Umfrage Power-to-X: Mit Ökostrom nach Malle fliegen?

Gastautor Portrait

Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
09. Januar 2019
Flugzeugflügel beim Flug fotografiert, für das Thema Power-to-X

Auch der Tagesschau war es eine Nachricht wert. 2018 stieg der Anteil des Ökostroms in Deutschland nach den Berechnungen des Fraunhofer-Institutes für Solare Energiesysteme (ISE)auf über 40 Prozent. Weil gleichzeitig der Ausstoß von CO2 überraschend stark um mehr als 50 Millionen Tonnen oder 5,7 Prozent im vergangenen Jahr sank, könnte man meinen, die Energiewende und damit der Klimaschutz in Deutschland seien auf einem guten Weg. Ist das so?

Das verwirrende Spiel mit den Zahlen

Im Jahr 2018 erzeugen Erneuerbare Energien erstmals so viel Strom wie Kohle.

Grafik: Agora Energiewende

Der Beitrag, den der Anstieg der erneuerbaren Energien 2018 für den Klimaschutz lieferte, ist gering. Das Wachstum von Sonne und Wind verdrängte ein wenig den Strom aus Steinkohle. Die Stromproduktion aus Braunkohle blieb relativ konstant. Ausschlaggebend für den überdurchschnittlichen CO2-Rückgang ist der milde Winter 2018.

Die Zahlen, die das Fraunhofer ISE, veröffentlicht, sind korrekt. Allerdings ist die Berechnungsgrundlage etwas ungewöhnlich. Auf einen Anteil von über 40 Prozent aus erneuerbaren Energien kamen die Forscher nur, weil sie sich auf die Nettostromerzeugung beziehen. Den Eigenverbrauch der Energiewirtschaft ließen sie ebenso außen vor wie den Stromexport. Nach den gängigen Berechnungsgrundlagen kommt man mit Agora Energiewendeauf einen Anteil der Erneuerbaren von 38,2 Prozent.

Die Aufgabe heißt Energie- und nicht nur Stromwende

Die Primärenergieversorgung in Deutschland basiert auf einem breiten Mix unterschiedlicher Energieträger.

Grafik: BMWi

Erfolgsmeldungen, wie die der Fraunhofer-Forscher, verstellen den Blick auf die eigentliche Aufgabe – die Dekarbonisierung der gesamten Energiewirtschaft. Die Stromerzeugung, mit einem CO2-Anteil von ca. 38 Prozent an den deutschen Treibhausgasemissionen, ist ein bedeutender Sektor beim Klimaschutz. Aber eben nur ein Teil des Ganzen.

Schauen wir also aufs Ganze. Dazu gehören die Gebäudewärme, der Verkehrssektor mit dem öffentlichen und dem Individualverkehr sowie die Schifffahrt und der Flugverkehr. Nicht zu vergessen die Industrie, die mit 2.700 Petajoule allein ungefähr soviel Energie benötigt, wie der gesamte Verkehrssektor oder wie alle 40 Millionen privaten Haushalte in Deutschland zusammen.

Ausschlaggebend für das Ziel der Energiewende ist, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Verbrauch – und nicht nur am Stromverbrauch – deutlich gesteigert wird. Aktuell liefern die Erneuerbaren 13,2 Prozent der Energie, die in Deutschland verbraucht wird. Nicht der Prozentsatz von 40 oder 38 ist maßgeblich für den Erfolg der Energiewende, sondern es sind diese 13,2 Prozent.

Die Energiewende braucht Power-to-X

Unsere Eingangsfrage mag verwirren. Aber sie steht und sie ist für den weltweiten Klimaschutz mindestens ebenso von Relevanz wie der Kohleausstieg. Wann werden wir klimaneutral fliegen? Schaffen wir es, unsere Logistik – auf der Straße, auf dem Wasser und in der Luft – so umzubauen, dass keine Treibhausgase mehr emittiert werden?  Und wie heizen wir in Zukunft unsere Altbauwohnungen?

Technisch sind alle diese Fragen heute schon zu beantworten. Strom ist die edelste Form der Energie. Wir können ihn mit einigem Aufwand und Wandlungsverlust in jede andere Energieform transformieren. Ob Treibstoffe für Flugzeuge (Kerosin), Fahrzeuge (Benzin), Gas zum Heizen (Methan oder Wasserstoff) oder Wärme. Auf der Basis von Ökostrom stehen für alle Bedarfe klimaneutrale Anwendungen zur Verfügung. Als Oberbegriff für diese Verfahren hat sich Power-to-X (Kurzform: P2X) durchgesetzt. Darunter versteht man:

  • Power-to-Gas. Hier geht es um die Umwandlung von Ökostrom in klimaneutrales Gas (Methan), das sich wie klassisches Erdgas in Heizungen, Kraftwerken oder Motoren einsetzen und sich in der bereits vorhandenen (!) Infrastruktur speichern lässt. Der Verbrennungsprozess setzt genauso viel CO2 frei, wie zuvor bei der Synthese des Gases der Luft entnommen wurde. Alternativ lässt sich Wasserstoff aus Ökostrom herstellen und dann in einer Brennstoffzelle nutzen. Dieses Verfahren wird aller Voraussicht nach die Garantie dafür sein, dass auch ein Energiesystem auf ausschließlicher Basis von Erneuerbaren Energien sicher und jederzeit zuverlässig funktioniert.
  • Power-to-Liquid. Das meint die Herstellung von flüssigen Treibstoffen. Sie können Benzin, Diesel, Kerosin oder Erdgas in den Motoren ersetzen und würden dafür sorgen, dass die klassischen Verbrennungsmotoren dann das Öko-Label „Klimaneutral weil aus 100% Erneuerbaren“ bekommen.
  • Power-to-Heat. Das ist älteste und schon allseits bekannte Form der Wandlung von Strom. Den Älteren ist die klassische Anwendung als Tauchsieder noch bekannt. Wir haben sie aber auch in neueren Technologien wie dem Wasserkocher und dem Induktionsherd im Einsatz. Aber auch für den Einsatz in der Industrie könnte Power-to-Heat künftig eine Option werden.

Der Teufel im Detail der Energiewende

Allen Verfahren ist derzeit gemein, dass gemessen an den heutigen Marktpreise relativ teuer sind und mit relativ hohen Energieverlusten arbeiten. Aus dem Anfangsstadium der Forschung sind alle heraus und werden derzeit in größeren und kleineren Maßstäben technisch erprobt und optimiert. Auf den Seiten der DENA gibt es eine Liste mit den Standorten der Pilotprojekte.

Grundvoraussetzung für den Erfolg aller Power-to-X-Technologien ist der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren Energien. Wenn wir auf der Basis von Strom fliegen, unser gesamtes Transportsystem, die Industrie und das Heizen unserer Häuser klimaneutral betreiben wollen, sind 100 Prozent Erneuerbare Energien – gemessen am der heutigen Stromverbrauch – bei weitem nicht genug.  Um weitgehend klimaneutral zu leben, brauchen wir mehr Ökostrom als die heutige Jahreserzeugung von ca. 630 TWh.

Aktuelle Umfrage zu Energiewende

Wir müssen aber auch weiter an den Verfahren arbeiten, die Energieeffizienz insgesamt verbessern, lernen Verbrauch und Nachfrage digital aufeinander abzustimmen und für die Zeiten von Dunkelflauten vorzubeugen. Diese und viele andere offene Fragen sind für uns Anlass, Power-to-X zu unserem aktuellen Schwerpunktthema zu machen. Wir haben Wissenschaftler, Techniker, Fachleute aus Wirtschaft und Politik sowie Vertreter von Nichtregierungsorganisationen gebeten, ihre Sicht auf die Zukunft von Power-to-X in den nächsten Wochen hier darzulegen.

Beginnen wollen wir traditionell mit einer Umfrage.

Welches Verfahren wird künftig den größten Beitrag zum Klimaschutz leisten?

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  1. Hubertus Grass

    vor 5 Jahren

    Den Individualverkehr abzusichern, ist quantitativ die kleinste der anstehenden Herausforderungen - ca. 100 TWh/Jahr. Energetisch anspruchsvoller sind der Wärmemarkt (für Gebäude, Gewerbe und Industrie) sowie die stetig wachsende globale Logistik (Lkw, Flugzeuge, Schifffahrt). Power to Power oder to Battery ist ja schon Bestandteil des Systems (zuhause aber auch im industriellen Maßstab bei der Netzsicherheit). Auch die Wärmepumpen könnte man hier subsumieren. Es ist ja auch keine Frage des Entweder-Oder, sondern eine Frage der Marktanteile.

  2. Andrew Luis

    vor 5 Jahren

    Power to X. Es fehlt als wählbare Option Power to Power, bzw. treffender vielleicht: Power to Battery. Wenn man Entwicklungen wie z.B. Silizium-Luft Batterien verfolgt, die 6-10 fache Energiedichten prognostizieren bei umweltfeundlichsten Rohstoffen, ist doch nicht nur der Paradigmenwechsel beim Individualverkehr damit denkbar.

    Schwerlastverkehr per Batterie, Schiffe, die geschmähten "Flugtaxis", Lilium Aviation entwickelt den Elektro-Düsenjet. Und vor allem die autarke Photovoltaik für zuhause mit Batteriespeicher. In dem Zusammenhang wird auch der Individualverkehr viel zu wenig beleuchtet. Mit 40 qm auf dem eigenen Dach, kann man Strom für 20.000 km Jahresfahrleistung erzeugen. Fährt also völlig autark und CO2 frei, selbst mit Supersportwagen, die mit 1 Megawatt Leistung und mehr, bereits zeigen was möglich ist und Rekordzeiten auf den Rennstrecken einfahren.

  3. Hubertus Grass

    vor 5 Jahren

    Aber auch hier, sehr geehrter Herr Revemann, ist eine Lösung in Sicht. Die Dresdner Firma cloud and heat hat sich darauf spezialisiert, die Abwärme der Server zu nutzen. Mehr hier https://www.cloudandheat.com/

  4. Staffan Reveman

    vor 5 Jahren

    Power-to-Heat, ja unbedingt. Ich denke an etwa 14 TWh Strom für deutsche Rechenzentren in 2019. Daraus wird 14 TWh Abwärme die wir in die Atmosphäre verklappen. Warum? Weil z.B. die Fernwärmenetzbetreiber sich nicht dafür zuständig fühlen. In Schweden bezahlen die Fernwärmenetzbetreiber für Abwärme, nicht nur aus Rechenzentren. Über Sektorenkopplung wird gerne geredet aber nicht gehandelt.

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