Klimaneutralität für Betriebe: Ohne Wasserstoff nicht erreichbar

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Louise Maizières

Leiterin des Referats Wasserstoff, Wärme und alternative Antriebe; Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK)

Louise Maizières kam im März 2022 zur Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin als Verstärkung für die Abteilung Energie, Umwelt und Industrie. In ihrer aktuellen Position ist sie verantwortlich für das Referat Wasserstoff, Wärme und alternative Antriebe. Bevor sie zum DIHK wechselte, sammelte Louise wertvolle Berufserfahrung bei Beratungsunternehmen in Brüssel und Berlin. Während dieser Zeit lag ihr Fokus auf verschiedenen Themenbereichen, darunter Mobilität, Energie und internationale Beziehungen.

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27. September 2023
Copyrights: Scharfsinn86 / iStock / Getty Images Plus (Lizenzfrei)

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Doch gerade für Unternehmen gestaltet sich dieser Weg oft schwierig. Zum einen lassen sich nicht alle betrieblichen Prozesse problemlos elektrifizieren. Denn die Prozesswärme erfordert in manchen Fällen, wie beispielsweise in der Glas- und Keramikindustrie, hohe Temperaturen, die derzeit nicht mithilfe von Strom erreicht werden können. Zum anderen soll ebenfalls die stoffliche Nutzung der Energie klimaneutral werden. Hier kann der Einsatz von Wasserstoff eine entscheidende Rolle spielen. Denn er kann in bestimmten Industriesektoren statt fossiler Energie als Grundstoff eingesetzt werden wie zum Beispiel in der Produktion von Düngemitteln sowie von e-Fuels.

Darüber hinaus hat die Entwicklung erneuerbarer Energien höchste Priorität und sollte es auch weiterhin haben. Allerdings stoßen die aktuellen Stromnetze an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die von der Bundesregierung in ihren aktuellen Zielen festgelegte Energiemenge zu transportieren. Das führt in Zeiten hoher Nachfrage oder hoher Energieerzeugung zu Engpässen. Auch hier kann uns der Einsatz von Wasserstoff helfen, indem er als Flexibilitätslösung ins Spiel kommt: Denn Wasserstoff kann als Zwischenspeichermedium für den Überschuss an Grünstrom genutzt werden.

Der Einsatz von Wasserstoff ist damit ein entscheidender Schlüssel zu Erreichung unserer klimapolitischen Ziele. Doch warum wird er noch nicht flächendeckend eingesetzt? Dieser Artikel beleuchtet die Hürden und Chancen auf dem Weg zur Wasserstoffwirtschaft in Deutschland.

Mangelnde Planungssicherheit lässt Unternehmen zögern

Aufgrund mangelnder Planungssicherheit zögern viele Unternehmen, derzeit noch auf Wasserstoff zu setzen. Denn auf dem Weg zur betrieblichen Klimaneutralität stoßen die Betriebe auf zahlreiche Hürden, die den Einstieg auf Wasserstoff verhindern.

Louise Maizières

Aufgrund mangelnder Planungssicherheit zögern viele Unternehmen, derzeit noch auf Wasserstoff zu setzen. Denn auf dem Weg zur betrieblichen Klimaneutralität stoßen die Betriebe auf zahlreiche Hürden, die den Einstieg auf Wasserstoff verhindern. Hier nur einige davon:

Für den betrieblichen Alltag steht das Thema Versorgungssicherheit ganz oben auf der Prioritätenliste. Viele Firmen haben Angst vor unzureichenden Mengen: Die deutsche Bundesregierung geht in ihrer Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie von Juli 2023 von einer Wasserstoffnachfrage von bis zu 130 TWh im Jahr 2030 aus. Den langfristigen Szenarien des BMWK zufolge sollte die Wasserstoffnachfrage bis 2045 auf 440 TWh ansteigen. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 werden in Deutschland 55 TWh grauer Wasserstoff produziert. Daher sind viele Unternehmen verunsichert, ob beziehungsweise wann sie überhaupt Wasserstoff beziehen können.

Kopfzerbrechen macht vielen Betrieben auch der Ausbau der Infrastruktur. Die Pläne der Bundesregierung für das Wasserstoff-Kernnetz kommen aus Sicht der Wirtschaft zu spät und sind für viele Teile Deutschlands unzureichend. Stattdessen gilt: Die Entwicklung der Wasserstoff-Infrastruktur sollte im Einklang mit dem Stromsystem, den Importkapazitäten und der Nachfrageentwicklung erfolgen. Und das muss weit vor Ende 2032 passieren, also vor dem Ziel, das die vom Bundeskabinett beschlossene Regelung zum Wasserstoff-Kernnetz vorsieht.

Ein Schlüssel zur temporären Lösung dieser Unsicherheit könnte der europaweite bilanzielle Bezug von Wasserstoff sein. Auf diese Weise könnten Unternehmen übergangsweise und bevor sie an die Infrastruktur angeschlossen werden, in grünen Wasserstoff investieren und Zertifikate erhalten, die sie bilanziell anrechnen könnten, ohne jedoch physisch Wasserstoff zu beziehen.

Entscheidend für den künftigen Einsatz von Wasserstoff sind auch wettbewerbsfähige Preise: Um Anreize für Unternehmen zu schaffen, die Produktion auf grünen Wasserstoff umzustellen, müssen die Preise wettbewerbsfähig sein. Dies erfordert nicht nur günstigen grünen Strom, sondern auch eine skalierte Produktion. Eine europäische Strategie für den Import CO2-neutraler Gase würde es ermöglichen, ein hohes Wasserstoffangebot aufrechtzuerhalten.

Wie kann ein erfolgreicher Markthochlauf organisiert werden?

Damit Deutschland seinen Wasserstoffbedarf zukünftig decken kann, ist ein deutlicher Anstieg des Marktvolumens erforderlich. Die derzeitigen Mengen in der Planung der Bundesregierung sind unterschätzt, da sie den Bedarf vieler wichtiger Wirtschaftsakteure außer Acht lassen.

Die Nutzung von kohlenstoffarmem Wasserstoff, unabhängig von seiner Farbe, ist daher in einer Übergangszeit unerlässlich und sollte insofern gefördert werden, als sie die Marktetablierung des Wasserstoffs ermöglicht.

Forschung und Innovation als Schlüssel

Die Wasserstofftechnologie muss stetig weiterentwickelt werden, um ihre Einsatzmöglichkeiten und Effizienz zu verbessern. Wenn Elektrolyseure beispielsweise viel Energie beim Hoch- und Herunterschalten benötigen, könnten durch Forschung und Entwicklung diese Energiebedarfe reduziert werden, so dass sie im Fall von Strom-Überkapazitäten energieeffizienter eingeschaltet werden können. Es ist daher entscheidend, verstärkt in Forschung und technologische Innovation zu investieren, um wettbewerbsfähige Lösungen zu entwickeln.

Internationale Kooperation mit zuverlässigen und vielen unterschiedlichen Partnern

Ohne Wasserstoff wird die vollständige Klimaneutralität in Unternehmen nicht erreichbar sein.

Louise Maizières

Ein großer Teil der Wasserstoffnachfrage wird durch Importe gedeckt werden, auch langfristig. Daher ist es wichtig, auf die Entwicklung internationaler Kooperation mit zuverlässigen und breit gestreuten Partnern zu setzen. Die Gewährleistung von Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards bei der ausländischen Produktion ist in dieser Hinsicht entscheidend.

Wasserstoff ist die Lösung für viele Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität von Unternehmen. Durch Planungssicherheit, wettbewerbsfähige Preise, einen Markthochlauf in Deutschland, Forschung und Innovation sowie internationale Kooperation können wir den Einsatz von Wasserstoff vorantreiben. Ohne Wasserstoff wird die vollständige Klimaneutralität in Unternehmen nicht erreichbar sein. Es liegt an uns, die Voraussetzungen dafür in Deutschland zu schaffen und den Weg zur Wasserstoffwirtschaft zu ebnen. Nur so können wir die Klimaziele bis 2045 erreichen und eine nachhaltige Zukunft für alle sichern.

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