War watt? Stillstand bei der Wärme

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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27. Oktober 2016
War watt? ist die energiepolitische Kolumne unseres Moderators Hubertus Grass, der seit nunmehr 30 Jahren für die Energiewende streitet.

Mehr als die Hälfte unseres Energieverbrauches, genau 54 Prozent waren es 2014, entfällt auf den Wärmesektor. Und ca. 45 Prozent der energiebedingten CO2–Emissionen entstehen in Deutschland durch die Nutzung und Erzeugung von Wärme. Wir reden und diskutieren viel über die Stromwende und die neuesten Rekordzahlen bei den Erneuerbaren, ergötzen uns am technischen Fortschritt bei der – ebenfalls ausbleibenden – Verkehrswende, wenn er in Gestalt moderner Fahrzeuge à la Tesla in Erscheinung tritt. Der Stillstand auf dem Wärmemarkt ist im Vergleich dazu eher ein Randthema. Der Bedeutung des Wärmemarktes wird die Diskussion nicht gerecht: Ohne Wärmewende gibt es keinen Klimaschutz, der der diesen Namen verdient.

Im Gegensatz zum Klima ist Papier geduldig

Über 30 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen: Von den Zahlen auf dem Strommarkt ist der Wärmemarkt noch weit entfernt. Sieben Prozent ist hier die Vergleichszahl für die Erneuerbaren. Demgegenüber steht ein Anteil von 26 Prozent, den CO2–intensive Ölkessel auf dem Wärmemarkt noch bereit stellen. Weder geht es bei der Umstellung der Wärmeerzeugung in Richtung effizienterer oder gar CO2-neutraler Quellen voran noch bei der energetischen Sanierung. Die Sanierungsrate liegt derzeit bei einem Prozent. Angestrebt sind zwei Prozent. Klimapolitisch notwendig sind 2,5 Prozent, so die Kurzstudie Wärme der Unternehmensberatung PWC.

Stillstand herrscht in allen Bereichen des Wärmemarktes - der Verbrauch stagniert.
Stillstand bei den Verbräuchen. Sichtbar ist allenfalls der Einfluss des Wetters.

Vorgenommen hatte sich die Politik ganz etwas anderes. Auf Seite 38 des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD heißt es: „Der Wärmemarkt ist mitentscheidend für eine erfolgreiche Energiewende… Ziel der Koalition bleibt es, bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu haben. Dazu müssen der Energieverbrauch der Gebäude adäquat gesenkt und gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien zur Wärmenutzung vorangetrieben werden.… In einem Strommarkt mit einem weiter zunehmenden Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien werden wir Strom, der sonst abgeregelt werden müsste, für weitere Anwendungen, etwa im Wärmebereich, nutzen.“

Hat jemand den im Koalitionsvertrag festgelegten „Ausbau erneuerbarer Energien zur Wärmenutzung“ bemerkt, gesehen oder von ihm gehört? Sachdienliche Hinweise nimmt der Autor gern entgegen.

Stillstand: Die Hoffnung auf besseres Wetter ersetzt keine Politik

In die Rubrik „Viele Worte, wenig Effekte“ gehört auch das 2009 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Das Gesetz im Verbund mit zahlreichen Förderprogrammen auf Bundes- und Landesebene hat erreicht, dass Energieverbrauch und CO2–Emissionen im Gebäudebereich nicht parallel zum wachsenden Wohnraum pro Kopf anstiegen. Das ist noch kein Klimaschutz. Weder konnte die Politik eine nennenswerte Senkung des Verbrauchs noch einen merkliche Steigerung der Nutzung von erneuerbaren Energien im Wärmebereich erzielen.
Seit 2014 haben wir zusätzlich noch ein Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, das zusätzliche Maßnahmepakete für den Wärmebereich enthält.  Speziell für die Energieeffizienz gibt es noch einen eigenen Plan, den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz, kurz NAPE. Und die Wirkung bis heute? Unter der Messbarkeitsgrenze.

Koalitionen neigen im letzten Jahr ihrer Regierung nicht mehr dazu, politische Bäume auszureißen. Stillstand ist angesagt. Denn alle Beteiligten schwenken jetzt zunehmend in den Wahlkampfmodus ein, wo mehr das Trennende betont wird. Und doch gibt es für den Gebäudebereich eine Hoffnung: Weil der Klimawandel uns messbar erreicht hat, dämpfen die milden Winter den Bedarf an Heizenergie. So können wir mit der Koalition hoffen, dass wir Dank des Klimawandels unsere CO2 –Emissionen etwas senken. Politik ist das nicht.

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  1. Windmüller

    vor 8 Jahren

    Das Thema Wärmewende ist ein ganz trauriges Thema.Ein Bekannter von mir ist Heizungsbauermeister, und kann ein Lied davon singen. Da setzen sich die Leute eine M Klasse vor die Tür, einen Volvo XC 90 oder einen BMW X 6. Ist bei diesen Leuten die Heizung am Ende, lautet die erste Frage an den Heizungsbauer, was denn das Billigste sei. Antwort des Bekannten:"Am billigsten ist es, gar keine Heizung zu besitzen, und im Winter dicke Pullover zu tragen" Mit dem dicken SUV vor der Tür kann man dem Nachbarn zeigen, was man hat. Die Heizung dagegen schlummert im Keller, wo sie keiner sieht. Ich fahre ein kleines Auto, und habe das gesparte Geld in eine Holzheizung und Solarkollektoranlage gesteckt. Damit spart man doppelt, aber dafür kann man beim Nachbarn keine Punkte sammeln.

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