„Aus diesem teuflischen Regelkreis können uns technische Lösungen allein nicht herausführen.“
Dieses Zitat ist eine Schlussfolgerung aus „Grenzen des Wachstums“, dem 1972er-Bericht des Club of Rome und mag als Überschrift in einem Beitrag zur Frage, ob unsere Infrastruktur fit für die Klimakrise ist, nicht passend sein, sehen wir doch Infrastrukturfragen zumeist als technische Sachverhalte. Als Gewerkschafter betrachten wir den Menschen als Kernstück der Infrastruktur und sehen uns verantwortlich dafür, für sein Wohlergehen zu streiten. Für diesen Streit suchen wir uns Unterstützer und Verbündete in der Zivilgesellschaft und so ist es bei näherer Betrachtung auch nicht verwunderlich, dass ver.di und „Fridays for Future“ beim Thema Klimawandel zusammenarbeiten. Was uns verbindet, ist die Erkenntnis, dass der fortschreitende Klimawandel die Kluft zwischen armen und reichen Menschen nicht nur in Deutschland, sondern auch global weiter vergrößert und dass die Hauptverursacher nicht die ärmeren, sondern die reichen Menschen sind. Die Auswirkungen des Klimawandels bzw. dessen Eindämmung sozial gerecht zu gestalten, sehen wir als Aufgabe unserer Gewerkschaft. Anfang Juni d.J. haben wir von ver.di Feuerwehr – das ist der zuständige Fachvorstand in ver.di – uns mit Vertreter*innen von „Fridays for Future“ in Hannover zusammengesetzt, um miteinander zu diskutieren, vor welche Anforderungen der Klimawandel die Beschäftigten bei Feuerwehren und Rettungsdiensten stellt.
Hoher Druck durch Klimawandel
Der Klimawandel ist eine große Bedrohung für die Stabilität und den Wohlstand unserer Gesellschaft und auch wenn die Pariser Klimaziele (u.a. Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2° C) erreicht werden, kann als sicher gelten, dass enorme wirtschaftliche, soziale und ökologische Kosten entstehen.
Und es kann als sicher gelten, dass Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst bei der Bekämpfung der negativen Auswirkungen eine Schlüsselrolle spielen werden. Die Vervielfachung extremer Wetterereignisse (Überschwemmungen, Dürren, Stürme, Hitzewellen usw.) wird zu einer Zunahme von Einsätzen und Opfern führen und die Infrastruktur unter Druck setzen. Gleichzeitig werden die vielfältigen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit (Hitzestress, Luftverschmutzung, Epidemien usw.) zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung für den Gesundheitssektor führen und dass in einer Zeit, in der dieser Sektor bereits unter hohem Druck steht und es allerorten an Personal mangelt. Im deutschen Gesundheitswesen gibt es eine Stellenvakanz von etwa 7 Prozent, bei den kommunalen Feuerwehren fehlen circa 5.000 Einsatzkräfte.
Personalmangel und Überlastung bei Feuerwehren
Fast ein Drittel der Feuerwehrleute, die über Personalmangel klagen, denkt häufiger darüber nach, die Arbeitsstelle zu wechseln.
Wir haben zur Arbeitsbelastung bei Feuerwehren 2021 eine Befragung durchgeführt, an der sich 1.750 Feuerwehrleute beteiligt haben. Dabei kam heraus, dass 76 Prozent der Befragten Mehrarbeit leisten – und dass überwiegend bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 48 Wochenstunden – und zwar um durchschnittlich 6,9 Stunden pro Woche. Zum Vergleich: Im gesamten öffentlichen Dienst sind es im Schnitt 1,6 Wochenstunden Mehrarbeit. Als Hauptgrund für die überlangen Arbeitszeiten gibt mehr als die Hälfte der befragten Feuerwehrleute (62 Prozent) fehlendes Personal an.
Die Auswirkungen des Personalmangels bei Feuerwehren sind gravierend. Die Kolleginnen und Kollegen, die in der Umfrage angegeben haben, dass in ihrem Arbeitsumfeld Personalmangel herrscht, schätzen ihre Problemlage doppelt so schlecht ein, wie diejenigen, die keinen Personalmangel ertragen müssen. Fast ein Drittel der Feuerwehrleute, die über Personalmangel klagen, denkt häufiger darüber nach, die Arbeitsstelle zu wechseln.
Die Frage, ob aus Sicht der Befragten ausreichend Stellen vorhanden sind, um die zugewiesenen Aufgaben zu erledigen, verneinen 72 Prozent.
Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen auf die Feuerwehrtätigkeit:
Funktionen können teilweise nicht besetzt werden – oder wie es ein Kollege ausdrückte: „Beim Ausrücken sind nur die Fensterplätze besetzt!“ Dass der Sicherungstrupp bei Einsätzen nicht besetzt werden könne, gaben 22 Prozent der Befragten an – auch dies ist eine sehr konkrete Folge des Personalmangels. Hier geht es um die Sicherheit der Einsatzkräfte!
Die Umfrage berücksichtigt die Verhältnisse Anfang 2021, wenn wir jetzt noch den Aufgabenzuwachs durch den Klimawandel berücksichtigen, wird es ganz duster. Wie oben bereits erwähnt, rechnen wir durch hohe Gesamttemperaturen, eine erhöhte Zahl an extrem heißen Tagen, Windschwankungen, niedrige Luftfeuchtigkeit und Trockenheit mit einer Zunahme des Brandrisikos insbesondere bei Vegetations- und Waldbränden.
Auswirkungen des Klimawandels
Hitzewellen haben nicht nur schwerwiegende Folgen für die Brandbekämpfung, sie sind auch ein erhebliches Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung; die Hitzewelle von 2003 soll EU-weit 70.000 Tote gefordert haben. Wir können weiterhin mit steigenden Einsatzzahlen im Rettungsdienst rechnen.
Dazu kommen zunehmende Überschwemmungen an den Küsten und im Binnenland, die in den kommenden Jahrzehnten nach Darstellung der EU-Kommission eine der schwerwiegendsten Auswirkungen des Klimawandels in Europa sein wird. Während unter den gegenwärtigen klimatischen Bedingungen durch Überschwemmungen an den Küsten Europas jährlich etwa 102.000 Menschen betroffen sind, wird für ein Szenario mit hoher Erwärmung prognostiziert, dass möglicherweise 1,52 bis 3,65 Millionen Menschen tangiert sein könnten.
Und natürlich hat der Klimawandel auch unmittelbare Auswirkungen auf Gesundheit und Arbeitsbedingungen der Feuerwehrleute und Rettungsdienstler. Die physischen Gefahren von extremem Wetter, wie körperliche Verletzungen bei Stürmen und Überschwemmungen treffen sie ebenso, wie die akuten Auswirkungen der Belastung durch Hitze.
Feuerwehrleute sehen sich steigenden Einsatzzahlen gegenüber, werden neue und vermehrte Anforderungen unter – durch den Klimawandel – verschlechterten Arbeitsbedingungen bewältigen müssen und das in einer Situation des massiven Personalmangels. In einigen Großstädten sind bereits jetzt die Grenzen der Belastbarkeit und der Einsatzfähigkeit erreicht. Uns ist klar, dass die zusätzlichen Herausforderungen des Klimawandels nicht mit zuwenig Personal bewältigt werden können.
Einstellungs- und Ausbildungsoffensive für Feuerwehren
Wir fordern daher eine Einstellungs- und Ausbildungsoffensive:
5000 neue Feuerwehrleute müssen bis 2025 mindestens eingestellt werden, um die jetzigen Aufgaben der Feuerwehr zu meistern. Außerdem braucht es endlich eine bedarfsgerechte Personalplanung auf Basis verbindlicher Brandschutz- und Rettungsdienstpläne. Hierbei müssen die jeweiligen Bedarfe, die sich aus dem Klimawandel ergeben, unbedingt berücksichtigt werden.
Mehr über ver.di erfahren Sie unter www.feuerwehr.verdi.de
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