Es war in mehrfacher Hinsicht eine Premiere: Erstmalig bestand die Runde der Fachleute ausschließlich aus Frauen. Und noch nie vorher fand die Veranstaltung in Dresden statt. Neu war auch, dass der Veranstaltungsort, die Hochspannungshalle der TU Dresden, bestens zum Thema „Das Potenzial der Energiespeicher“ passte.
Das Potenzial der Energiespeicher richtig einschätzen
Eine Kontroverse auf dem Podium gab es nicht. Der Moderator des Abends, Thomas Bade, war klug genug, sie nicht zu suchen. Die Energieexpertinnen waren sich in den zentralen Punkten einig. Gemeinsam teilen sie die Überzeugung, dass…
- …Klimaschutz nach wie vor das Gebot der Stunde ist. Daher sollten wir möglichst bald aus der fossilen Wirtschaft aussteigen.
- …die großen technischen Herausforderungen für eine erfolgreiche Energiewende gelöst sind. Es komme jetzt darauf an, die Transformation zu beschleunigen. Die Herausforderungen lägen eher auf gesellschaftlicher Ebene.
- …Speicher zentrale Funktionen übernehmen müssen, damit der Übergang zu 100 Prozent erneuerbare Energien ebenso funktioniert wie in zwei Jahrzehnten eine CO2 -freie Energiewirtschaft.
In öffentlichen Diskussionen würde allerdings das Potenzial der Energiespeicher häufig falsch eingeschätzt. Beim Stand der Transformation mit einem Anteil von 40 – 60 Prozent erneuerbaren Energien in der Versorgung könnten Solar- und Windenergie noch keinen Beitrag zum Backup leisten. Derzeit falle den Speichern vor allem die Aufgabe zu, einen Beitrag zur Netzstabilität zu leisten. Erst bei einem weiteren Ausbau würde phasenweise ein so großer Überschuss im Angebot auftreten, so dass es sich mehr und mehr lohne, diesen Strom zu speichern. Dank der Neudefinition der Speicher, die der Bundestag am 1. Juni beschlossen hatte, seien nun auch die Regulierungshemmnisse beseitigt und das Potenzial der Energiespeicher könne sich im Markt entfalten.
Die doppelte Energiekrise mit exorbitant steigenden Preisen, hervorgerufen durch den Krieg in der Ukraine und den Ausfall zahlreicher Atomreaktoren in Frankreich, habe zusätzlich die Entwicklung beschleunigt. Der Markt boome in allen Segmenten – bei den privaten Heimspeichern, im Gewerbe und der Industrie (siehe dazu unsere Übersicht). Die Investition in Speicher lohne sich mehr denn je.
Wissenschaftlich geschulter Blick aus drei Perspektiven
Der Mangel an konträren Positionen auf dem Podium schmälerte nicht den Unterhaltungswert der Veranstaltung. Im Gegenteil. Die Diskutantinnen schauen aus unterschiedlicher Perspektive auf die Herausforderungen und lieferten so dem aufmerksamen Publikum ein umfassendes Bild des Standes der Energiewende und ihres weiteren Fortgangs.
Dr. Constanze Adolf, Senior Partnerin bei Christ & Company Consulting GmbH, hat dank ihrer europäisch geprägten Berufserfahrung einen guten Überblick, welche unterschiedlichen Lösungen in den Staaten zum Einsatz kommen. Aus ihrer Forschung an Stahlwärmespeichern ist sie vertraut mit dem Wärmemarkt, wo der Anteil regenerativer Systeme lediglich 16,5% ausmacht und der Nachholbedarf entsprechend groß ist. Statt Wind- und Solaranlagen abzuregeln, würde der Strom hier eine sinnvolle Verwendung finden.
Dr. Julia Badeda, Head of Department Hybrid and Battery Storage Systems bei der ABO Wind AG, setzt als Projektentwicklerin in ihren Wind- und Solarprojekten bereits Speicher ein, um Überschüsse im Netz zu nutzen und die Erneuerbaren als System rund um die Uhr als verlässliche Erzeuger zu etablieren. Wind- und Solarenergie würden sich, so ihre Erfahrungen aus der Praxis, wunderbar ergänzen. In Zeiten mit starkem Wind gehen die Leistungen der PV-Anlagen nach unten, während bei Sonnenschein keine große Windleistung anfalle. Angst vor einem Stromausfall durch Dunkelflauten brauche man nicht zu haben. Als großflächiges Phänomen im europäischen Netz sind sie selten. Und sobald die Versorgungsleistung der erneuerbaren Energien größer als 80 Prozent liege, falle genügend Energie an, um sie zu speichern. Erst dann gehe es mit der Wasserstoffwirtschaft im Energiesystem los. Vorher komme Wasserstoff in der Industrie bei der Stahlerzeugung, in der chemischen und der Glas-Industrie zum Einsatz. Um den Wasserstoff im großen Stil zu speichern, sei die vorhandene Infrastruktur gut nutzbar.
Dr. Selma Lossau wird als Leiterin Netzanschluss Strom/Gas bei der Netze BW GmbH täglich mit den Herausforderungen der Transformation im Detail konfrontiert. Bricht das Verteilnetz nicht zusammen, wenn alle elektrischen Fahrzeuge zur gleichen Zeit nach Feierabend geladen werden? Die Antwort auf diese Frage lässt sich nicht am Schreibtisch finden. Die Netze BW hat in einem Reallabor die Praxis untersucht. Das Nutzerverhalten, so die Erfahrungen, ändere sich. Während der Besitzer nach der Anschaffung eines E-Autos jeden Tag den Ladestecker anschließe, lehre dann die Erfahrung, dass dies in der Regel unnötig sei und zwei- oder dreifaches Laden in der Woche reiche. Um bei wachsenden Anforderungen die Stabilität zu gewährleisten, habe man zusätzlich getestet, was eine Fernsteuerung des Ladeverhaltens bewirke. Problemlos ließe sich die Stromabnahme in die Nacht verschieben, so dass Lastspitzen vermieden werden.
Was braucht es jetzt für eine erfolgreiche Energiewende?
Ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien, ein Ausbau der Netze und den Aufbau von Speicherkapazitäten.
Was wir jetzt bräuchten, auch da herrschte Einigkeit, sei ein Dreiklang: Ein schneller Ausbau der erneuerbaren Energien, ein Ausbau der Netze und den Aufbau von Speicherkapazitäten. Beim Netzausbau hapere es. Eines ihrer Projekte, so Selma Lossau, wurde vor 11 Jahren begonnen und es sei immer noch nicht im Bau. Die Tesla-Fabrik in Brandenburg oder die vom Bund in Angriff
genommenen Errichtung von LNG-Terminals zeigten, wenn die Politik wolle, könnten Genehmigungsverfahren enorm beschleunigt werden. Das brauche man jetzt bei den Netzen und dem Ausbau der Erneuerbaren.
Sie, so Constanze Adolf, habe Hochachtung vor der aktuellen Leistung der Bundesregierung. Allerdings sei die Regulierung des Energiemarktes nach wie vor hoch kompliziert. Dem pflichtete Julia Badeda bei. Ohne juristischen Beistand könne man kein Projekt kalkulieren und auf den Weg bringen. Die zahlreichen Fallstricke seien für den wirtschaftlichen Erfolg und eine schnelle Martkdurchdringung überaus hinderlich.
Ferner fehle es an einer Vertiefung der europäischen Energiekooperation. Da brauche es mehr Abstimmung und Zusammenarbeit. Unterschiedliche Standards in Europa würden die Energiewende unnötig verteuern. Klima- und Energiepolitik dürfe nicht an den Grenzen enden. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die die derzeitige Krise auslöst, seien immens. Andererseits gelte es auch, plädierten die Fachfrauen auf dem Podium, die Chancen der Krise wahrzunehmen. Energie sei ein kostbares Gut. Das sei vergessen worden.
Dieser Debatten-Abend fand in Kooperation mit der Technischen Universität Dresden und der diesjährigen Summer School „Connecting Female Scientists Energy Storage Systems“ statt. Wir bedanken uns bei PD. Dr.-Ing. habil. Stephan Schlegel und seinem Team am Institut für Hochspannungs- und Hochstromtechnik für diese Kooperation.
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