Die dekarbonisierte Energiewelt ist darauf angewiesen, dass ab einer bestimmten Ausbaustufe Energiespeicher effizient und kostengünstig in das neue System eingebunden werden. Nach einer mehrjährigen Debatte gehört diese Erkenntnis in der Energiewirtschaft zur Allgemeinbildung. Als bildungsresistent erweisen sich einmal mehr jene Spezialisten, die die Gesetzestexte schreiben. Was ist ein Großspeicher? Der Gesetzgeber hielt es bis jetzt nicht für notwendig, diese für die weitere Entwicklung so zentrale Frage im Energiewirtschaftsgesetz zu regeln. Auch in der aktuellen Novelle des EEG werden Energiespeicher eher stiefmütterlich behandelt.
Obwohl die Strombank funktioniert, wird sie nicht realisiert
Was ein Großspeicher kann und wie er sich so steuern lässt, dass er seinen direkten Nutzern die Freude optimiert und das System stabilisiert, das wollte eine Projektgruppe unter der Führung der MVV Energie heraus bekommen. Das Forschungsprojekt „Strombank“ hat sich darüber hinaus auch der Frage gewidmet, wie ein Großspeicher für zahlreiche Prosumer – Nutzer, die sowohl Strom produzieren als auch konsumieren – Vertrauen und Zustimmung erhält. Das preisgekrönte Objekt (1. Preis beim Euroforum Stadtwerke-Award 2016) brachte vielerlei neue Erkenntnisse. Gefördert vom Umweltministerium Baden-Württemberg, unter der Trägerschaft der MVV Energie AG und in Kooperation mit dem Institut für Photovoltaik (IPV der Uni Stuttgart) und anderen wurde seit 2014 ein Quartierspeicher betrieben. Die angewandte Forschung am Betrieb eines 100 kWh Lithium-Ionen-Batteriespeicher über die effiziente Nutzung von Strom aus lokaler Erzeugung wird zunächst folgenlos bleiben. Robert Thomann, Projektleiter der MVV, erläuterte vor Bloggern aus der Energieszene anlässlich einer Tour der SmartGridsBW, dass ein Präqualifikationsantrag für Sekundärregelleistung eingereicht wurde, das Projekt aber über den Forschungscharakter hinaus keine Zukunft haben werde. Es scheitere an den regulatorischen Voraussetzungen.
Weil der Gesetzgeber es bis heute versäumte (?) zu definieren, was Energiespeicher sind, werden Großspeicher wie Letztverbraucher behandelt, wenn sie Strom laden, und als Stromproduzenten, wenn sie die gespeicherte Energie wieder abgeben. Für den Letztverbrauch sind derzeit folgende Entgelte zu entrichten:
- EEG-Umlage
- Stromsteuer
- KWK-Umlage
- §19-Umlage
- Konzessionsabgabe und
- Offshore-Haftungsumlage
Insgesamt können für den Strom bei der Speicherung über 11 Cent an Abgaben fällig werden. Bei der Ausspeicherung ins Netz fallen keine Gebühren und Abgaben an. Die sind aber wieder von den eigentlichen Verbrauchern dieses Stroms zu zahlen, so dass der Strom mit einer Steuern- und Gebührenlast in der Größenordnung von 22 Cent/Kwh beim Letztverbraucher ankommt. Und das alles nur, weil der Gesetzgeber es unterlässt, neben Verbrauchern und Erzeugern auch Großspeichern eine Rolle im Energiesystem zuzuweisen.
Großspeicher ohne gesetzliche Grundlage
Auch das neue, so eben verabschiedete EEG beseitigt diesen Missstand nicht. Speicher werden im EEG weiterhin als schizophren behandelt – sie sind mangels Definition sowohl Erzeuger als auch Verbraucher. Aber es gibt einen kleinen Fortschritt: Die Bundesregierung beendet bei der EEG-Umlage das Problem der Doppelbelastung von ein- und ausgespeichertem Strom. Erhalten bleibt die Doppelbelastung aber bei kleinen Speicheranlagen mit einer Leistung unter zehn Kilowatt oder Bestandsanlagen, bei denen der ausgespeicherte Strom nicht der EEG-Umlage-Pflicht unterworfen ist. „Die Mission, verschiedene Speicherkonzepte gleichzustellen und die Doppelbelastung auch für dezentrale Lösungen zu beenden, ist also mit der Neuregelung noch nicht erfüllt.“
Was ist ein Energiespeicher, was ist ein Großspeicher? Eine Vielzahl von Techniken steht in Konkurrenz, die zentrale Aufgabe der Energiewende, das Speichern, zu lösen. Erprobt werden unterschiedliche Speicherkonzepte. Ob persönliches Autarkiebestreben im Privathaushalt oder im Gewerbe, Mieterstrominitiative, Quartierskonzept wie bei der Strombank oder der Einsatz von Großspeichern, die sich durch Erbringung von Netzdienstleistungen und Bereitstellung von Primärregelenergie refinanzieren: Sie alle brauchen eine gesetzliche Grundlage, die ihnen einen diskriminierungsfreien Betrieb frei von absurden Doppelbelastungen ermöglicht. Offenbar fehlt dem Gesetzgeber derzeit die Kraft, solche Basics der dekarbonisierten Zukunft zu regeln. Vielleicht helfen die Sommerferien, die Energiespeicher der Abgeordneten abgabenfrei (!!) wieder zu befüllen.
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Lesetipp: Der Chefreporter der Tageszeitung hat einen Tag lang den CEO der EnBW, Frank Mastiaux, begleitet. Entstanden ist eine höchst informative und unterhaltsame Reportage über einen modernen Unternehmenslenker und seine Aufgabe, die Energiewende.
David Bruchmann
vor 8 JahrenNeue Stromtrassen werden dem Artikel zufolge ausschließlich für direkt zu verbrauchenden Ökostrom oder (Braun)Kohlestrom errichtet.
Vielleicht geht sonst nach Meinung der Regierung die Kohleindustrie zu schnell pleite ...
Windmüller
vor 8 JahrenEin gut gemachter Artikel, der mal wieder zeigt, dass man die Energiewende absichtlich schwer macht. Es wäre ja schon ein Fortschritt, wenn Stromverbrauch und Stromerzeugung durch smart metering besser aufeinander abgeglichen würden. Eine Wärmepumpe oder das Aufladen eines E Auto kann man auch dann bewerkstelligen, wenn viel Ökostrom im Netz ist, oder aber in lastschwachen Zeiten. Strom direkt nutzen ist ja nunmal einfacher, als aufwendig zu speichern.
So - und nun macht auch ein "Windmüller" mal Urlaub. Mit der Familie werden wir ganz entspannt und klimaschonend 600 Kilometer mit dem Fahrrad von München nach Venedig radeln ( Radweg "der lange Weg der Dolomiten )