Mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr Europa

Gastautor Portrait

Dr. Joachim Pfeiffer

Wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Dr. Joachim Pfeiffer ist wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er studierte an der Universität Stuttgart technisch orientierte Betriebswirtschaftslehre und war während des Studiums Stipendiat der Konrad Adenauer Stiftung. Seine politische Karriere begann er 1990. Seit 2002 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags und seit 2009 wirtschaftspolitischer und seit 2014 wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Außerdem ist er seit 2006 Lehrbeauftragter für Energiepolitik am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart. Foto: DOGMA

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03. Dezember 2020
Mehr Markt, mehr Europa

Das Wort haben die Energiepolitiker*innen.
Eine Anmerkung der Redaktion

Wie geht es weiter mit der Energiewende? Wenn alle von der Sektorkopplung reden, Millionen Pkw elektrisch fahren, nicht mehr mit Öl und Gas, sondern mittels Wärmepumpe oder Wasserstoff geheizt werden soll, dann brauchen wir viel mehr grünen Strom. Wir brauchen grünen Strom auch, um die Prozesse in der Industrie zu dekarbonisieren. Und dieser Wechsel – von fossil auf erneuerbar – muss schnell geschehen, denn sonst lässt sich die Verpflichtung aus dem Pariser Klimaabkommen nicht einhalten. Dort haben die Nationen sich festgelegt, „den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2°“ zu begrenzen.

Wir haben die energiepolitischen Sprecher*innen der Fraktionen im Deutschen Bundestag gefragt, woher er kommen soll, der grüne Strom? Konkret wollten wir wissen:

  • Wie hoch wird der Strombedarf 2030 sein?
  • Wie viel erneuerbaren Strom brauchen wir, um die Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens einzuhalten?
  • Ist es opportun, große Mengen Energie (als Strom oder als Wasserstoff?) zu importieren? Aus Europa? Aus Afrika?

Wir bedanken uns für die Gastbeiträge, die uns als Antwort auf unsere Anfrage erreichten. Heute schreibt Dr. Joachim Pfeiffer, CDU.

Mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr Europa

Klimaschutz ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Er muss aber mit Augenmaß erfolgen und im Einklang mit den anderen vielfältigen Zielen und Interessen unserer Gesellschaft stehen. Statt Aktionismus und Ideologie braucht Deutschland eine Klimaschutzpolitik mit Vernunft und Verstand.

Dafür gilt es, die Energiewende noch stärker wettbewerblich und innovationsorientiert zu gestalten und grenzüberschreitend zusammenzuarbeiten. Nur so werden die Klimaziele erreicht!

Mehr Markt: Markt- und Systemintegration der Erneuerbaren vorantreiben

Konventionelle Energieträger spielen spätestens 2038 keine Rolle mehr auf dem Strommarkt.

Dr. Joachim Pfeiffer

Der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien ist ohne Zweifel ein wichtiger Baustein der Energiewende. Er bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Die Förderkosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) steigen von Jahr zu Jahr. 2019 erhielten die Betreiber von EE-Anlagen mit 27,5 Mrd. Euro die höchste Förderung aller Zeiten. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie muss die Koalition im kommenden Jahr die EEG-Umlage zusätzlich mit rund 11 Mrd. Euro stabilisieren, damit diese nicht durch die Decke schießt. Der ursprüngliche Gedanke des EEGs als Innovationstreiber und Anschubfinanzierung endgültig ad absurdum geführt. Die Förderung wurde zum Marktersatz und der Treiber zum Bremser.

Konventionelle Energieträger spielen spätestens 2038 keine Rolle mehr auf dem Strommarkt. Die Erneuerbaren können sich folglich ungehindert entfalten. Schon heute sind sie im Strombereich kein Nischenprodukt mehr. Deshalb müssen sie mehr Systemverantwortung übernehmen und sich zunehmend dem Wettbewerb stellen, vor dem sie die EEG-Umlage bisher abschirmte. Dafür sind in der EEG-Novelle weitere Reformschritte notwendig: Das alte Subventionsregime sollte – parallel zum Kohleausstieg – vollständig abgeschafft werden. Dies könnte beispielsweise durch die schrittweise Verkürzung der Förderdauer in den EEG-Ausschreibungen in den kommenden Jahren erfolgen.

Parallel ist ein Systemwechsel einzuleiten und ein sektorübergreifendes, intelligentes Energiesystem zu schaffen. In erster Linie sind dafür die bestehenden regulatorischen Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Dazu zählen mehr Anlagen in die Ausschreibung zu überführen und die Förderung bei negativen Preisen zu streichen. Fest steht, das einseitige Setzen auf bloße Erzeugung ohne Anreize für Innovationen sowie Netz- und Systemintegration ist eine extrem teure Sackgasse, die inzwischen die Energiewende ernsthaft gefährdet. Dabei ist die Digitalisierung von zentraler Bedeutung und macht auch vor den Erneuerbaren nicht Halt. Es ist deshalb richtig und wichtig mit der EEG-Novelle diese unter anderem bei Smart-Meter-Pflichten voranzutreiben. Im zukünftigen Strommarkt ist die Flexibilisierung der Nachfrage ein zentrales Element. Demand-Side-Management – ob in der Industrie, im Gewerbe oder bei den privaten Haushalten – wird eine signifikante Rolle bei der Systemsicherheit einnehmen – etwa durch Lastabwurf oder Lastverschiebung. Damit entstehen gleichzeitig neue intelligente Marktmodelle, mit denen auch kleinere PV-Anlagen zum Prosumer werden und so für das Gesamtsystem Verantwortung übernehmen. Auch beim Netzausbau muss der Turbo gezündet werden. Deutschland hinkt insgesamt beim Ausbau der Stromnetze sieben Jahre hinterher.

Beim Ausbau der Erneuerbaren muss Deutschland zu einem effizienten und effektiven Pfad zurückkehren. Ein wichtiger Schritt ist das kürzlich verabschiedete Wind-auf-See-Gesetz. Mit diesem wird Offshore zur tragenden Säule der Energiewende und macht Deutschland weltweit zum Vorreiter und Technologieführer. Auch an Land gilt es, den Ausbau zielgerichtet zu forcieren, wo er sinnvoll ist. Das bedeutet in windreichen Regionen die Windkraft und in sonnenreichen Regionen den Photovoltaikausbau zu fördern. Klar ist, Klimaschutz wird nur dann Akzeptanz bei den Bürgern finden, wenn er den Wirtschaftsstandort stärkt und Arbeitsplätze schafft.

Mehr Wettbewerb: Effizienz und Innovationen als Schlüssel

Eines ist bei der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie von großer Bedeutung: Die Fehler des EEG sind zu vermeiden.

Dr. Joachim Pfeiffer

Für eine erfolgreiche Dekarbonisierung ist insbesondere die wettbewerbliche Steigerung der Energieeffizienz in allen Sektoren voranzutreiben. Mit der Klimaeffizienzsstrategie 2050 hat die unionsgeführte Bundesregierung so viel Geld wie noch nie in die Hand genommen und ein umfangreiches Programm auf den Weg gebracht. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung schafft beispielsweise spürbare Anreize für mehr Energieeffizienz in selbstgenutzten Wohngebäuden und die Heizungsaustauschprämie kurbelt die CO2-Reduktion an.

Darüber hinaus ist zu prüfen, wie die Netzentgeltsystematik neu strukturiert werden kann. Die bisherigen parallelen Fördersysteme sind in einem neuen Marktdesign zusammenzuführen, in dem alle Technologien von Erneuerbaren über konventionelle Kraftwerke bis zu Speicher, Flexibilitäten und Digitalisierung nach wettbewerblichen Kriterien zusammengefasst werden. Das schafft Anreize für mehr Wettbewerb und Innovation, da der Zubau automatisch dort erfolgt, wo er noch netzverträglich ist und sich Anlagenbetreiber Gedanken über die Verwendung des Überschussstroms, der abgeregelt wird, machen müssen.

Die eingeführten Innovationsausschreibungen sind ein weiterer Schritt für einen zukunftsfähigen und marktwirtschaftlichen Energiemarkt. Sie bieten das Potenzial, neue Preisgestaltungsmechanismen und Ausschreibungsverfahren zu testen. Die Ausschreibung vom 1. September 2020 war überzeichnet. Das zeigt, es besteht großes Interesse. Jetzt gilt es, diese auszuweiten. Sie müssen umfassend, technologieübergreifend und grenzüberschreitend stattfinden. Auch Flexibilitätsoptionen, Speicher und Netze sind miteinzubeziehen.

Einem Energieträger kommt bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu. Wasserstoff ist vielfältig einsetzbar und kann der “Missing Link“ für dekarbonisierte Energiesysteme von der Stahlerzeugung bis zur chemischen Industrie sein. Deshalb braucht es neben der Forschung und Entwicklung bereits jetzt angebotsseitige Förderungen sowie konkrete Projekte und einen schnellen systemischen Markthochlauf mit nennenswerten Nachfragevolumina.

Eines ist bei der Umsetzung der Nationalen Wasserstoffstrategie von großer Bedeutung: Die Fehler des EEG sind zu vermeiden. Es braucht einen systemischen Ansatz, der unter anderem Fragen des Transports und der Abnahme sowie der Speicherung und Flexibilität adressiert. Auch muss es gelingen, die Wertschöpfungsketten in Deutschland zu halten und damit aus den Fehlern der Photovoltaik-Förderung zu lernen.

Mehr Europa: Länderübergreifende Kooperationen und gemeinsame Strategie

Deutschland alleine wird das Klima nicht retten. Globale Probleme wie der Klimawandel lassen sich nur durch multilaterale Zusammenarbeit lösen. Deswegen gilt auch für die Klima- und Energiepolitik: Multilateralismus vor nationalen Alleingängen. Das bedeutet, den Europäischen Emissionshandel (ETS) als ein zentrales und bewährtes Klimaschutzinstrument weiter zu stärken, auf alle Sektoren auszuweiten und europäisch anschlussfähig zu machen. Dies hebt Effizienzpotentiale, statt sie durch einseitige nationale Maßnahmen zu konterkarieren. Die Stärkung des ETS sollte mit der Bereinigung des Klimaschutzinstrumentenkastens einhergehen. Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie muss auf die Schaffung eines internationalen level-playing-fields hingearbeitet werden.

Deshalb gilt mehr denn je der Dreiklang: Mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr Europa.

Diskutieren Sie mit

  1. Gerd Reiche

    vor 3 Jahren

    Der Beitrag liest sich wie eine Kritik eines Oppositionspolitikers. Alles, was Herr Pfeiffer hier kritisiert, hätten die CDU und er in den letzten 15 Jahren umsetzen können. Herr Pfeiffer versucht hier vom eigenen Versagen abzulenken. Denn statt die Mängel zu beheben, haben die CDU und er sie zu verantworten.
    Beispiel Markt: Statt für mehr Markt zu sorgen, haben die zahlreichen Reformen des EEG dazu geführt, dass das EEG ein Bürokratiemonster ist. Die aktuelle Novelle führt diesen Irrsinn fort. Man schaue sich die komplizierte und hohe Abgabenlast beim Strompreis mal an. Das ist das Ergebnis von 15 Jahren CDU-Energiepolitik.
    Mehr Europa: Wer hat mehr Klimaschutz in Europa seit Jahren verhindert? Die CDU-geführte Bundesregierung. Legendär die zahlreichen Interventionen - selbst von der Kanzlerin - für laschere Vorgaben bei den Pkws. Und auch beim ETS waren es die CDU und Regierungsvertreter, die einen wirksamen Handel mit Treibhausgasen verhindert haben.
    Und dann diese (man kann es nicht anders sagen) verlogenen Aussagen: "Deutschland alleine wird das Klima nicht retten. Globale Probleme wie der Klimawandel lassen sich nur durch multilaterale Zusammenarbeit lösen." Es gibt eine unterschriebenen und ratifzierten multilateralen Vertrag zum Klimaschutz - das Pariser Klimaabkommen. Der ist auch für Deutschland rechtsverbindlich. Wenn es Herrn Pfeiffer um die multilaterale Zusammenarbeit ginge, würde er sich dafür einsetzen, den Vertrag zu erfüllen. Keine Silbe verschwendet er an diesen Gedanken.
    Der Beitrag von Herrn Pfeiffer ist ein Versuch, die Öffentlichkeit zu täuschen und die Ursachen des Versagens beim Klimaschutz zu verschleiern.

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