Nachhaltige Digitalisierung: energieeffiziente Lösungen in Rechenzentren

Gastautor Portrait

Dr. Jens Struckmeier

Gründer und CTO Cloud&Heat Technologies GmbH

Dr. Jens Struckmeier ist ein erfolgreicher Physiker, Erfinder und Unternehmer aus Deutschland. 2009 begann er damit, Wasserkühllösungen für Rechenzentren zu entwickeln, was zur Gründung des Green-IT-Startups Cloud&Heat Technologies führte. Seitdem ist die Vision des Dresdner Unternehmens, Nachhaltigkeit zum Treiber digitaler Innovation zu machen. Cloud&Heat entwickelt, baut und betreibt energieeffiziente, sichere und skalierbare, Rechenzentren, die den wachsenden Anforderungen der digitalen Zukunft gerecht werden.

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10. Mai 2021

Der Bedarf an Rechenleistung für digitale Anwendungen wächst

Entwicklung des Energiebedarfs der Rechenzentren in Deutschland 2010 bis 2020

Quelle: Borderstep Institut 2020

Digitale Anwendungen wie Videostreaming oder Videokonferenzen sind besonders in Zeiten der Pandemie nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Mit immer mehr digitalen Anwendungen steigt der Bedarf nach digitalen Infrastrukturen und demnach auch der Energiebedarf für Rechenzentren. Die Administration solcher Dienste erfolgt zum großen Teil nicht mehr beim Anwender auf dem eigenen Rechner, sondern wird in die Cloud ausgelagert. Um solche Dienste anzubieten, werden weltweit kleine bis große Rechenzentren betrieben, in rasantem Tempo erweitert und neu gebaut. Rechenzentren tragen mit einem stark  wachsenden Anteil zum weltweiten Energieverbrauch bei. In Frankfurt am Main, dem –  aufgrund des dort ansässigen Internetknotens – Hotspot für Rechenzentren in Europa, werden fast 20% des für die Stadt erzeugten Stroms in den  Rechenzentren verbraucht. In Deutschland stieg der Energiebedarf von Rechenzentren allein im letzten Jahr um 1 Mrd. kWh auf 16 Mrd. kWh – trotz oder vielleicht sogar wegen der Pandemie?

Effizienz in Rechenzentren

Strom verbraucht allerdings nicht nur die Rechentechnik selbst. In den Servern wird die Elektroenergie vollständig in Wärme umgewandelt. Am Heimcomputer zu Hause mag das vernachlässigbar sein, in Rechenzentren ist die Kühlung einer der zentralen Faktoren zur Verbesserung der Energieeffizienz. Um die Effizienz eines Rechenzentrums zu beschreiben, wird die Kennzahl Power Usage Effectiveness (PUE) verwendet. Diese gibt das Verhältnis aus dem Gesamtjahresverbrauch des Rechenzentrums zum Stromverbrauch der reinen Servertechnik an. Der Optimalwert von 1 würde erreicht, wenn keine Energie für die Peripherie benötigt würde. Aktuell liegt der PUE durchschnittlich in deutschen Rechenzentren allerdings bei 1,63. Für die Kühlung werden dabei ca. 22 % der gesamten Energie aufgewendet. In den allermeisten Fällen wird den Servern dabei kalte Luft zugeführt, welche dann mit Außenluft oder bei hohen Außentemperaturen mittels Kältemaschinen rückgekühlt wird. V.a. der reduzierte Einsatz von Kältemaschinen bietet viel Potential zur Verbesserung der energetischen Effizienz im Betrieb von IT-Systemen.

Nachhaltigkeit in der Rechenzentrumsbranche

Die Senkung des Stromverbrauchs ist nicht die einzige Maßnahme, um die Energieeffizienz zu erhöhen und die CO2-Emissionen zu senken. Die entstehende Abwärme kann zu verschiedenen Zwecken nachgenutzt werden. In Schweden ist man damit Vorreiter, aber auch Frankfurt hat feste Pläne, die Abwärme bestehender und neuer Rechenzentren in das Fernwärmenetz der Stadt einzuspeisen. Beispielsweise kam das Projekt DC-Heat (Data Center Heat Exchange with AI Technologies) zum Ergebnis, dass mit der Abwärme der angesiedelten Rechenzentren in Frankfurt bis 2030 der gesamte Wärmebedarf von Privathaushalten und Bürogebäuden gedeckt werden könnte.

Energieeffiziente Lösungen in der Praxis

Einen ganzheitlichen Ansatz zur Verbesserung der Klimabilanz von Rechenzentren hat das Dresdner Unternehmen Cloud&Heat. Durch den Einsatz einer innovativen Direkt-Heißwasserkühlung statt Luftkühlung für Rechenzentren ermöglicht das Green-IT-Unternehmen bereits in der Kältezuführung große Energieeinsparungen und darüber hinaus eine Nachnutzung der entstehenden Abwärme. Diese wird an einen Wasserkreislauf abgegeben, welcher durch direkt auf den Serverkomponenten angebrachten Kühlkörper fließt. Das Temperaturniveau kann so auf bis zu 60 Grad Celsius gebracht werden, womit keine Kältemaschinen zur Rückkühlung gegen Außenluft mehr benötigt werden oder sogar Heizkreisläufe gespeist werden können.

Wie gut das Prinzip in der Praxis funktioniert, zeigt das Rechenzentrum im Eurotheum in der Frankfurter Innenstadt: Die mit Ökostrom versorgte Anlage stellt v.a. Kunden im deutschen Mittelstand Cloudleistung zur Verfügung und versorgt gleichzeitig die Gastronomie und die Hotellerie in dem 111-Meter-Hochhaus mit Abwärme der wassergekühlten Server.

Cloud&Heat ist Gründungs-Mitglied der franco-deutschen Initiative GAIA-X, welches sich zum Ziel gesetzt hat, eine sichere und transparente digitale Infrastruktur für Europa aufzubauen. Nutzer von Anwendungen sollen nachvollziehen können, wo und wie ihre Daten gespeichert und verarbeitet werden, und z.B. auch welchen CO2-Fußabdruck ihre Anwendung verursacht.

Politik und Gesellschaft erkennen langsam das Potential

Es zeigt sich, dass durch die Sektorenkopplung die Komplexität der Planung steigt und die Abstimmung der unterschiedlichen Partner [...] aufwendiger wird.

Dr. Jens Struckmeier

Bereits 2016 hat das Umweltbundesamt einen Leitfaden zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung für Produkte und Dienstleistungen für Rechenzentren und Serverräume veröffentlicht. Mit den 17 Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen und dem Green Deal setzt sich die Politik verstärkt mit dem steigenden Energieverbrauch durch den Ausbau von Rechenzentren und dem Aufbau effizienter Cloud-Services auseinander.

Cloud&Heat betreibt seit 2011 ganzheitlich konzipierte Cloud-Rechenzentren mit energieeffizienter Kühlung und Abwärmenutzung. Es zeigt sich, dass durch die Sektorenkopplung die Komplexität der Planung steigt und die Abstimmung der unterschiedlichen Partner wie IT-Kunden, Stromversorger und Gebäudetechnikern aufwendiger wird. Marktanreize wie Zuschüsse zu jeder durch Rechenzentren genierten MWh Wärme könnten dazu führen, dass jedes Ballungszentrum nicht nur Stromverbraucher, sondern gleichzeitig Erzeuger von grüner Wärme ist. Dies würde den Standort Deutschland, dessen hohe Strompreise oft als Standortnachteil für Rechenzentren wahrgenommen werden, deutlich attraktiver machen.

Cloud&Heat sieht im Green Deal nicht nur die Chance auf einen nachhaltigen Wandel für deutsche und europäische Rechenzentren, sondern dass zudem  wichtige Schritte für die Schaffung von digitaler Souveränität eingeleitet werden.

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