Die Reichweite von E-Autos im Alltag

Gastautor Portrait

Marc Burgstahler

Leiter Elektromobilität, EnBW Energie Baden-Württemberg AG

Marc Burgstahler ist seit etwa 25 Jahren bei der EnBW tätig – mehr als die Hälfte dieser Zeit in leitender Funktion in verschiedenen Bereichen. Er beschäftigt sich dabei seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Mobilität sowie der Automobilwirtschaft und ist ausgewiesener Experte für die Mobilität der Zukunft, Ladeinfrastruktur, Flotten und Firmenfahrzeuge sowie für Energie und Digitalisierung. Als Leiter Elektromobilität bei der EnBW verantwortet er die gesamte Wertschöpfungskette von der Strategie über das Produktmanagement, den Vertrieb, sowie den Aufbau und Betrieb von Ladelösungen.

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08. April 2019

Es kommt eher selten vor, dass jemand wegen eines leeren Tanks am Straßenrand steht. Genauso selten passiert das auch aufgrund eines leeren Akkus bei E-Autos. Doch die Angst vor dieser Situation ist viel verbreiteter. Wir finden heraus, woher diese Angst kommt und wie man sie im Alltag schlagen kann.

Stellen Sie sich vor: Sie fahren in einem E-Auto zum Supermarkt. Plötzlich überkommt Sie ein Schauder, und Sie werfen einen Blick auf die Reichweiten-Anzeige. Sie steht fast auf 0 km. Sie könnten schwören, dass Sie den Akku über Nacht aufgeladen haben. Weil Sie nicht wissen, was Sie tun sollen, fahren Sie einfach weiter. Und auf einer Landstraße kommt es, wie es kommen muss: Ihr Auto gibt den Geist auf. Und da stehen Sie nun und kommen keinen Kilometer vor oder zurück.

Dass einem E-Auto im Alltag der Akku leer geht, ist eine Seltenheit. Und trotzdem haben viele Menschen vor genau dieser Situation Angst. Das kommt sogar so oft vor, dass diese Angst einen eigenen Namen hat.

Hilfe! Das reicht niemals!

Bei Verbrennern sind wir es gewohnt, dass es in jeder noch so kleinen Stadt eine Tankstelle gibt

Marc Burgstahler

Reichweitenangst – hört sich ausgedacht an, gibt es aber tatsächlich. Und mit der steigenden Beliebtheit von E-Autos ist sie präsenter als je zuvor. Es ist die Angst, das Ziel nicht zu erreichen, weil der Tank bzw. der Akku des eigenen Fahrzeugs nicht reicht. Dann steht man irgendwo im Nirgendwo und muss den Hilfsservice oder Automobilclub rufen.

Bei Verbrennern sind wir es gewohnt, dass es in jeder noch so kleinen Stadt eine Tankstelle gibt. Fällt die Nadel in der Anzeige langsam in Richtung Zapfsäulen-Symbol, suchen wir uns einfach die nächstbeste. Mit etwas Glück gibt es mehrere, die nicht weit voneinander entfernt sind. Dann kann man noch die Preise vergleichen – selbst wenn es schon rot leuchtet, wissen wir: Der Tank reicht allemal, um jede Tankstelle abzufahren und den günstigsten Sprit zu finden.

Als E-Autos gerade im Kommen waren, konnten sie diese Erwartungshaltung noch nicht erfüllen. Ladepunkte waren noch nicht so verbreitet wie Tankstellen. Bei längeren Strecken (z.B. bei einem Urlaub) musste man sich schon bei der Routenplanung Ladepunkte aussuchen, die man anfährt, und gegebenenfalls die Route an sie anpassen. Die Situation hat sich heute zwar entspannt, aber die Angst, dass der Akku auf solchen Strecken doch nicht reicht, ist geblieben. Und die generelle Alltagstauglichkeit wird in Frage gestellt. Was, wenn man sein E-Auto nicht über Nacht lädt und deswegen nicht zur Arbeit kommt? Was, wenn man spontan nach XY fahren muss?

Berechtigt oder nicht?

Wie wahrscheinlich es ist, dass man auf dem Weg zur Arbeit oder zum Supermarkt stehen bleibt, erkennt man an den folgenden Zahlen: Deutsche fahren durchschnittlich 11.888 km pro Jahr. Auf einen Tag heruntergerechnet macht das 32,5 km. Die kürzeste Reichweite bei aktuellen E-Autos beträgt ca. 120 km. Damit kommt man ein paar Mal zum Einkaufen und wieder zurück. Die kraftvollsten E-Autos für den Privatgebrauch kommen bei günstigen Bedingungen gut über 500 km, ein paar sogar über 600 km. Reichweitenangst ist im Alltag also unbegründet.

Beruhigt durch den Alltag

Selbst E-Autos mit wenig Reichweite schaffen ohne Probleme die Strecke, die man durchschnittlich am Tag fährt

Marc Burgstahler

Bekommen Sie es auf der Straße mit der Reichweitenangst zu tun, werden Ihnen die oben genannten Zahlen wahrscheinlich weniger einfallen, um Sie zu beruhigen. Deswegen haben wir ein paar Tipps für Sie zusammengetragen.

Möchten Sie sicher gehen, dass Ihr Akku für den Tag reicht, können Sie ihn über Nacht aufladen. Und wenn die Lieblingsladesäule mal besetzt oder defekt ist? Mittlerweile gibt es besonders im städtischen Bereich ein großes Netzwerk an Ladesäulen, sogar mehr, als jeden Tag benötigt werden. Kann man eine nicht benutzen, ist die nächste im Normalfall nicht weit weg. Sollten Sie keine andere finden, macht das auch nichts aus. Standzeiten haben keine Auswirkungen auf den Akkustand.

Tagsüber können Sie auch zum Supermarkt. Viele haben mittlerweile Ladestationen, an denen E-Autos teilweise kostenlos laden können. So kann man sich während des Einkaufs etwas Energie zurückholen, die man während der Fahrt verloren hat.

Sollte es doch mal eng werden, lautet die Devise: Ruhe und einen kühlen Kopf bewahren. Die Rest-Reichweiten-Anzeige im Cockpit ist zwar sehr genau, aber Sie als Fahrer haben auf die tatsächliche Reichweite immer noch Einfluss, z. B. indem Sie Ihr Tempo reduzieren. Einige E-Autos haben mittlerweile auch Stromsparmodi, durch die sie Stromfresser wie die Klimaanlage auf Knopfdruck ausschalten und so Energie sparen. Sie können das auch manuell machen, sollte Ihr E-Auto nicht über so einen Stromsparmodus verfügen.

Sie sehen: Es gibt einiges, was man tun kann, sollte einen die Reichweitenangst überkommen.

Fazit

Auch wenn man sein E-Auto nicht immer und überall laden kann: Reichweitenangst ist vor allem im Alltag unbegründet. Selbst E-Autos mit wenig Reichweite schaffen ohne Probleme die Strecke, die man durchschnittlich am Tag fährt. Zudem haben viele Supermärkte mittlerweile eigene Ladesäulen, an denen man teilweise kostenlos aufladen kann. Wird es mit der Reichweite doch mal knapp, hat man verschiedene Möglichkeiten, auf diese Einfluss zu nehmen, sodass man auf jeden Fall ans Ziel oder zur nächsten Ladesäule kommt. Mit einem ruhigen Kopf gibt man der Angst keine Chance und kann wieder Spaß am Fahren haben. Der ist mit einem E-Auto nämlich garantiert.

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  1. Ella

    vor 6 Monaten

    Genauso wie Jörg sehe ich das auch. War es bislang kein Problem mal eben eine Std.zu Muttern zu fahren, auch spontan oder bei Notfällen, ist es jetzt eine Frage der Reichweite. und des Zeitverlustes. Und was wenn dochmal der Strom ausfällt? Für mehrere Std. oder Tage ? Hybrid erscheint mir da besser als reine E Autos.

  2. eDrive

    vor 5 Jahren

    Ich fahre nun seit genau einem Jahr 100% elektrisch mit einem Renault Zoe Q90.
    Ich habe mir bewusst ein Auto gekauft, welches "schnell" mit 43 kW Wechselstrom laden kann, um nicht stundenlang an Ladestationen warten zu müssen.
    Wir sind damit schon über die Alpen nach Mailand gefahren und quer durch Deutschland vom Süden nach Köln und zurück.
    Reichweitenangst hatte ich da keine, da es zwischenzeitlich an so gut wie jeder Autobahntankstelle auch Ladestationen gibt.
    Der Vorteil am elektrischen Fahren ist ganz klar das stressfreie Reisen. Keine Vibrationen, kein Motorenlärm, kein schalten, weder manuell noch automatisch. Einfach dahingleiten absolut leise und entspannend.
    Wer lange genug sucht, wird immer gute Argumente gegen die Elektromobilität finden. Genau wie früher die Kutschenbauer Argumente gegen das Auto gefunden haben.

  3. Jörg

    vor 5 Jahren

    Problematisch ist aber nicht mal in erster Linie die Reichweite. Viel schlimmer ist doch die (berechtigte) Sorge, gerade mit preiswerten Stromern auf langen, flotten Fahrten auf der Autobahn alle 150km eine mindestens halbstündige Zwangspause einlegen zu müssen, während ein Verbrenner erst nach 500km an die Tankstelle muss - und auch nur für 5 Minuten.

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