Wie wir durch Kreislaufwirtschaft unsere Rohstoffabhängigkeit verringern können

Gastautor Portrait

Peter Kurth

Geschäftsführender Präsident des BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V.

Peter Kurth wurde am 5. April 1960 in Siegburg geboren. Er studierte Rechts- und Politikwissenschaften in Bonn und in Freiburg/Breisgau. Nach einem Referendariat in Berlin als Beisitzer von 1985 bis 1988 war Herr Kurth für verschiedene Tätigkeiten im Bereich der Sozial- und Betriebswirtschaftslehre im Land Berlin tätig. Von 1994 bis 1999 war er als Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Finanzen tätig und von 1999 bis 2001 Senator in derselben Senatsverwaltung. Von 2001 bis 2006 war er Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und von 2001 bis 2009 Mitglied des Vorstands der ALBA AG. Seit Oktober 2009 ist er Geschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft. Von Februar 2011 bis Juni 2014 und erneut von 2020 bis 2022 war er Präsident der FEAD, der Europäische Föderation der Entsorgungswirtschaft in Europa. Seit November 2012 ist er Mitglied des Lenkungsausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

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28. Februar 2023
Mr. Kosal/Shutterstock.com

Rohstoffunabhängigkeit durch Kreislaufwirtschaft

Der Ukrainekrieg, die zunehmenden geopolitischen Spannungen und die weltweiten Lieferengpässe führen uns spätestens seit dem russischen Überfall am 24. Februar 2022 drastisch vor Augen, in welchem Maße Deutschland von Rohstoffimporten abhängig ist.

Als Land mit nur wenigen natürlichen Rohstoffen ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt gerade bei zahlreichen Schlüsseltechnologien auf eine konstante und verlässliche Versorgung mit wichtigen Rohstoffen angewiesen. Störungen dieser Belieferung gefährden nicht nur die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft, sondern auch wichtige und notwendige Investitionen. Der Wirtschaftsstandort Deutschland, der seit Jahrzehnten den Wohlstand sichert, gerät insgesamt unter Druck.

Eine Voraussetzung für die Sicherstellung der Industrieproduktion „made in Germany“ ist die Versorgung mit Rohstoffen, die sich auf drei verschiedene Arten gewinnen lassen: aus dem eigenen Boden, aus anderen Ländern oder aus dem Recycling.

Gewinnung von heimischen Rohstoffen

Einige kritische Rohstoffe wie Kobalt, Wolfram oder Lithium kommen zwar in Deutschland vor, werden aber noch nicht abgebaut. Die Gewinnung dieser Materialien würde zwar kurzfristig die Abhängigkeit von Importen verringern, eine längerfristige Versorgung anhand dieser heimischen Vorkommen ist aber aufgrund der begrenzten Verfügbarkeiten und bei den bisherigen Rahmenbedingungen unzureichend.

Rohstoffe aus dem Ausland

Um Deutschland resilienter bei der Versorgung mit strategischen Rohstoffen zu machen, benötigen wir eine stärkere Diversifizierung entlang der Lieferketten.

Peter Kurth

Mit Rohstoffimporten hat Deutschland jahrzehntelange Erfahrung. 39 von 46 der als strategisch wichtig eingestuften Rohstoffe gewinnt unser Land durch Einfuhren.
Die hohe Abhängigkeit von einzelnen Ländern, etwa bei der Versorgung mit Seltenen Erden aus China oder beim Import von Lithium aus Lateinamerika kann die Produktionsabläufe in Deutschland selbst bei geringsten Störungen in den Lieferländern empfindlich beeinflussen.
Welche Auswirkungen eine zu geringe Diversifizierung beim Import von Rohstoffen haben kann, hat uns nicht zuletzt die jüngst vollzogene und teuer erkaufte Unabhängigkeit von russischem Gas gezeigt.
Um Deutschland resilienter bei der Versorgung mit strategischen Rohstoffen zu machen, benötigen wir eine stärkere Diversifizierung entlang der Lieferketten. Das Ziel ist klar: wir müssen die Abhängigkeiten von einzelnen Staaten bei der Rohstoffversorgung reduzieren. Ebenfalls problematisch sind die Arbeits- und Umweltschutzbedingungen, unter denen etwa Bor oder Seltene Erden gefördert werden.

Rohstoffgewinnung durch Kreislaufwirtschaft

Zur Wahrheit gehört, dass der Abbau von Primärrohstoffen oft mit einem empfindlichen Eingriff in ein bestehendes Ökosystem einhergeht. Er ist, ebenso wie der Transport, energieintensiv und hinterlässt einen hohen CO2-Fußabdruck.

Für eine Tonne Aluminium wird in der Primärproduktion knapp 15.000 k/wh Energie benötigt. Im Recycling liegt die Energieeinsparung bei bis zu 96 Prozent. Die Einsparung bei Kupfer kann bis zu 85 Prozent und beim Einsatz von recyceltem Stahl bis 73 Prozent betragen. Recyclingrohstoffe ersetzen bereits heute Rohstoffimporte im Wert von 8.4 Milliarden Euro. Durch den Einsatz von Recyclingmaterial werden jährlich 100 TWh eingespart, was einem Stromverbrauch von rund 32 Millionen Privathaushalten in Deutschland entspricht.

Für die Gewinnung von Recyclingrohstoffen bedarf es aber entsprechender politischer Rahmenbedingungen, damit sich die Gewinnung nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen lohnt.

Rahmenbedingungen

Sharing-Modelle, Product-as-a-service und kreislauffreundliches Produktdesign sind wichtig, um ohne Wohlstandsverluste das Wirtschaften innerhalb der planetaren Gren­zen erleichtern zu können.

Peter Kurth

Hier ist die Politik auf nationaler, aber vor allem auch europäischer Ebene gefragt, die richtigen Weichen zu stellen. Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft, seine Mitgliedsunternehmen und Partner aus Verbänden und NGOs haben deshalb in den letzten Monat intensiv praxisnahe Vorschläge für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft erarbeitet.

Das Ergebnis: unsere Vorstellung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie für Deutschland mit acht Kernbotschaften und insgesamt 35 konkreten Forderungen, die neue Impulse für mehr Kreislaufwirtschaft setzen kann.

Die Mengen und Qualität der Rohstoffe, die aus Abfällen gewonnen werden, hängen maßgeblich von der Stoffstromklarheit ab. Hier kann eine bessere Getrenntsammlung erhebliche Verbesserungspotentiale erreichen.

Damit das Schließen der Kreisläufe besser gelingt , sollten im Rahmen erhöhter Produzentenverantwortung für ausgewählte Stoffströme gemeinsam mit Produzenten geeignete Rücknahmesysteme eingerichtet bzw. ausgebaut werden.

Die heute noch verbreiteten Abfallgemische können durch effektive Getrenntsammlung zu einer Stoffstromklarheit führen, die die Recyclingfähigkeit der Materialien und damit die Rohstoffverfügbarkeit drastisch erhöht. Nicht zuletzt können finanzielle Anreize regulatorisch wirkungsvoll ein.

Rohstoffe aus Recyclingprozessen können in Deutschland benötigte Primärmaterialien aber nicht vollständig ersetzen. Der gesamte Rohstoffbedarf Deutschlands liegt jährlich bei mehr als 1,7 Milliarden Tonnen (inkl. der Produktion von Exportgütern). Dem gegenüber steht ein Abfallaufkommen von ca. 420 Millionen Tonnen pro Jahr. Deswegen geht es auch um andere Formen des Produzierens und Konsumierens in unserem Land.

Sharing-Modelle, Product-as-a-service und kreislauffreundliches Produktdesign sind wichtig, um ohne Wohlstandsverluste das Wirtschaften innerhalb der planetaren Gren­zen erleichtern zu können.

Fazit

Um mehr Unabhängigkeit bei der Rohstoffversorgung zu erreichen, gibt es verschiedene Stellschrauben. Zum einen können wir unsere eigenen Rohstoffe besser erschließen, zum anderen sollte der Import von Rohstoffen breiter aufgestellt und über Rohstoffpartnerschaften diversifiziert werden.
Ein weiterer zentraler Baustein für die Rohstoffversorgung ist die Kreislaufwirtschaft, die zwar nicht unseren Rohstoffbedarf vollständig decken wird, jedoch mit den richtigen Rahmenbedingungen in einem erheblichen Maß für mehr Unabhängigkeit bei der Rohstoffversorgung sorgen kann. Nur durch eine funktionierende Kreislaufwirtschaft wird es Deutschland gelingen, Klimaziele zu erreichen und trotzdem Wirtschaftsstandort zu bleiben.

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