Das Wheel-of-Mobility dreht sich weiter: Vehicles-on-Demand

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Willi Diez

Institut für Automobilwirtschaft (IFA), Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen

Prof. Dr. Willi Diez (Jahrgang 1953) folgte nach seinem Berufseinstieg bei der Daimler AG dem Ruf an die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU), wo er den Studiengang Automobilwirtschaft aufbaute. Parallel dazu war er bis 1997 persönlicher Berater des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, Helmut Werner. Von 1995 bis April 2018 leitete Diez das von ihm gegründeten Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) und machte es zu einem der führenden Kompetenzzentren der Branche. Der anerkannte Automobil-Experte ist Autor zahlreicher Standardwerke zur Automobilwirtschaft und wird als Mitglied des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg und Mitglied zahlreicher Fachbeiräte von mittelständischen Unternehmen aus der Automobilbranche für seinen Transfer zwischen Forschung und Praxis geschätzt.

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27. März 2019

Mit dem autonomen Fahren einerseits und der Shared Mobility andererseits verändert sich das traditionelle Muster des Autofahrens: Mit dem autonomen Fahren wird der selbstfahrende Fahrzeugbesitzer durch das robotergesteuerte Fahrzeug abgelöst, und mit der Shared Mobility tritt an die Stelle der individuellen und dauerhaften die geteilte und nur mehr temporäre Nutzung eines Autos. Damit wird der Weg frei für eine wirklich disruptive Veränderung automobilbasierter Mobilität: Die Zusammenführung des fahrerlosen automatisierten Fahrens mit der Idee der Shared Mobility führt zum Entstehen eines zweiten Automobilmarktes, nämlich dem der Vehicles-on-Demand.

„Robocabs“ ohne Führerschein oder Parkplatzsuche

Mit dem autonomen Fahren einerseits und der Shared Mobility andererseits verändert sich das traditionelle Muster des Autofahrens

Prof. Dr. Willi Diez

Vehicles-on-Demand (oder auch Mobility-on-Demand) können als eine Form der Automobilnutzung definiert werden, bei der Personen autonom fahrende Automobile („Robocabs“) aus einer gemeinschaftlich organisierten Fahrzeugflotte individuell und temporär durch Zugriff über eine Smartphone-App nutzen. Aus der Sicht eines Nutzers lässt sich das Konzept wie folgt beschreiben: Die User registrieren sich beim Systembetreiber unter Angabe einer digitalen Adresse. Für jeden User wird ein Konto eingerichtet, über das alle Buchungs-, Nutzungs- und Zahlungsvorgänge abgewickelt und dokumentiert werden.

Will User X von A nach B kommen, bucht er über eine App ein Fahrzeug. Er öffnet das Fahrzeug mittels eines Zugangs-Codes, gibt das Fahrziel ein und wird nun vom Fahrzeug an sein gewünschtes Ziel gebracht. Nach Beendigung des Nutzungsvorgangs steht das Fahrzeug einem anderen User zur Verfügung. Liegt aktuell keine Anforderung vor, sucht sich das Fahrzeug selbständig einen Parkplatz. Mittels GPS ist das Fahrzeug für den Systembetreiber jederzeit lokalisierbar. Das Fahrzeug funktioniert voll autonom (Automatisierungsstufe 5) und kann vom Fahrer nicht gesteuert werden. Dieser wird auch als Rückfallebene nicht benötigt. Insofern ist die Nutzung auch für Personen ohne Führerschein möglich.

Ein ÖPNV auf Abruf

Grundsätzlich kann das Vehicle-on-Demand auch von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden. So können über einen intelligenten Buchungsalgorithmus Fahrten – sofern gewünscht – gebündelt werden. Will jemand zwingend allein fahren, kann dies bei der Buchung vermerkt werden. Vehicles-on-Demand sind daher – je nach Sichtweise – eine Konkurrenz oder auch eine Ergänzung des öffentlichen Personenverkehrs. Wesentlich ist dabei, dass Vehicles-on-Demand im Gegensatz zu den heutigen Verkehrsmitteln im ÖPNV individuell abrufbar sind. Das Konzept ermöglicht also eine Individualisierung des öffentlichen Verkehrs.  Gleichzeitig können damit aber auch die Kosten des ÖPNV aufgrund des geringeren Personalaufwands deutlich reduziert werden.

Letztlich liegt dem Konzept der Vehicles-on-Demand also die Idee eines frei „floatenden“ Fuhrparks zugrunde, der aus vollautonom fahrenden Fahrzeugen besteht und dessen Nutzung über die jeweiligen Bedarfe durch die User gesteuert wird. Das Vehicle-on-Demand-Konzept kann daher als ein spezifischer „Use Case“ des autonomen Fahrens angesehen werden.

Wie kann sich Vehicle-on-Demand durchsetzen?

Das Konzept der Vehicles-on-Demand hat das Potenzial, die automobilbasierte Mobilität zu revolutionieren

Prof. Dr. Willi Diez

Wird das Vehicle-on-Demand Realität werden und sich gegenüber anderen Mobilitätsangeboten wirklich durchsetzen können? Neben der technischen Realisierung voll autonomer Fahrzeuge und der Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren hängen die Erfolgschancen des Vehicles-on-Demand Konzeptes vor allem von zwei Faktoren ab: der Nutzerakzeptanz und der politischen Förderung.

Die individuellen Nutzervorteile können durch eine Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen verstärkt werden. Vorteile für den Verkehr bieten Vehicles-on-Demand dadurch, dass damit die Zahl der Fahrzeuge in Ballungszentren reduziert wird. Dies gilt auch für den „ruhenden Verkehr“, also geparkte Fahrzeuge. Weiterhin kann durch das System der Einsatz von stadtverträglichen Fahrzeugen erreicht werden, was die ökologischen Belastungen des ruhenden und fahrenden Verkehrs reduziert. So werden Vehicles-on-Demand in der Regel Elektrofahrzeuge mit kompakten für den Stadtverkehr ausreichenden Fahrzeuglängen sein. Auch die technische Auslegung des Antriebsstranges kann an die Verkehrsverhältnisse in Innenstädten angepasst werden. Zusätzliche betriebswirtschaftliche Vorteile ergeben sich durch die niedrigeren Kosten eines solchen fahrerlosen Systems gegenüber dem ÖPNV. So wäre denkbar, dass sich die Kommunen aus dem Busverkehr, der zumeist defizitär ist, zurückziehen, ohne dass das Verkehrsangebot insbesondere in Zeiten mit niedriger Nutzerfrequenz (z.B. nachts und an Sonn- und Feiertagen) darunter leidet bzw. sich sogar verbessert.

Attraktive Alternative auch für Selbstfahrer

Das Konzept der Vehicles-on-Demand hat das Potenzial, die automobilbasierte Mobilität zu revolutionieren. Das gilt insbesondere für den Verkehr in urbanen Räumen. Angesichts des zunehmend überlasteten Verkehrs in Ballungszentren und der damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen ist wahrscheinlich, dass nicht nur die heutigen Nutzer des ÖPNV sondern auch Selbstfahrer nach und nach die Vorzüge eines solchen Systems erkennen. Neben den Kostenvorteilen ist dies vor allem die Möglichkeit, während der Fahrt durch die Stadt anderen Tätigkeiten nachzugehen oder sich zu entspannen. Klar ist, dass auch ein solches System einen entsprechenden Rechtsrahmen sowie die notwendigen infrastrukturellen Voraussetzungen benötigt. Sind diese gegeben, könnten Vehicles-on Demand schon bald zum gewohnten Straßenbild in den Städten gehören.

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  1. Friedrich Gelbhof

    vor 2 Jahren

    Wie man an bereits heute genutzter Shared Mobility sehen kann, bekommt man oftmals ein verdrecktes Auto in dem es nach Zigaretten oder sonstwas riecht. Ganz wie im öffentlichen Raum, der ebenfalls mit Coffe-to-Go Bechern etc. gern vermüllt wird.

  2. Robert Kelm

    vor 6 Jahren

    Grundsätzlich ein Super Konzept. Probleme sehe ich vor allem bei Personen, die das motorisierte Fahren als Hobby betrachten oder ein Prestige damit verbinden. Auch Einsatzfahrzeuge von Handwerkern, Polizei, Rettungskräften und technischer Servicefirmen lassen sich aus meiner Sicht nur schwer in ein vollständig autonom fahrendes System einbinden. Derweil lässt sich meiner Ansicht nach der Letzten durchaus zum größten Teil vollautonom gestalten.

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