Kommunikation und Bürgerbeteiligung für die Energiewende

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Frank Brettschneider

Universität Hohenheim

Prof. Dr. Frank Brettschneider leitet seit 2006 das Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Bau- und Infrastrukturprojekten, die Verständlichkeitsforschung sowie die politische Kommunikation und die Wahlforschung. 1996 wurde er mit dem Wissenschaftspreis des Deutschen Bundestages für Arbeiten zum Parlamentarismus ausgezeichnet. Er ist unter anderem Vorsitzender des Richtlinienausschusses des Vereins Deutscher Ingenieure zur VDI 7001 (Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekten – Standards für die Leistungsphasen der Ingenieure), Mitglied im Wissenschaftlichen Arbeitskreis für Regulierungsfragen (WAR) der Bundesnetzagentur und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung der Landesregierung Baden-Württemberg.

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18. Oktober 2018
Landwirt mit Traktor vor Windkraftanlage

Offenkundig hat die Energiewende ein Kommunikationsproblem

Prof. Dr. Frank Brettschneider

In Bevölkerungsumfragen ist die Unterstützung für die Energiewende als abstraktes Konzept groß. Bei konkreten Projekten kommt es aber oft zu Protesten. Hier ist das NIMBY-Phänomen zu beobachten – „Not in my Backyard“. Also: Energiewende ja, aber keine Stromüberlandleitung und keine Windenergieanalage bei mir in der Nähe. Offenkundig hat die Energiewende ein Kommunikationsproblem. Und dieser Vorwurf richtet sich in erster Linie an die politischen Entscheider. Sie betrachten die einzelnen Bestandteile der Energiewende viel zu isoliert: Es geht meist um Einzelaspekte, zum Beispiel die Übertragungsnetzplanung. Was an Verteilnetzen dranhängt, ist dann eine ganz andere Frage. Auch Strom und Wärme werden voneinander abgekoppelt. Es fehlt die große Erzählung: Warum machen wir die Energiewende? Was machen wir da? Und warum können wir darauf stolz sein? Es fehlt auch die Kommunikation der Zwischenerfolge.

Dabei ist spätestens seit „Stuttgart 21“ klar: Die rechtliche Legitimation alleine reicht für die Akzeptanz von Infrastrukturprojekten nicht mehr aus. Es braucht auch eine Legitimation durch Kommunikation – und zwar von der Grundlagenermittlung bis zur Baufertigstellung. Frühzeitig, kontinuierlich und proaktiv. Am Anfang muss das Ob stehen: Warum brauchen wir eine bestimmte Infrastruktur? Dann kommen die Kriterien für die Beurteilung von Varianten – also das Wie. Erst dann geht es mit der konkreten Ausgestaltung weiter. Da muss ein Schritt auf den anderen aufbauen. Politische Entscheider dürfen sich hier nicht wegducken und die Vorhabenträger im Regen stehen lassen.

Bezogen auf die Kommunikation über Energiewende-Projekte heißt das: Der Ausgangspunkt muss die Energiewende und ihre Begründung sein. Dann kommt die Umsetzung. Und die ist sehr komplex und vielschichtig. Das muss deutlich gemacht werden. Bei jedem Projekt vor Ort muss wieder Bezug zum Ausgangspunkt genommen werden. Und: Gesellschaftlich tragfähige Lösungen sind nur gemeinsam zu finden – Bürger, Vorhabenträger, Politik und Verwaltung sind gefordert.

Dabei gibt es keine Kommunikationsstrategie „von der Stange“. Wie kommuniziert werden sollte, hängt immer von den konkreten Bedingungen eines Projektes ab – von der Vorgeschichte, den örtlichen Gegebenheiten, der politischen Situation. Deswegen muss am Anfang eine gründliche Analyse stehen. Erstens: Wie groß ist der inhaltliche Spielraum bei einem Projekt? Wenn man frühzeitig anfängt, gibt es den meist noch. Dann sollte man auch dialogisch beteiligen. Wenn es keinen Spielraum mehr gibt, geht es lediglich um Information. Zweitens: Wer sind die Stakeholder? Drittens: Welche Themenfelder sind relevant? Jede Akteursgruppe verbindet mit einem Projekt andere Themen. Darüber muss man sich klar werden.

Bei der Umsetzung muss man vor allem die dialog-orientierte Kommunikation ernst nehmen und ernst meinen. Früher wurde Kommunikation oft als platte PR verstanden. Richtig viel gemacht wurde erst, wenn der Streit eskalierte – da sollte die Kommunikation dann schnell Probleme lösen. Kommunikation ist aber kein Erfüllungsgehilfe zum Durchsetzen einer Position, sondern eine Managementfunktion. Bei neueren Vorhaben wird das bereits häufiger verstanden. Schon bei der ersten Besprechung gehören die Kommunikatoren an den Tisch. Sie haben einen anderen Blick als Juristen, Ingenieure und Betriebswirte.

Statistiken zur Frage nach positiver Beinflussung von Kommunikation in Projekten
Studie Bau- und Infrastrukturprojekte: Erfolgsfaktor „Projekt-Kommunikation“: "Hat Ihr freiwilliger Einsatz von Kommunikation Ihr Projekt beeinflusst? Falls ja, in welcher Form wurde das Projekt beeinflusst?"

Grafik: Prof. Dr. Frank Brettschneider, Ulrich Müller

Dialog darf aber kein Pseudo-Dialog sein. Das merken Menschen, und dann fühlen sie sich zu Recht verschaukelt. Und es gibt eine operative Seite von „Augenhöhe“ – das ist das Format etwa einer Bürgerinformationsveranstaltung. Nicht auf Augenhöhe sind Frontalformate, bei denen Vorhabenträger von einer Bühne herab auf die Zuhörer einreden. Marktplatz-Formate mit Info-Ständen zum Austausch sind sehr viel besser geeignet. Auf Augenhöhe heißt auch, Expertensprache in Laiensprache zu übersetzen. 

Ebenfalls wichtig: Die Berichterstattung der Tageszeitungen und Gespräche von Angesicht zu Angesicht sind viel wirkungsvoller als Social-Media-Aktivitäten. Die sozialen Medien führen häufig dazu, dass in Konfliktsituationen jeder nur noch in seinem eigenen Kosmos unterwegs ist. Befürworter verstärken sich gegenseitig. Und Gegner tun das auch. Ein sachlicher Austausch wird dadurch erschwert. Diskussionen sollten also nicht in den digitalen Raum verlagert werden. Persönliche Begegnung kann nicht ersetzt werden. Aber die Online-Komponente ist für die Transparenz und zu Dokumentationszwecken wichtig. Alles, was offline stattfindet, soll für andere zugänglich sein. Dazu gehören zum Beispiel Protokolle und Planungsunterlagen.

Eine gründliche Analyse der Ausgangslage, eine darauf aufbauende Kommunikations-Strategie, die richtigen Botschaften und die richtigen Kommunikations-Instrumente – das alles ist notwendig. Eine Erfolgsgarantie ist das zwar auch nicht. Aber es nicht zu machen, macht es für Projekte der Energiewende noch schwerer. Dann gibt es Einwände im Planfeststellungsverfahren, Projektverzögerungen, Klagen. Nicht Bürgerbeteiligung bremst die Energiewende aus, sondern das Gegenteil.

Das zeigt auch eine Studie, die wir gerade zusammen mit dem österreichischen Beratungsunternehmen wikopreventk durchgeführt haben. 97 Vorhabenträger aus Deutschland und Österreich haben uns darin Auskunft gegeben, wie sie bei ihren Infrastrukturprojekten kommunizieren, wie sie die Bevölkerung beteiligen und was das alles bringt. Das Bild ist eindeutig: Zwei Drittel der Befragten sagen, dass ihre freiwillige Kommunikation und Beteiligungsangebote den Projektverlauf positiv beeinflusst haben. Und ebenfalls zwei Drittel sagen, dass der Nutzen die entstandenen Kosten überwiegt.

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  1. R. Guss

    vor 10 Monaten

    Wenn es der Regierung wirklich um Klimaschutz ginge (und nicht nur um ein Konjunkturprogramm für Wärmepumpe & Co), dann würde man die 11,1 Mio-Tonnen CO2-Verri gerungen jährlich, die Tempo 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen brächten, nicht ignorieren bzw. von der FDP verbieten lassen. Um diese Einsparung jährlich mit der Wärmewende zu erzielen, bedarf es rd. 4,2 Mio. Wärmepumpen. In Euro umgerechnet kostet das die Bürger rd. 126 Mrd. privaten Einsatzes. Ein Tempolimit ist fast kostenlos erreichbar.
    Fazit: Wer soll DAS noch verstehen???

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