Fit für die Transformation? Die Metropolregion Dresden

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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06. November 2019

Dresden boomt. Die Technische Universität wurde als einzige Hochschule der ostdeutschen Flächenländer wieder in den kleinen Kreis der Elite-Unis berufen. VW hat seine Vorzeigefabrik, die Gläserne Manufaktur, fit gemacht für die Zukunft. Hier soll, laut Eigenwerbung des Unternehmens, Europas „Zentrum für Elektromobilität“ entstehen. Und auch bei der größten Industriebaustelle der Stadt, dem Neubau eines Produktions- und Entwicklungszentrum von Bosch mit 700 Beschäftigten, geht es um die Mobilität der Zukunft. Bosch wird in Dresden 300 Millimeter große Wafer herstellen und sich damit bei den Spezialchips für die Automobilindustrie unabhängig machen von den Zulieferern.

Hohe Dichte an Forschung und Entwicklung

Der derzeitige Boom baut auf Fundamenten, die in der Zeit kurz nach der Wende gesetzt wurden.

Hubertus Grass, Kolumnist

Der derzeitige Boom baut auf Fundamenten, die in der Zeit kurz nach der Wende gesetzt wurden. Die Regierung Biedenkopf verfolgte konsequent den Weg, Dresden zum global sichtbaren Standort der Halbleiter Industrie zu machen. Das ist gelungen. Die Welt kennt „Silicon Saxony“. Parallel zur Ansiedlung der Investoren wurde rund um die TU Dresden eine Forschungslandschaft gebaut. Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer Gesellschaft, Leibniz Gemeinschaft, DLR und Helmholtz-Gemeinschaft – alle großen Forschungseinrichtungen sind am Standort Dresden gleich mit mehreren Instituten vertreten. In der Initiative Dresden Concept bündeln 28 Partner der TU Dresden die Stärken der Region. Von der Transformation der Automobilwirtschaft wird im Autoland Sachsen die Region Dresden am stärksten profitieren.

Für die Dekarbonisierung nur unzureichend gerüstet

Die Fundamente von Forschung und Entwicklung sind stabil und tragfähig für die Zukunft ausgelegt. Bei der Wirtschaftsstruktur hingegen gibt es in Sachsen zahlreiche Versäumnisse. Schon in der Wendezeit, als die westdeutschen Energieversorgungsunternehmen Netze und Erzeugung übernahmen, war klar, dass der Braunkohlewirtschaft kein ewiges Leben beschieden sein würde. Als die Spatzen auf den Dresdner Dächern schon pfiffen, dass das Zeitalter der Erneuerbaren Energien nun anbrechen werde, wollte die Staatsregierung davon nichts wissen. Jetzt steht sie in der dreifachen Verantwortung:

  1. Den Ausstieg aus der Braunkohle zu organisieren.
  2. Die Erneuerbaren, bisher ein sächsisches Stiefkind, massiv auszubauen und
  3. in den Revieren in der Lausitz und im Leipziger Raum neue, zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen.

Dass Sachsen mit Produktionsstandorten von VW, Porsche, Daimler und BMW nebst zahlreichen Zulieferern einen industriellen Schwerpunkt in der Automobilwirtschaft hat, erschwert die Wende in Richtung Klimaschutz zusätzlich.

Das „Energieland Sachsen“ (Eigenwerbung) hat die Energiewende bisher verschlafen. Kurt Biedenkopf, in der Energiepolitik alles andere als ein Visionär, folgten im Amt des Ministerpräsidenten nur Sachverwalter des Status quo. Jetzt liegt es an einer neuen Regierung, die Zukunft anzupacken und mit dem Umbau zu beginnen. An finanziellen Mitteln wird es Dank der Arbeit der Kohlekommission nicht fehlen.

Die Region Dresden wächst zusammen

Die sog. Technopole sind Entwicklungsareale, in denen Gründer- und Technologiezentren entstehen. Dort finden junge Unternehmen optimale Rahmenbedingungen und eine enge Verzahnung zur Wissenschaft vor.

Quelle: dresden.de

Auf Dresden entfällt bei der sächsischen Transformation von der Kohle- zu einer CO2-freien Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Und Dresden ist weitaus mehr als die Stadt selbst. Während der Blick so mancher Politiker in Verantwortung immer noch am eigenen Gartenzaun endet, haben die Menschen in der Region längst begriffen, dass Dresden mit seinem Ruf, sei es als Stadt des Barocks, sei es Standort der Halbleiterindustrie oder als Wissenschafts- und Forschungsstandort, Impulsgeber für eine ganze Region ist.

Fast vor den Toren Dresden liegt die Kleinstadt Kamenz. Hier beschäftigt die Daimler Tochter Accumotive knapp 2.000 Beschäftigte. Gefertigt werden hier Batterien für die E-Autos und Bordnetze für die gesamte Daimler-Flotte. Ein weiterer High-Standort ist Großröhrsdorf. Im Wettbewerb um die Ansiedlung des deutschen Batterieforschungszentrums ging der Ort leer aus. Investiert wird trotzdem. Die estnische Firma Skeleton Technologies wird 500 neue Arbeitsplätze schaffen. Skeleton baut Ultrakondensatoren. Diese Komponenten machen große Reichweiten in de Elektromobilität möglich.

Ebenfalls in der Batterieentwicklung in um Dresden tätig sind Liacon und Scaba An der Energiewende und für den Klimaschutz arbeiten und forschen auch Cloud & Heat (Abwärmenutzung von Servern), Sunfire (Wasserstoff und klimaneutrale Treibstoffe) und Kiwigrid (IT für die dezentrale Energiewelt). Für die Ansiedlungen und Ausgründungen ist entscheidend, dass Dresden ein überaus attraktiver Standort ist. Kulturell, landschaftlich und wissenschaftlich. Die Nähe zur TU, der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft und den oben genannten Forschungseinrichtungen  eröffnet den Zugang zu einem exzellenten Forschungsnetzwerk aller naturwissenschaftlicher Fachrichtungen sowie die Rekrutierung von Ingenieurinnen und Ingenieuren.

In der Region gibt es noch Raum, für die Fabriken der Zukunft

Die Zeit, in der junge, gut ausgebildete Leute nach Bayern oder Baden-Württemberg abwanderten, will man in Dresden und Umland hinter sich lassen.

Hubertus Grass, Kolumnist

Dabei spielt es für die Firmen keine Rolle, ob man sich innerhalb der Stadtgrenzen oder in der Region ansiedelt. Dresden wird eine ähnliche Entwicklung wie die Großräume in München, Nürnberg oder Stuttgart machen. Industrie- und Gewerbegebiete innerhalb der Stadt werden knapp. Die – auf Expansion angelegte – Ansiedlung von Bosch war mit 95.000 m2 die letzte dieser Größenordnung, die innerhalb der Stadt möglich war.

Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge entsteht auf einer landwirtschaftlichen Fläche ein Industriepark, dessen 140 Hektar sich über drei Gemeinden erstrecken. Diese Gemeinden haben zur Entwicklung des Areals einen Zweckverband gebildet. Vierte im Bunde, ausgestattet mit einem Kooperationsvertrag, ist die Stadt Dresden. In Dresden hat man begriffen, dass man sich für die Transformation in Richtung einer CO2-freien Wirtschaft rüsten muss. Wenn aus den zahlreichen Startups und kleineren Unternehmen einmal große Produzenten werden, will die Region gerüstet sein und Platz für die Fabriken der Zukunft bieten.

Die globalen Megatrends Klimawandel, Digitalisierung und Bio-Ökonomie werden die Wirtschaft radikal verändern. Für die Gestaltung der Transformation braucht es ein attraktives Umfeld –  Fachkräfte, Forschung, Wissenschaft und innovative Unternehmen. Anders als 1990, nach der Implosion der DDR,  haben die Akteure in der Region jetzt die Chance, an der Gestaltung der Zukunft mitzuwirken. Die Zeit, in der junge, gut ausgebildete Leute nach Bayern oder Baden-Württemberg abwanderten, will man in Dresden und Umland  hinter sich lassen.

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  1. Eckhard Pridöhl

    vor 4 Jahren

    Eine m.E. sachliche, aber "querdenkende" Meinung zu unserer Energiepolitik findet man unter
    https://www.cicero.de/wirtschaft/atomkraft-kernenergie-energieversorgung-energiewende
    Was ist falsch?

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