Vor fünf Jahren kostete Strom aus Offshore-Windkraftanlagen 14 Cent je kWh. Als ehrgeiziges Ziel wurde eine Kostensenkung auf unter 100 Euro je MWh bis zum Jahr 2020 vorausgesagt. Dieses Ziel wurde bereits 2016 in den Niederlanden bei der Vergabe der Windparks Borselle I + II deutlich übertroffen. Heute versprechen Offshore-Wind-Projekte Stromlieferungen auf Marktpreisniveau – und zwar weltweit. Doch während international immer neue Märkte erschlossen und höhere Kapazitäten angekündigt werden, verlangsamt sich die Offshore-Wind-Entwicklung in Deutschland.
Erfahrungen aus einem Jahrzehnt Entwicklung
2010 hat die EnBW den ersten kommerziellen Windpark in Deutschland – EnBW Baltic I – in Betrieb genommen. Damit hat die EnBW Neuland auf dem Wasser betreten: Baugenehmigungen, Umweltauflagen, Projektzertifizierung und die Netzanbindung waren für alle Beteiligten mit vielen Überraschungen versehen. Es bedurfte einer echten Lernkurve, dass eine Onshore-Windenergieanlage nicht einfach ins Meer gesetzt werden kann, sondern an die Verhältnisse auf hoher See angepasst werden muss.
In den folgenden Jahren gingen die Windparks – wie im Fall von EnBW Baltic II– weiter aufs Meer und in tieferes Wasser, auch um Umweltauflagen gerecht zu werden und die visuellen Auswirkungen zu minimieren. Fundamente wurden größer und Wartung und Instandhaltung aufwendiger. Die Preise für Strom aus Wind auf See kannten zunächst nur eine Richtung – nach oben.
Mittlerweile hat die europäische Offshore-Wind-Industrie gezeigt, dass sie die Planung, die Errichtung und den Betrieb beherrscht. In nahezu allen Ländern werden Projektrechte und Netzanschlusskapazität nun über Auktionen auf den niedrigsten Energiepreis vergeben, womit auch die Preise für den produzierten Strom wieder nach unten gingen.
Mehr Leistung und Wettbewerb in Zukunft
Offshore-Wind wird in Zukunft noch günstiger und voll wettbewerbsfähig werden
Mit Blick in die Zukunft sehen wir größere Windenergieanlagen; starteten wir einmal bei zwei bis drei MW sind zehn bis zwölf MW je Anlage längst keine Illusion mehr. Das bedeutet weniger Fundamente, weniger Kabel und kürzere Bauzeiten. Auch die Rotorflügel werden länger und damit die Durchmesser der Rotoren größer. Der erste Rotor mit 220 Meter Durchmesser wird noch im Jahr 2019 errichtet werden. Ein Flügel ist 107 Meter lang – zum Vergleich, die Spannweite eines Airbus A380 beträgt nur 60 Meter! Der größere Rotor bedeutet vor allem einen größeren Energieertrag: Mehr Wind wird genutzt und damit mehr Strom produziert.
Weniger Turbinen bedeuten auch, dass der Betrieb günstiger wird. Einfach gesprochen, müssen die Service-Mitarbeiter auf weniger Turbinen hochsteigen, weil ein Windpark mit 300 MW nicht mehr aus 80, sondern nur noch aus 30 Anlagen besteht. Zudem haben sowohl Betreiber als auch Anlagenhersteller gelernt, welche Komponenten redundant oder ausfallsicher ausgelegt werden müssen. Dieser Sorgfalt kommt im Offshore-Einsatz eine viel größere Bedeutung zu als bei der Windkraft an Land. Fällt eine Anlage aus, kann durch die schwerere Zugänglichkeit bei schlechtem Wetter die Anlage Offshore mehrere Tage stillstehen. Gleichzeitig entgeht dem Betreiber deutlich mehr Ertrag, weil die Anlage typischer Weise doppelt so groß wie die an Land ist.
Offshore-Wind wird also in Zukunft noch günstiger und voll wettbewerbsfähig werden. Ein nicht zu unterschätzender Effekt ist dabei auch der gestiegene Wettbewerb. Mit der Einführung von Auktionen oder wettbewerblichen Ausschreibungen ist der Druck bei den Entwicklern gestiegen. Bis 2013 haben Entwickler mit einem Zugang zu Flächen ihre Projekte in Europa in einem fixen Förderregime entwickeln können. Spätestens mit der Ausschreibung des Windparks Horns Rev 3 in Dänemark ist ein intensiver Wettbewerb um Stromabnahmeverträge oder Netzzugang entstanden. Die Entwickler haben die Unsicherheit beim Bau gegen die Unsicherheit, ob sie überhaupt ein Projekt bekommen, eingetauscht.
Rasante Entwicklung der Märkte
Dies wird dadurch verstärkt, dass neue Player die internationale Offshore-Wind-Bühne betreten haben. Große Öl- und Gas-Firmen zum Beispiel, die neue Geschäftsmodelle suchen. Der deutschen Offshore-Wind-Industrie fällt es dadurch immer schwerer sich zu behaupten. Vor allem, da der Heimatmarkt durch Systemumstellung und Deckelung des Ausbaus stark ausgebremst wurde.
Stattdessen entstehen neue Märkte auf der ganzen Welt. Die Kostendegression der letzten Jahre hat viele Länder auf den Geschmack gebracht. Doch dann soll es nach Willen der lokalen Politik sehr schnell gehen, viele neue Arbeitsplätze bringen und preiswerten Strom liefern. Dieses Zieldreieck stellt für die Entwickler eine große Herausforderung dar.
Während wir in den ersten Jahren der Offshore-Windenergie vor allem technisches Neuland betreten haben, so ist das prägende Merkmal des Offshore-Wind-Geschäftes heute die Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit, mit der neue Märkte entstehen und verstanden werden wollen und vor allem die Geschwindigkeit in Entscheidungsprozessen, da mehrere Opportunitäten parallel verfolgt werden müssen.
Erfolgsfaktoren für den internationalen Markt
Die EnBW hat in ihrer 100-jährigen Geschichte bereits viele Höhen und Tiefen erlebt und kann somit auf umfangreiche Erfahrungen setzen, um mit den aktuellen Herausforderungen im Bereich Offshore-Wind umzugehen. Obwohl die EnBW kleiner als viele der Wettbewerber ist, geht das Unternehmen mit den eigenen Stärken wie Fachexpertise, großer Flexibilität und Bodenständigkeit in die internationale Entwicklung. Offshore-Windparks sind für EnBW nicht nur Anlageobjekte, sondern passen in die Unternehmensphilosophie, Anlagen über Jahrzehnte zu betreiben. In dieser Zeit werden wertvolle Arbeitsplätze geschaffen und Beziehungen zu Menschen und Gemeinden vor Ort aufgebaut.
Mit der Erfahrung aus den europäischen Projekten wird die Offshore-Wind-Kompetenz zu einem Exportprodukt, mit dem man auch im internationalen Umfeld erfolgreich sein kann.
Über die Autoren
Hannah König
Leiterin Wind- und maritime Technik, EnBW Energie Baden-Württemberg AG
Hannah König leitet seit März 2017 die Wind- und Maritime Technik der EnBW Energie Baden-Württemberg AG. Davor war die promovierte Mathematikerin bei einer Zertifizierungsstelle für die elektrischen Eigenschaften erneuerbarer Energien und zuletzt bei einer technischen Beratung tätig, wo sie für zwei Jahre auch das operative Geschäft leitete. Heute verantwortet sie mit ihrer 75-köpfigen Abteilung alle technischen Fragestellungen in den Offshore Wind Projekten der EnBW.
Holger Grubel
Leiter Portfolioentwicklung Offshore Wind, EnBW Energie Baden-Württemberg AG
Holger Grubel ist seit 2018 bei EnBW Energie Baden-Württemberg AG verantwortlich für die Portfolioentwicklung Offshore Wind. Zuvor war er als Projekt Direktor erfolgreich bei der Planung und Finanzierung des Merkur Offshore Windparks mit 400 MW mit Sicherung eines 1,6 Mrd EUR private Equity Vorhabens; Leitende Funktion bei ONP Management GmbH. Davor war Holger Grubel 18 Jahre bei Vattenfall in verschiedenen, leitenden Positionen; unter anderem Projekt Direktor für die Offshore Windprojekte DanTysk, Sandbank und als Leiter der technischen Abteilung für Offshore Wind in Deutschland sowie als Gesellschaftervertreter für den ersten deutschen Offshore Wind Park alpha ventus.
Diskutieren Sie mit