Regulierung von Gasverteilnetzen für die Wärmewende

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Dr. Johannes Wagner

Associate Director im Energy Providers Team bei Guidehouse

Dr. Johannes Wagner ist Associate Director im Energy Providers Team bei Guidehouse. Er berät Energieversorger und Industrieunternehmen zu strategischen und regulatorischen Fragestellungen rund um die Energiewende. Er ist Autor verschiedener hochrangiger Studien und wissenschaftlicher Arbeiten zur zukünftigen Strom- und Energieversorgung. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Darmstadt und promovierte in Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln. Vor seiner Tätigkeit bei Guidehouse war er Manager am Energiewirtschaftlichen Institut Köln.

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26. Januar 2024
Foto: MVelishchuk/Shutterstock.com

Eine erfolgreiche Wärmewende erfordert neben dem Ausbau der Wärmenetze und dem Hochlauf elektrischer Wärmepumpen auch die Transformation der Erdgasverteilnetze. Diese müssen entweder auf grüne Gase umgestellt oder stillgelegt werden. Beides ist im aktuellen Rechtsrahmen nicht vorgesehen, da die derzeitige Regulierung auf der Fiktion eines dauerhaften Betriebs der Erdgasnetze basiert. Somit besteht dringender Reformbedarf in der Regulierung von Gasverteilnetzen und zusätzlich die Notwendigkeit einer konsistenten Verzahnung der Regulierung insbesondere mit dem Rechtsrahmen der kommunalen Wärmeplanung. Im Folgenden werden einige Kernpunkte dieser Anpassungsbedarfe erläutert. Diese basieren auf der Studie „Zukunft der Gasnetze – Empfehlungen für eine koordinierte Wärmewende“, die im Jahr 2023 von Guidehouse und der MVV Energie AG erstellt wurde.

Finanzierung der Netze unter Minimierung der Kundenbelastung

Gasnetze werden über Netzentgelte finanziert, die mit Kostenprüfungen und Effizienzbenchmarks im Rahmen der Anreizregulierung festgelegt werden. Die aktuelle Methodik führt bei Transformation oder Stilllegung der Gasverteilnetze zu verschiedenen Problemen: Da die Anzahl der angeschlossenen Gasnetzkunden sinkt, steigen die spezifischen Netzentgelte aufgrund der zunächst weitgehend fixen Netzkosten für die verbleibenden Kunden sukzessive an. Weiterhin müssten diese „letzten Netzkunden“ in der aktuellen Refinanzierungslogik die Kosten für Stilllegung und den eventuellen Rückbau der Netze am Ende der Nutzungsdauer tragen. Entsprechend ergibt sich eine übermäßige Belastung der letzten Verbraucher und gleichzeitig ein niedrigerer Refinanzierungsbeitrag von Verbrauchern, die frühzeitig auf Alternativtechnologien wechseln.

Da dies den Grundsatz der Verursachungsgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit verletzt, sollte ein Teil der Kosten für Netzbetrieb, Stilllegung und gegebenenfalls Rückbau vorgezogen werden, um alle Kunden an den Transformationskosten zu beteiligen. So wird die Belastung auf eine größere Kundenanzahl verteilt und eine übermäßige Belastung einzelner Netznutzer kann verhindert werden. Dies kann mit den folgenden Maßnahmen umgesetzt werden:

  • Verkürzte, degressive Abschreibung für Neu- und Bestandsinvestitionen: Die Abschreibungsdauer ergibt sich aus den in der Wärmeplanung definierten Stilllegungszeiträumen für die Gasnetze. Die schnelleren, degressiv gestalteten Abschreibungen erhöhen die Erlösobergrenzen im Rahmen der Anreizregulierung und führen zu kurzfristig leicht steigenden Netzentgelten. Ein übermäßiger Anstieg der Netzentgelte für verbleibende Verbraucher in den späteren Jahren wird jedoch abgefedert.
  • Rückstellungen für Stilllegung und eventuellen Rückbau: Sobald die Wärmeplanung den Gasnetzrückzug in einzelnen Gebieten ausweist, sollte der Aufwand für die Bildung von Rückstellungen für Stilllegungen, vollständig in der Erlösobergrenze für die Netzentgeltberechnung anerkannt werden. Um diese Kosten niedrig zu halten, sollte ein Rückbau von Gasverteilnetzen gesetzlich auf die Fälle beschränkt werden, in denen die Kommune oder private Grundeigentümer ein zwingendes Erfordernis nachweisen. Eventuell mögliche Nachnutzungsoptionen für die Gasverteilnetze, wie z.B. die Verlegung von Glasfaserkabeln, sollten im Rahmen der Wärmeplanung geprüft werden.

Reform der Anreizregulierung

Der Effizienzvergleich in der ARegV ist ein sinnvolles Instrument zum Vergleich von Bestandsnetzen, die auf dauerhaften Betrieb ausgelegt sind. Bei Transformation und Stilllegung der Gasverteilnetze hingegen gibt es keinen sinnvollen Kostenbenchmark mehr, da der Transformations- bzw. Stilllegungsprozess stark heterogen ist und zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattfindet. Auch eine Anpassung der Strukturparameter des Effizienzvergleichs kann dieses Problem nicht lösen. Daher sollte der Effizienzvergleich für Gasverteilnetze perspektivisch beendet werden. Die Zyklen der Kostenprüfungen sollten parallel dazu von aktuell fünf auf zwei oder drei Jahre reduziert werden, um den Fortschritt bei den Stilllegungen kostenseitig zu erfassen und den Zeitverzug zwischen Ergebniswirkung von veränderten Kostenstrukturen und Anpassung der Erlösobergrenzen zu reduzieren.

Wasserstofftransformation

Nach der Umstellung auf einen vollständigen Betrieb mit Wasserstoff kann perspektivisch die Einführung eines Effizienzvergleichs für Wasserstoffnetze geprüft werden, sobald eine ausreichende Vergleichsbasis vorhanden ist.

Dr. Johannes Wagner

Auch Gasverteilnetze, die beispielsweise für die Versorgung von Industrieverbrauchern für den Wasserstofftransport ertüchtigt werden sollen, sollten vom Effizienzvergleich ausgenommen werden, da es für die Transformation keine ausreichend große Vergleichsbasis gibt. Nach der Umstellung auf einen vollständigen Betrieb mit Wasserstoff kann perspektivisch die Einführung eines Effizienzvergleichs für Wasserstoffnetze geprüft werden, sobald eine ausreichende Vergleichsbasis vorhanden ist. Um die Kosten der Netztransformation für die Kunden zu minimieren, sollten Wasserstoffnetzbetreiber Synergien aus dem Bau und Betrieb bestehender Gasverteilnetze nutzen können. Eine organisatorische Entflechtung ist dem Aufbau der Infrastruktur daher nicht dienlich und führt auch nicht zu mehr Wettbewerb. Um Querfinanzierungen auszuschließen, ist eine buchhalterische Entflechtung der Methan- und Wasserstoffverteilnetze ausreichend. Die Finanzierung der Wasserstofftransformation sollte über geeignete Instrumente wie Anschubfinanzierungen oder Amortisationskonten unterstützt werden.

Frühzeitig die Rahmenbedingungen setzen

Um eine übermäßige Belastung der Verbraucher abzumildern, müssen die Netzbetreiber in der Lage sein, so früh wie möglich Schritte zur beschleunigten Abschreibung von Restwerten und zum Aufbau von Rückstellungen einzuleiten, wenn entsprechende Wärmepläne vorliegen. Erforderliche Änderungen von EnWG, ARegV und der Gas-NEV sollten möglichst zeitnah erfolgen und die politischen Diskurse und Prozesse direkt eingeleitet werden. Auch der vorgeschlagene Systemwechsel in der Anreizregulierung benötigt mehrere Jahre Vorlauf, sodass die BNetzA sofort mit den Vorbereitungen beginnen und Konsultationen auf den Weg bringen sollte. In einem Anfang 2024 veröffentlichten Eckpunktepapier der BNetzA werden mehrere der genannten Vorschläge bereits explizit angesprochen, die Notwendigkeit für umfassende regulatorische Anpassungen wurde also erkannt. Eine schnelle Umsetzung ist für eine erfolgreiche Gestaltung der Wärmewende entscheidend.

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