Anpassung an Klimawandel erfordert auch unpopuläre Maßnahmen

Gastautor Portrait

Anja Käfer-Rohrbach

Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)

Anja Käfer-Rohrbach ist seit dem 1. September 2021 Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV). Nach dem Abitur studierte Frau Käfer-Rohrbach Politikwissenschaften, Völkerrecht und neue deutsche Literaturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nachdem sie als Redakteurin für die Verlagsgruppe Münchner Merkur tätig war, übernahm Frau Käfer-Rohrbach 2002 die Büroleitung des damaligen CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Fahrenschon. Im Anschluss an ihre Tätigkeit im Deutschen Bundestag wechselte sie als Büroleiterin des geschäftsführenden Vorstands zum Bundesverband deutscher Banken. Von Ende 2008 bis 2015 war Frau Käfer-Rohrbach als Senior Public Affairs Manager für die Commerzbank AG tätig. Anfang 2016 wechselte sie zur Deutschen Bank Group und war dort zunächst als Head of Public Affairs für die Deutsche Postbank AG tätig und baute hier die Unternehmensrepräsentanz für Berlin und Brüssel auf. Im Jahr 2019 war sie zunächst als Head of Government and Public Affairs Private and Commercial Clients für die Deutsche Bank AG tätig, ehe sie anschließend zur Aareal Bank Group wechselte und dort als Head of Global Governmental Affairs die globale politische und regulatorische Kommunikation leitete. Vor ihrem Wechsel zum Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft 2021 verantwortete sie ab Jahresbeginn interimistisch den Executive-Bereich Group Communications der Aareal Bank Group. Anja Käfer-Rohrbach ist Vorständin im Deutschen Kuratorium für Sicherheit in Heim und Freizeit e.V. (DSH), Vorständin beim Deutschen Verkehrsgerichtstag – Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft e.V., Aufsichtsrätin der GDV-Dienstleistungs-GmbH, Beirätin der EXTREMUS Versicherungs-AG sowie Beirätin der Hamburger Gesellschaft zur Förderung des Versicherungswesens mbH.

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17. Mai 2023

Dürre, Hochwasser, Starkregen – die Folgen des Klimawandels sind mittlerweile deutlich erkennbar, und sie sind dramatisch: Die Flusspegel sinken, überall fehlt es an Wasser, Waldbrände greifen nach langen Dürreperioden um sich. Gleichzeitig bedrohen nach langen Trockenperioden starke Niederschläge die Infrastruktur und Gebäude, wenn die Wassermassen nicht in den Boden einsickern und Flüsse über die Ufer treten. Vor allem die Flut an Ahr und Erft hat tiefe Spuren bei den Betroffenen hinterlassen, menschlich und materiell. Zugleich war sie für die Versicherer mit 8,5 Milliarden Euro Schaden und 213.000 Schäden die größte Naturkatastrophe in Deutschland.

Der Klimawandel zeigt sich in seinen extremen Ausprägungen längst auch bei uns. Als Gesellschaft müssen wir uns dieser Tatsache stellen. Wir müssen einerseits alles unternehmen, um ein weiteres Voranschreiten der Klimaveränderungen zu bremsen und abzumildern. Wir müssen aber gleichzeitig uns, unsere Infrastruktur und unsere Gebäude an die bereits vorhandenen Klimaveränderungen anpassen.

Als Versicherungswirtschaft setzen wir uns schon seit langem mit diesem Thema auseinander. Wir sehen das Leid, die Schäden und ihre verheerenden Kosten für die Gesellschaft. Deswegen stellt sich eine grundsätzliche Frage, die wir als Gesellschaft gemeinsam mit Politik und Wirtschaft beantworten müssen: Wie können wir in Zukunft mit Naturkatastrophen umgehen?

Resilienz und Prävention gegen Naturereignisse

Vielerorts wird allerdings geplant und gebaut, als ob es den Klimawandel und seine Folgen nicht gäbe. Deutliche Konsequenzen in Flächennutzung und Bauplanung gab es trotz milliardenschwerer Schäden nicht [...]

Anja Käfer-Rohrbach

Ein Thema, das dabei eine große Rolle spielt: Resilienz. Wie können Kommunen, Bauwirtschaft und Landwirtschaft widerstandsfähiger in Bezug auf künftige Naturereignisse werden? Es geht darum, künftig deutlich weniger Flächen zu versiegeln. Es geht um einen verbesserten Schutz gegen Hochwasser und Starkregenereignisse. Hier ist jeder Einzelne gefordert, Prävention zu betreiben. Hier ist aber auch die Politik gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen setzen.

Vor allem dann, wenn man sich eingesteht, dass wir uns erst am Beginn des Klimawandels befinden. Niemand kann derzeit sicher voraussagen, wie sich die Schäden durch Naturgefahren über die kommenden Jahrzehnte in Intensität, Frequenz und räumlicher Verteilung entwickeln werden. Umso wichtiger, dass jetzt gehandelt wird.

Der singuläre Ruf der Politik nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden reicht hier nicht aus. Im Gegenteil: er ist sogar schädlich, da er den Fokus auf den falschen Teil des Problems legt. Richtig ist, dass derzeit in Deutschland nur knapp über 50 Prozent der privaten Wohngebäude gegen Elementarschäden wie etwa durch Starkregen versichert sind. Auch ich finde diese Quote zu niedrig.

Versicherungsschutz trifft jedoch auf eine Natur, die zunehmend aus dem Takt gerät. 2022 war ein überdurchschnittliches Dürre- und Hitzejahr. Es gab Rekordtemperaturen von bis zu 40 Grad Celsius und mehr heiße Tage über 30 Grad als im Gesamtjahresdurchschnitt der vergangenen zehn Jahre.

Wir müssen daher Strategien entwickeln, um Menschen, Sachwerte und Infrastruktur langfristig zu schützen. Klimafolgenanpassung ist keine abstrakte Aufgabe internationaler Konferenzen mehr, sondern sie ist ein realistisches Szenario geworden. Versicherungsschutz bleibt dabei wichtig. Versicherungsschutz alleine reicht aber bei weitem nicht aus, um unsere Gesellschaft vor zunehmenden Naturkatastrophen zu schützen. Prävention und Klimafolgenanpassung sind daher unabdingbar!

Vielerorts wird allerdings geplant und gebaut, als ob es den Klimawandel und seine Folgen nicht gäbe. Deutliche Konsequenzen in Flächennutzung und Bauplanung gab es trotz milliardenschwerer Schäden nicht: Ob das die großflächigen Fluten 2002 und 2013 waren oder lokale Hochwasser wie 2014 in Münster und 2016 in Simbach und Braunsbach. Auch nach der Katastrophe im Ahrtal werden jetzt bis auf 34 Häuser alle Gebäude am ursprünglichen Standort – und ohne präventive Auflagen – wieder errichtet. So legen wir den Grundstein für die nächste Katastrophe.

Unpopuläre Maßnahmen zur Anpassung an Klimawandel

Ja, die Anpassung an die Folgen des Klimawandels erfordert Maßnahmen, die auch unpopulär sein können. In exponierten Gebieten können Grundstücke an Wert verlieren, die Flächenentwicklung der Gemeinden kann begrenzt bzw. müssen Planungen teilweise aufgegeben werden. Und vielleicht fürchten Verantwortliche auch die Gefahr von Regress und Haftung, wenn transparent wird, welche Gefahren für Leib, Leben und Sachwerte den Menschen an exponierten Lagen und riskanten Siedlungsstandorten tatsächlich drohen. Das ist aber keine Entschuldigung für weitreichendes Nicht-Handeln.

Um weiterer Flächenversiegelung vorzubeugen, sollte bei Baugenehmigungen immer eine verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilung erfolgen. Dabei kann es auch dazu kommen, dass in exponierten Gebieten auch mal ein Bauverbot erfolgen muss bzw. kein Neubaugebiet in einer Hochrisikozone ausgewiesen wird.

In diesen Punkten müssen wir schneller, besser und vor allem konsequenter werden. In der Pflicht sind hier die politischen Akteure. Jedes Jahr werden bis zu 2.000 neue Gebäude in amtlich ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten genehmigt. Das kann nicht so weiter gehen. Versicherung ist hier kein Substitut für Prävention und Klimafolgenanpassung. Eine Versicherung verhindert auch keinen Schaden. Bauen und planen wir so weiter wie bisher, wird der Versicherungsschutz zunehmend teurer und droht mancherorts vielleicht unbezahlbar zu werden.

Befürworter einer singulären Versicherungspflicht für Elementarschäden sind bis heute eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie ein Pflichtversicherungssystem mittel- und langfristig funktionsfähig und für die Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleibt.

Möglichkeiten zur Selbstinitiative

Wer neu baut, sollte Baumaterialien verwenden, die Naturkatastrophen standhalten und sich leicht trocknen lassen.

Anja Käfer-Rohrbach

Natürlich kann und muss auch jede und jeder einzelne schon heute etwas tun, ohne auf die Politik zu warten. Für mich beginnt Prävention damit, dass Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer wissen, in welcher Gefahrenzone ihr Haus steht. Nur dann ist es möglich, mit entsprechenden Maßnahmen das Haus vor Starkregen oder Überschwemmung zu schützen. Hier gibt es bereits Möglichkeiten, sich zu informieren.

Darauf aufbauend kann man sein Gebäude und seinen Hausrat vor Starkregen und Überflutungen oftmals mit einfachen Mitteln schützen bzw. die Folgen minimieren. Gebäude sollten beispielsweise mit Rückstauklappen und druckwasserdichten Fenstern ausgerüstet sein, Keller- und Hauseingänge mit Aufkantungen geschützt werden. Wer neu baut, sollte Baumaterialien verwenden, die Naturkatastrophen standhalten und sich leicht trocknen lassen. Begrünte Dächer und Fassaden speichern bis zu 80 Prozent Regenwasser und verdunsten es langsam wieder. Zudem mindern sie an heißen Tagen die Hitze. Auch bestehende Häuser lassen sich nachrüsten.

Lassen Sie uns anfangen. Hier und jetzt. Die Natur wartet nicht auf unsere Entscheidungen. Den Klimawandel können wir zwar nicht mehr völlig verhindern, aber Schäden vermeiden oder mindern.

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