo. Allerdings müssen wir dafür von dem derzeitigen Status Quo, der unser Zusammenleben bestimmt, weit wegrücken. Die Transformation, der es bedarf, um Klimagerechtigkeit herzustellen und gute Lebensbedingungen für alle Menschen langfristig zu sichern, darf sich jedoch nicht nur in der Energiewirtschaft abspielen. Alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens müssen radikal auf den Kopf gestellt werden – egal ob in der Industrie oder im Bereich Verkehr.

Eine Transformation bringt viele Veränderungen mit sich, aber auch viele Vorteile. Politische Entscheidungsträger:innen müssen daher die Chancen und Potenziale benennen, die mit der Energiewende einhergehen. Wenn die Energiewende nun ambitioniert und zielgerichtet umgesetzt wird, hat sie das große Potential, eine lebenswertere Zukunft zu gestalten. Richtig angepackt, wird sie unser Zusammenleben dauerhaft verbessern können.

Für die jungen Menschen in unserer Gesellschaft ist das entscheidend. Es ist unsere Zukunft und die unserer Kinder, über die jetzt entschieden wird. Warten wir weiterhin mit der ambitionierten Umsetzung der Energiewende, kann es bald schon zu spät sein. Die drei Worte, die uns schon 2015 vor einem ganz anderen Hintergrund Mut gemacht haben, sollten wir auch im Kampf gegen die Klimakrise zur geltenden Maxime machen: Wir schaffen das!

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