Klimaneutralität erreichen wir nur dann, wenn ein intelligentes Zusammenspiel von elektrischer Energie und klimaneutralen Gasen stattfindet. Wasserstoff wird daher in allen Segmenten – Industrie, Mobilität, Wärme und Stromerzeugung – künftig zum Einsatz kommen müssen. Der dementsprechend erwartbare Bedarf ist erheblich: Im Jahr 2050 wird Deutschland 500-600 TWh Wasserstoff benötigen. Ein Großteil hiervon muss aus dem Ausland importiert werden.
Ausgangssituation: Dekarbonisierung des Gasmarktes
Das Erreichen unserer nationalen Klimaziele kann nur mit einer umfassenden Dekarbonisierung des heutigen Gasmarktes gelingen. Aktuell konkretisiert sich das Zielbild für eine Transformation und Neuausrichtung in Richtung der grünen Gase. Wichtige Impulse gibt dabei unter anderem das Programm der neuen Bundesregierung: Deutschland soll sich demnach bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologie entwickeln, eine leistungsfähige Wasserstoffwirtschaft soll aufgebaut werden. Weitere wesentliche Weichenstellungen von europäischer Seite sind darüber hinaus in Kürze zu erwarten.
Dennoch: Im Kontext der aktuellen Diskussion sind weitere Nachschärfungen aus unserer Sicht unerlässlich. Nur so können wir die komplexe Aufgabe mit der nötigen Geschwindigkeit und dem gleichzeitigen Blick auf die volkswirtschaftlichen Kosten bewältigen.
Der Einstieg in eine Wasserstoffwirtschaft braucht ein klares Ziel
Kein Sektor sollte per se von Wasserstoff ausgeschlossen werden.
Über die großen Wasserstoff-Eckpfeiler, wie zum Beispiel die Notwendigkeit von Wasserstoff in allen Segmenten und die Bedeutung des Imports, herrscht Einigkeit. Je tiefer man sich jedoch mit den einzelnen Einsatzgebieten beschäftigt, desto kontroverser und lauter wird die Diskussion und desto stärker zeigen sich unterschiedliche Ausprägungen. Hier gilt es anzusetzen und ein klares Zielbild zu zeichnen, das zwischen den bereits gesetzten Eckpfeilern ein Netz spannt – und uns somit in der Transformation begleitet.
Wichtig dabei ist, dass wir dieses Netz flexibel auslegen. Nur so bietet es genügend Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten, um schrittweise ein effizientes Gesamtsystem aufzubauen. Konkret bedeutet das heute: Wir müssen über alle Segmente hinweg den Einsatz verschiedener Technologien mitdenken und in Erwägung ziehen – kein Sektor sollte per se von Wasserstoff ausgeschlossen werden. Nur mit einer klaren Zukunftsperspektive für den Einsatz von Wasserstoff können wir langfristige Infrastruktur-Investitionen ermöglichen.
Netzinfrastruktur mit Schlüsselrolle in der Transformation
Aus der bereits begonnenen Transformation der Stromerzeugung von nuklear und fossil erzeugtem Strom hin zu Strom aus erneuerbaren Energien können und sollten wir lernen – und Erkenntnisse für die Transformation hin zu klimaneutralen Gasen ableiten. Dies gilt insbesondere für die Netz-Infrastruktur. Offensichtlich ist, dass der Umbau der Stromerzeugung selbst viel schneller voranschreitet als der Umbau des Stromtransports- und -verteilsystems. Einer ähnlichen Entwicklung müssen wir beim Aufbau eines Wasserstoffmarktes frühzeitig entgegensteuern. Dem Gasnetz wird deshalb in der Transformation hin zu klimaneutralen Gasen eine Schlüsselrolle zukommen. Der Wandel muss jetzt beginnen und Regulatorik dafür die richtigen, zielorientierten Anreize bieten. Die zügige und diskriminierungsfreie Erschließung in der Fläche sowie die Optimierung der dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen Umbaukosten bieten sich als Steuerungskriterien an. So sollten bereits heute neue Gasleitungen so ausgelegt sein, dass sie prinzipiell auch Wasserstoff transportieren können – also H2-ready sind. Aber nicht nur das Gasnetz allein ist von größter Bedeutung, sondern vor allem das optimal aufeinander abgestimmte Zusammenspiel zwischen Strom- und Gasnetzen. Genau aus diesem Grund müssen Strom-, Erdgas und zukünftige Wasserstoffnetze bereits heute gemeinsam gedacht und geplant werden. Auch die Chance für eine sukzessive Dekarbonisierung aus der Beimischung von Wasserstoff muss – insbesondere in der Perspektive der Verteilnetze Teil des Lösungsraums sein.
Der Transformationspfad: agil gestaltet und cross-funktional integriert gedacht
Wir sind davon überzeugt, dass Wasserstoff zukünftig eine breit verfügbare Commodity in einem globalisierten Markt sein wird.
Zusätzlich zur klaren Zukunftsperspektive für Wasserstoff wird die Ausgestaltung des Weges dorthin – mit Blick auf eine erfolgreiche Umsetzung – eine entscheidende Rolle spielen. Die Diskussion um den Transformationspfad ist aktuell in Deutschland kontrovers. Wasserstoff wird auf der einen Seite als „Champagner der Energiewende“ bezeichnet – ein kostbares Gut, das für lange Zeit einzelnen Industriezweigen vorbehalten bleibt. Auf der anderen Seite wird von „Wasserstoff als Mineralwasser“ gesprochen – um die Notwendigkeit eines breiten Wasserstoffeinsatzes deutlich zu machen. Wir sind davon überzeugt, dass Wasserstoff zukünftig eine breit verfügbare Commodity in einem globalisierten Markt sein wird. Auf dem Weg dorthin muss deshalb die volle Einsatzbreite berücksichtigt werden, ein Verteilungskampf darf uns nicht blockieren. Als Energieversorger ist uns wichtig, dass die Transformation gesamtheitlich betrachtet wird. Das bedeutet nicht, dass wir in den nächsten Jahren einen großflächigen Einsatz von Wasserstoff über alle Sektoren hinweg sehen.
Wir gehen davon aus, dass der bis Ende der 2020er Jahre verfügbare grüne Wasserstoff zu großen Teilen in der Industrie und teilweise der Mobilität eingesetzt wird. Aber die Betrachtungsweise muss weiter gefasst sein, damit Regulatorik- und Anreizsysteme keine einseitigen Leitplanken setzen – und damit das oben erwähnte Netz nicht zu fragil wird. Wir wollen Strom, Erd- und Biogas sowie Wasserstoff viel stärker zusammenbetrachten und denken, als das in der Vergangenheit der Fall war. Wir sehen darüber hinaus, dass zusätzlich zur Regulatorik weitere starke Treiber die Transformation beeinflussen werden. Das sind die Kund*innen aus Industrie und Logistik, die ihr Geschäft dekarbonisieren wollen und müssen. Das sind Banken, die bei der Vergabe von Krediten die Nachhaltigkeit bewerten und einpreisen. Und das ist nicht zuletzt der Kampf um die Talente der Zukunft, die ihren Arbeitgeber verstärkt purpose-getrieben auswählen werden.
Mit Blick auf die unterschiedlichen Dimensionen und Einflussfaktoren ist es wichtig, dass wir uns nicht in der Komplexität verlieren und damit die Transformation verlangsamen – denn dafür haben wir keine Zeit. Um dies zu gewährleisten, müssen die einzelnen Schritte der Transformation dem Prinzip der Agilität folgen – das Ziel und die Mission fest im Blick haben, unerschrocken loslegen und immer wieder die Ausrichtung justieren und nachschärfen. Dafür muss die Regulierung den Rahmen schaffen.
EnBW in der Transformation zu klimaneutralen Gasen
Als EnBW sind wir uns der Bedeutung, der Möglichkeiten aber auch der Herausforderungen der Transformation hin zu klimaneutralen Gasen und insbesondere Wasserstoff bewusst. Wir sehen Wasserstoff neben Strom langfristig als wesentliches Standbein der EnBW. Dabei wird Wasserstoff nicht nur ein wichtiges Geschäftsfeld sein, sondern auch einen wesentlichen Beitrag für unsere eigene Klimaneutralität bei gleichzeitiger Sicherstellung der Versorgungssicherheit leisten. Agilität ist im aktuellen Umfelds entscheiden. Deshalb haben wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette mehr als zwanzig Projekte und Aktivitäten aufgesetzt, mit denen wir einen wichtigen Beitrag in der Gestaltung der zukünftigen Wasserstoffwelt leisten. Sie helfen uns in der Transformation, vorausschauend die richtigen Entscheidungen zu treffen. Mit Projekten zur Erzeugung von Wasserstoff, wie beispielsweise das Reallabor der Energiedienst in Wyhlen, oder mit Initiativen zur Transformation des Gasverteilnetzes, wie beispielweise die Wasserstoff-Insel in Öhringen der Netze BW, zeigen wir, dass eine klimaschonende Energieversorgung mit Wasserstoff zukünftig möglich ist. Wir treiben die Transformation aktiv und entschlossen voran und leisten damit einen weiteren Beitrag auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft.
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