Unterstützung der Energiewende durch Spitzenforschung

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Oliver Kraft und Dr. Wolfgang Breh

Karlsruher Institut für Technologie

Professor Dr. Oliver Kraft ist seit dem 1. Januar 2016 Vizepräsident für Forschung am Karlsruher Institut für Technologie, der Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft. Oliver Kraft ist ein international renommierter Experte für Materialwissenschaft und Werkstofftechnik – eine Schlüsseldisziplin, die für die Lösung einer Vielzahl technologischer Herausforderungen insbesondere in der Energieforschung relevant ist. Dr. Wolfgang Breh ist seit 12 Jahren Geschäftsführer des KIT-Zentrums Energie und damit ein kompetenter Ansprechpartner in Bezug auf die Energieforschung am KIT. Am KIT-Zentrum werden die Energieforschungsarbeiten des KIT, sowie namhafter Kooperationspartner gebündelt.

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25. November 2020
Energy Lab 2.0 - die Forschungsinfrastruktur am KIT zur intelligenten Verknüpfung verschiedener Technologien mit dem Ziel Transport, Verteilung, Speicherung und Nutzung des elektrischen Stromes zu verbessern und damit die Grundlage für die Energiewende zu schaffen. Foto: Markus Breig und Amadeus Bramsiepe

Warum ist die Forschung so wichtig?

Um die ambitionierten Klimaziele Deutschlands bis 2050 zu erreichen, müssen erneuerbare Energien die fossilen Energieträger nach und nach als Energielieferanten für die Stromerzeugung vollständig und für die anderen Energiesektoren weitgehend ersetzen. Als weitere Herausforderung kommt der beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie hinzu, wodurch bereits ab 2023 kein Strom mehr aus den deutschen Kernkraftwerken bereitgestellt wird.

Die Stromproduktion durch die erneuerbaren Energien Windkraft und Photovoltaik unterliegt starker Fluktuation. Hinzu kommt, dass sich die ertragreichsten Windkraftanlagen nicht in der Nähe der industriellen und urbanen Verbrauchszentren befinden. Der erzeugte Strom muss daher über größere Distanzen transportiert bzw. für Zeiten hohen Bedarfs gespeichert werden. Dies bedingt hohe Investitionen beim Umbau des aktuellen Energiesystems.

Das Erreichen der derzeit greifbaren 50-Prozent-Marke bei der erneuerbaren Stromerzeugung bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit ist ein wichtiger Zwischenschritt. Für die zweite Hälfte des Weges zur Klimaneutralität der deutschen Stromversorgung wird jedoch ein deutlich größerer Aufwand betrieben werden müssen. Dies zeigt deutlich, dass neue Perspektiven und vor allem neue wissenschaftliche Erkenntnisse und zuverlässige Technologien benötigt werden.

Lösungsansätze für das Energiesystem der Zukunft

Wir sind davon überzeugt, dass der aktuelle Erkenntnisstand und die heute eingesetzten Technologien nicht ausreichen, um die Ziele zuverlässig und nachhaltig zu erreichen.

Prof. Dr. Oliver Kraft und Dr. Wolfgang Breh

Wir sind davon überzeugt, dass der aktuelle Erkenntnisstand und die heute eingesetzten Technologien nicht ausreichen, um die Ziele zuverlässig und nachhaltig zu erreichen. Notwendige Basis für eine erfolgreiche Technologieentwicklung ist aus unserer Sicht die nach Erkenntnisgewinn strebende Grundlagenforschung, die z.B. Fragen zur Elektrochemie, Festkörperphysik, Licht-Materie-Wechselwirkung, Simulationen und Materialeigenschaften betrachtet sowie neue Methoden und Instrumente zur Prozessbeschreibung und Zustandserhebung entwickelt. Von besonderem Gewicht ist die wirksame Vernetzung von Forschungsgebieten mit Energierelevanz.

Neben Windkraft- und Photovoltaik, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auch weiterhin das Rückgrat auf der Erzeugerseite darstellen werden, ist es essentiell, weitere erneuerbare Erzeugungstechnologien zu erforschen, zu optimieren und gewinnbringend in das deutsche Energiesystem zu integrieren. Bei einer technologieoffenen Betrachtung betrifft dies insbesondere die tiefe Geothermie, die Solarthermie, die Bioenergie und die Wasserkraft.

Die Sektorkopplung ist ein Baustein bei der Realisierung des zukünftigen Energiesystems. Durch erneuerbare Energiequellen erzeugter Strom wird genutzt, um die Verbrauchssektoren mit den jeweils benötigten Energieträger/ -formen zu versorgen. Basis hierfür sind die sogenannten „Power-to X“-Technologien, wobei das „X“ z. B. für die Produktion von Gasen (Wasserstoff oder Methan), synthetischen Kraftstoffen, Basischemikalien für die Industrie und Wärme steht. Über die Sektorkopplung wird erstmals eine umfassende, gemeinsame Optimierung der Verbrauchssektoren angestrebt, der Power-to-X-Ansatz ermöglicht die einfachere Speicherung (und Verteilung) von Energie.

Dem aus erneuerbarer Energie erzeugten Wasserstoff wird eine wichtige Rolle zugeschrieben. Er kann viele Aufgaben im Energiesystem einnehmen: Wasserstoff kann in Industrieprozessen, zur Wärmeversorgung in Gebäuden oder als Kraftstoff im Verkehr eingesetzt, für die zeitversetzte Stromerzeugung genutzt oder in Methan, beziehungsweise flüssige Kraftstoffe umgewandelt werden. Die kürzlich in Deutschland beschlossene „Nationale Wasserstoffstrategie“ unterstreicht hierbei die besondere Bedeutung des grünen Wasserstoffs.

Beiträge des KIT

Der aktuell laufende Transformationsprozess hin zu einem nachhaltigen Energiesystem wird auf einer Vielzahl neuartiger Technologien basieren. Diese Technologien müssen in das Gesamtsystem integriert werden, wodurch sich die Systemkomplexität grundlegend erhöht. Unter dem Stichwort Energiesystemdesign werden entsprechende Lösungen zur Unterstützung der Transformation entwickelt. Am KIT wird im EnergyLab 2.0, der größten Forschungsinfrastruktur für erneuerbare Energie in Europa, die intelligente Vernetzung umweltfreundlicher Energieerzeugung mit Speichermethoden untersucht. Auf Basis von realen Verbrauchsdaten wird das Energiesystem der Zukunft simuliert und getestet. Ziel der Forschungsarbeit ist es, Transport, Verteilung, Speicherung und Nutzung des Stromes zu verbessern und damit die Grundlage für die Energiewende zu schaffen.

In Erfüllung seiner Mission eines nationalen Forschungszentrums leistet das KIT umfassende Forschungsbeiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, zu denen auch die Energiewende und der Umbau des Energiesystems in Deutschland gehört. Eingebettet in die Programmstruktur der Helmholtz-Gemeinschaft beteiligt sich das KIT an vier Programmen, in denen energietechnische Lösungen über Fachgrenzen hinweg erarbeitet werden. Durch die Nutzung von einzigartigen Geräten und Pilotanlagen entsteht eine neue Qualität von Forschung und Lehre. Die Kompetenzen am KIT umfassen die gesamte Energiekette von erneuerbarer Energie über Umwandlung und Verteilung bis zur gesellschaftlichen Integration. Das KIT arbeitet mit vielen universitären und außeruniversitären Partnern sowie der Industrie zusammen.

Am KIT-Zentrum Energie werden die Energieforschungsarbeiten strukturell gebündelt. Es fungiert als „Schaufenster zur Wissenschaft“, als kompetenter Ansprechpartner in Energiefragen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Kommunikation ist essentiell, denn nicht zuletzt die gesellschaftliche Akzeptanz neuer technologischer Ansätze entscheidet über die Geschwindigkeit und Umsetzbarkeit.

Über die Autoren

Prof. Dr. Oliver Kraft

Vizepräsident für Forschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Prof. Dr. Kraft studierte und promovierte an der Universität Stuttgart in Werkstoffwissenschaft. Er war Gastwissenschaftler im Department of Materials Science and Engineering der Stanford University/USA und arbeitete als Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart. Seit 2002 war er Professor und Institutsleiter am heutigen Institut für Angewandte Materialien des KIT. Kraft ist wissenschaftlicher Koautor von mehr als 200 Artikeln und leitete von 2006 bis 2011 als Sprecher einen Sonderforschungsbereich. Von 2006 bis 2009 war er Vorsitzender bzw. Stellvertretender Vorsitzender des Wissenschaftlich-Technischen Rats des früheren Forschungszentrums Karlsruhe. Im Jahr 2011 trat er die Robert-Bosch-Stiftungsprofessur für Nanostrukturierte Funktionsmaterialien am KIT an. In der Zeit von 2012 bis 2015 war er einer der Sprecher des Helmholtz-Programms Science and Technology of Nanosystems (STN). Seit dem 1. Januar 2016 ist Kraft Vizepräsident für Forschung.

Dr. Wolfgang Breh

Geschäftsführer KIT-Zentrum Energie

Dr. Wolfgang Breh ist seit 12 Jahren Geschäftsführer des KIT-Zentrums Energie und damit ein kompetenter Ansprechpartner in Bezug auf die Energieforschung am KIT. Am KIT-Zentrum werden die Energieforschungsarbeiten des KIT, sowie namhafter Kooperationspartner gebündelt

Interessiert am nächsten Debatten-Abend?

Unseren Debatten-Abend mit dem Thema „Erneuerbare Energien: Neue Perspektiven“ können Sie am 26. November 2020 ab 19:00 Uhr bis 20:15 Uhr online über den Livestream verfolgen. Am Livestream haben Sie zusätzlich die Möglichkeit, den Expertinnen und Experten online per Chat Fragen zu stellen

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  1. Sven Schröter

    vor 3 Jahren

    Wie an anderer Stelle hier schon gefragt:

    Wie würde sich massive Entnahme von Wasser auf den Wasserkreislauf und damit das Klima auswirken?
    Langfristig und in großem Maßstab gedacht:

    Gäbe es "Wasserdampf Smog" oder gar Monsunartige Phänomene -> bei globaler Nutzung von Wasser als Energieträger?

    Auswirkungen auf Trinkwasserknappheit? -> Konfliktpotential global?

    Oder würde das Wasserabgas in Bodennähe kondensieren? -> Auswirkung auf die Kanalisation und das Klima?

    Sorry für diese uninformierten Fragen, finde dazu gerade nichts im Netz.

    Den Debatten Abend werde ich wohl leider nicht live ansehen können, das gibt meine Internetverbindung atm nicht her, finde solche Diskurse aber sehr wichtig.

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