Emissionsfrei, digital, menschenfreundlich – Mobilität Made in Baden-Württemberg

Gastautor Portrait

Winfried Kretschmann

Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg

Am 12. Mai 2011 wurde Winfried Kretschmann das erste Mal zum Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg gewählt. In der Geschichte der Bundesrepublik ist er damit der erste Landesvater der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Am 12. Mai 2016 wurde er als Ministerpräsident wiedergewählt. Bereits 1980 gehörte er der ersten grünen Landtagsfraktion an. Nach einem kurzen Abstecher nach Hessen, wohin ihn Joschka Fischer in den achtziger Jahren zur Mitarbeit ins dortige Umweltministerium holte, blieb der Gymnasiallehrer für Biologie, Chemie und Ethik und engagierte Katholik der Landespolitik treu. (Foto: Volker Schrank)

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11. April 2019
Strategiedialog Automobilwirtschaft,
(c) Staatsministerium Baden-Württemberg

Die Europäische Union entscheidet, dass Neuwagen bis 2030 37,5 Prozent weniger CO2 ausstoßen müssen. VW ändert seine Strategie und setzt voll auf Elektromobilität. Daimler und BMW gehen weitreichende Kooperationen bei Mobilitätsdienstleistungen und autonomen Fahren ein. Drei Entscheidungen, die Ausdruck einer Zeitenwende sind. Eines tiefgreifenden Umbruchs, in dem zwei Megatrends kulminieren: Dekarbonisierung und Digitalisierung, der Kampf gegen den Klimawandel und der Übergang von der industriellen zur digitalen Gesellschaft.

Der Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg - eine Industriepartnerschaft neuen Typs

Wir wollen das Ziel einer emissionsfreien, vernetzten, menschenfreundlichen Mobilität schnellstmöglich erreichen: Weil wir den Klimawandel nicht irgendwann stoppen müssen, sondern jetzt

Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Wir wollen das Ziel einer emissionsfreien, vernetzten, menschenfreundlichen Mobilität schnellstmöglich erreichen: Weil wir den Klimawandel nicht irgendwann stoppen müssen, sondern jetzt. Weil wir in einem harten internationalen Wettbewerb um die Mobilität der Zukunft stehen, insbesondere mit den USA und China. Und weil wir das Autoland schlechthin sind. Mit einer Automobilindustrie, die bei uns in Baden-Württemberg mehr als ein Fünftel des weltweiten Branchenumsatzes erwirtschaftet. Die mit ihren rund 1.000 Zulieferern eines der größten Automobilcluster der Welt bildet. Mehr als 470.000 gute Arbeitsplätze schafft. Und ein herausragender Teil der Erfolgsgeschichte unseres Landes ist. Wichtiger geht nicht.

Deshalb wollen wir den Übergang in ein neues Mobilitätszeitalter konsequent vorantreiben: seriös und verantwortungsbewusst, aber auch mit Mut und Unternehmergeist. Um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, habe ich vor zwei Jahren den „Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg“ ins Leben gerufen. Eine Industriepartnerschaft neuen Typs für einen Umbruch neuer Art. Ein Format, das sowohl die Belange der Gesellschaft als auch unternehmerische Interessen berücksichtigt. Und in dem Politik, Automobilwirtschaft, Zulieferer, Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft an einem Tisch sitzen, um gemeinsam an der Mobilität der Zukunft zu arbeiten.

Zwar werden die Zielvorgaben anderswo gesetzt, in Europa und im Bund. Doch Zielvorgaben allein sind für einen Umbruch dieser Dimension zu wenig. Es geht auch darum, einen verlässlichen Plan zu entwickeln, wie diese Ziele erreicht werden können. Und zwar am besten à la Baden-Württemberg: innovativ, mit Hand und Fuß, unter Berücksichtigung systemischer Zusammenhänge. Denn Elektroautos, die mit Kohlestrom produziert werden und fahren, machen keinen Sinn. Deshalb haben wir die Energiewirtschaft in unseren Dialog von Anfang an eingebunden. Damit beides Hand in Hand geht: der Umstieg auf alternative Antriebe und der Umstieg auf erneuerbare Energien. Verkehrswende und Energiewende.

Zukunft der Mobilität - Made in Baden-Württemberg

Ein CO2-Preis würde wie ein gigantischer Magnet wirken, der Millionen individueller und unternehmerischer Entscheidungen wie Millionen von Eisenspänen mit einem Schlag neu ausrichtet – über alle Wirtschaftssektoren hinweg

Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Inzwischen hat der Bund mit seiner „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ einen ähnlichen Ansatz gefunden, allerdings nicht partnerschaftlich und auf Augenhöhe; dort zieht vielmehr jedes Ministerium seine eigenen Schlüsse. Und während im Bund noch diskutiert wird, wie die Transformation gelingen und zum Klimaschutz beitragen kann, setzen wir in Baden-Württemberg bereits um.

Einen ersten Schwerpunkt bilden Elektromobilität und neue Antriebe, ein Bereich, in den wir in den vergangenen Jahren über 200 Millionen Euro investiert haben. Derzeit bauen wir das erste flächendeckende Ladenetz für Elektroautos in Deutschland auf, mit insgesamt 2.000 neuen Stromtankstellen. Das heißt: Eine Ladesäule alle 10 Kilometer – von Mannheim bis zum Bodensee, von Offenburg bis Heidenheim. Bis zum Ende dieses Jahres! Damit gehört die Reichweiten-Angst im Baden-Württemberg der Vergangenheit an. Gleichzeitig unterstützen wir unsere Zulieferer bei der Entwicklung innovativer Mobilitätslösungen, damit auch sie bei der Transformation der Automobilindustrie vorne mitspielen können. Außerdem gehen wir bei der Erforschung der nächsten Stufe der Batterietechnologie voran und haben deshalb gerade den Startschuss für „Celest“  gegeben, die größte deutsche Forschungsplattform für die Batterie der Zukunft. Auf diese Weise machen wir Baden-Württemberg zur Leitregion für emissionsfreie Mobilität.

In einem zweiten Schwerpunkt gehen wir die Digitalisierung konsequent an. In Karlsruhe und Umgebung haben wir das erste Testfeld aufgebaut, das das autonome Fahren in der Stadt, auf dem Land und auf der Autobahn miteinander verbindet. Daneben investieren wir in Künstliche Intelligenz, einer der Schlüsseltechnologie für das Auto von morgen. Mit dem Cyber Valley haben wir einen der größten Forschungsverbünde Europas für Künstliche Intelligenz aufgebaut. Und sind gerade dabei, unsere Kräfte mit anderen Partnern in Bund und Europa zu bündeln und unseren Ansatz zu verbreitern, um insbesondere unserem Mittelstand passgenaue Angebote machen zu können. 300 Millionen Euro haben wir bereits investiert, mit weiteren 20 Millionen Euro stärken wir das Cyber-Valley, die KI-Forschung und Mittelstandsprojekte, und ein weiteres Millionenpaket haben wir zurückgestellt, um umgehend kofinanzieren zu können, sobald der Bund mit der Umsetzung seiner KI-Strategie beginnt. Auf diese Weise machen wir unser Land zu einem Zentrum für digitale Spitzenforschung. Und gehen auch bei der Produktion neue Wege. In der Arena 2036, einer der größten Forschungsfabriken der Welt für den Automobilbau, erproben Wissenschaft und Wirtschaft, Start-ups und etablierte Unternehmen eine neue Form der Zusammenarbeit: siloübergreifend, im Sinne von „open innovation“. Und um die Ergebnisse der Grundlagenforschung schneller in die industrielle Anwendung zu bringen. Auf diese Weise machen wir unser Land zum Laboratorium für digitale Mobilität.

In einem dritten Schwerpunkt bringen wir die vernetzte und geteilte Mobilität voran. Wir sagen dem Stau den Kampf an und entwickeln gemeinsam mit Partnern aus der Industrie einen Mobilitätsassistenten neuster Art: „Move BW“ führt die unterschiedlichsten Verkehrsdaten – von Staus über die Belegung von Parkhäusern bis hin zu ÖPNV-Verbindungen – in einer App zusammen, damit man jederzeit das beste Verkehrsmittel auswählen und direkt den Parkplatz, das ÖPNV-Ticket oder das Carsharing-Angebot buchen kann.

Das Ziel: "Schulterschluss von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Arbeitnehmerverbänden, Verbraucherorganisationen, Umweltverbänden und Zivilgesellschaft"

Strategidialog Automobilwirtschaft BW

Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Franz Loogen, Geschäftsführer der e-mobil BW GmbH, bei der Vorstellung der Prozessstruktur des Strategidialogs Automobilwirtschaft BW (c) Staatsministerium Baden-Württemberg

Die Mobilität der Zukunft darf nicht eine Mobilität für ein paar Wenige sein

Baden-Württemberg hängt sich in allen Kernbereichen der Transformation richtig rein. Und wird diesen Weg auch in Zukunft entschlossen weitergehen. Darüber hinaus setze ich mich persönlich dafür ein, den Klimaschutz effektiver zu machen. Damit unsere Marktwirtschaft ihr großes ökologisches Potential entfalten kann, müssen wir dem CO2 endlich einen angemessenen Preis geben. Nur so können wir den Übergang hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft effizient und effektiv steuern. Ein CO2-Preis würde wie ein gigantischer Magnet wirken, der Millionen individueller und unternehmerischer Entscheidungen wie Millionen von Eisenspänen mit einem Schlag neu ausrichtet – über alle Wirtschaftssektoren hinweg. Das Geld, das wir dadurch einnehmen, sollten wir an die Bürgerinnen und Bürger wieder zurückgeben. Auch deshalb, um soziale Härten zu vermeiden. Weil die Mobilität der Zukunft nicht eine Mobilität für ein paar Wenige sein darf. Sondern eine Mobilität für Alle!

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