Konjunkturprogramme: Wir brauchen einen Klima-Check

Gastautor Portrait

Prof. Dr. Karen Pittel, Dr. Christine Merk, Prof. Dr. Gernot Klepper, Prof. Dr. Frank Wätzold

Gastautoren

Prof. Dr. Karen Pittel ist Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. Die Professorin für Volkswirtschaftslehre, insbes. Energie, Klima und erschöpfbare natürliche Ressourcen lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Dr. Christine Merk ist Wissenschaftlerin in den Research Centern Umwelt und Natürliche Ressource am Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW. Sie forscht u. a. über Trade-off-Entscheidungen zwischen Mitigation und Climate Engineering Technologien auf der Individualebene. Prof. Dr. Gernot Klepper forscht am Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW, wo er Leiter des Research Center Umwelt und natürliche Ressourcen war. Seit 2014 koordiniert er den Dialog zur Klimaökonomie im Rahmen des BMBF Förderschwerpunkts Ökonomie des Klimawandels. Er ist Sprecher des Kiel Earth Institutes. Professor Dr. Frank Wätzold hat einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Umweltökonomie, an der BTU Cottbus-Senftenberg inne. Seine Forschungsgebiete sind die ökonomische Analyse von umweltpolitischen Instrumenten, die Ökonomie des Biodiversitätsschutzes sowie die regionale Entwicklung.

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29. Juni 2020

Angesichts der Bedeutung des Klima- und Umweltschutzes muss jedes Programm zur Erholung der deutschen Wirtschaft ökologisch ausgerichtet sein. Aber werden die Beschlüsse des Koalitionsausschusses diesem Ziel gerecht? Immerhin, das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturprogramm enthält erfreulich viele „grüne“ Bestandteile. Insbesondere die geplanten Investitionen in klimafreundliche Zukunftstechnologien und Infrastrukturen können helfen, die deutsche Wirtschaft fit für die Zukunft zu machen. Auch der Verzicht auf eine allgemeine Abwrackprämie und die Deckelung der EEG-Umlage sind aus klimapolitischer Sicht positiv.

Kopplung der Maßnahmen an die Klimaziele fehlt

Klimaschutz wird weiterhin industrie- und sektorspezifisch interpretiert.

Es wurde allerdings verpasst, die Vereinbarkeit mit den deutschen und europäischen Klimazielen als Querschnittsthema des Konjunkturprogramms zu etablieren; Klimaschutz wird weiterhin industrie- und sektorspezifisch interpretiert. Die genannten Maßnahmen zielen auf die Bereiche Mobilität, Wasserstofftechnologien und -märkte und Gebäude und betreffen jenseits der Infrastruktur- und Technologieförderung primär Einzelmaßnahmen, die in vielen Fällen zudem nur temporärer Natur sind.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt – dieses Sprichwort kommt unweigerlich in den Sinn, wenn Digitalisierung als Zukunftstechnologie erheblichen Raum einnimmt, auf Aspekte wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz aber so gut wie gar nicht eingegangen wird. Auch bei den Investitionsprogrammen des Bundes finden Klimaaspekte nur punktuell Eingang, und auch steuerliche Forschungszulagen für Unternehmen werden ohne Bezug zu Nachhaltigkeitsaspekten gewährt. Obwohl technologieoffene Förderpolitiken in der Regel sinnvoll sind, stellt sich hier die Frage, warum sie nicht an andere Ziele gekoppelt sind. Die Bundesregierung hat zwar wiederholt ihr Festhalten an den langfristigen Klimazielen betont, allerdings haben viele Unternehmen und Bürger durchaus Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit.

Um Fehlinvestitionen im aktuellen Klima der Unsicherheit zu vermeiden, wäre ein Bekenntnis zu den langfristigen Klimazielen im Entwurf des Konjunkturprogramms hilfreich gewesen. Im Zusammenwirken mit der Einführung eines allgemeinen Klima-Checks für die Investitionsförderung hätte dies eine Stabilisierung der Erwartungen gefördert, die vom aktuellen Programm nicht zu erwarten ist. Die Erfahrungen aus der Finanzkrise von 2008/2009 sollten hier als warnendes Beispiel dienen. Obwohl der Green Deal der EU auch von Deutschland stärkere Klimaschutzanstrengungen erfordert, nutzt das Konjunkturprogramm die Chance, den Aufschwung damit vereinbar zu machen, nur eingeschränkt.

Wachstumsimpulse mit dem Klimaschutz verknüpfen

In vielen Fällen kann der Wachstumsimpuls jedoch gut mit dem Klimaschutz verknüpft werden.

Der Ruf, die Corona-Krise als Impuls für einen tief greifenden wirtschaftlichen Wandel zu einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu nutzen, erweckt derzeit ein gewisses Déjà-Vu: Konjunkturpakete nach der Finanzkrise 2008 wurden in vielen Ländern als „green stimulus packages“ verkündet, die den wirtschaftlichen Aufschwung direkt in eine neue, grüne Richtung lenken sollten. Die klimapolitische Bilanz dieser Konjunkturpakete ist zehn Jahre später jedoch ernüchternd: Der Wachstumstrend der globalen CO₂-Emissionen ist abgesehen von einem Knick im Krisenjahr ungebrochen.

Gezielt ökologische Projekte senkten die Emissionen nicht nachhaltig. Die neuen Technologien waren gegenüber den Preisen fossiler Energieträger aufgrund fehlender klimapolitischer Leitplanken letztlich nicht wettbewerbsfähig.

Die mittel- bis langfristige Unterstützung von Unternehmen und die Anreize für die Anschaffung langlebiger Konsumgüter werden sich nicht nur an konjunkturellen Zielen messen lassen müssen. Diese Investitionen sollten die Emissionspfade bis zur Mitte des Jahrhunderts so beeinflussen, dass sie zur Erreichung der Klimaziele beitragen.

Ein niedriger oder noch gar nicht vorhandener CO₂-Preis macht viele klimafreundliche Investitionen heute ohne staatliche Zuschüsse unattraktiv, obwohl sie sich bei zukünftig höheren CO₂-Preisen rechnen werden. Den Klimaschutz zum einzigen Kriterium zu machen, wäre natürlich angesichts der mit der Pandemie verbundenen Wachstumsschwäche und den damit verbundenen sozialen Härten unverantwortlich. In vielen Fällen kann der Wachstumsimpuls jedoch gut mit dem Klimaschutz verknüpft werden.

Klima-Check als Bewertungsrahmen

Eine systematische Verknüpfung von Konjunktur- und Klimazielen scheint aber auch in dieser Krise verpasst zu werden.

Um rasch Klarheit für Unternehmen sowie Haushalte zu schaffen, müsste die Politik schnell Nachhaltigkeitskriterien für Investitionshilfen und Nachfragestimulierung kommunizieren. Eine systematische Verknüpfung von Konjunktur- und Klimazielen scheint aber auch in dieser Krise verpasst zu werden. Ein vorgeschriebener Klima-Check als Bewertungsrahmen, der konjunkturpolitische Maßnahmen auf klimapolitische Ziele ausrichtet, könnte angesichts zukünftig höherer CO₂- und damit Energiepreise die Entstehung von Fehlinvestitionen wesentlich effektiver verhindern. Ein solcher Klima-Check gäbe Aufschluss über den Beitrag einer Maßnahme zum Klimaschutz: positiv, negativ oder neutral. Um die Konjunkturmaßnahmen nicht zu verzögern, müsste ein solcher Test schnell und effektiv sein. Generell könnte sich ein Klima-Check an den Bewertungskriterien für Klimarisiken (Carbon Risk Assessments) orientieren, die Investoren, Banken und Versicherungen bereits heute einsetzen, um die Profitabilität von Investitionen bei zukünftig höheren CO₂-Preisen zu prüfen.

Es muss aber bereits heute über die Corona-Krise hinaus gedacht werden. Die Privatwirtschaft tätigt den Mammutanteil der Investitionen einer Volkswirtschaft. Wichtigstes Kriterium sind die Erwartungen über deren langfristige Profitabilität. Die bereits beschlossenen sowie die im Zusammenhang mit dem Green Deal geplanten Maßnahmen zum Klimaschutz auf deutscher und europäischer Ebene sind daher essenziell. Auch mittel- und langfristig sind dafür einheitliche und transparente Kriterien zur Bemessung der Emissionswirkung entscheidend. Die EU-Taxonomie, mit der die Kompatibilität von Investitionen mit den Nachhaltigkeitszielen transparent gemacht und leichter überprüfbar gemacht werden soll, ist dafür ein wichtiger Schritt.

Wenn eine solche Prüfung aber langfristig die Transformation befördern soll, muss sie in ein konsistentes System aus CO₂-Bepreisung, klimaorientierter Technologieförderung und anderen Energie- und Klimapolitiken eingebettet sein. Das fehlt bisher. Die Politik hat es nun in der Hand, im Laufe der parlamentarischen Beratungen nachzubessern.

Veröffentlichungshinweis

Dieser Beitrag erschien in der Süddeutschen Zeitung. Wir danken den Autorinnen und Autoren für die Genehmigung zur Veröffentlichung.

Autorinnen und Autoren

Prof. Dr. Karen Pittel ist Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. Die Professorin für Volkswirtschaftslehre, insbes. Energie, Klima und erschöpfbare natürliche Ressourcen lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Dr. Christine Merk ist Wissenschaftlerin in den Research Centern Umwelt und Natürliche Ressource am Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW. Sie forscht u. a. über Trade-off-Entscheidungen zwischen Mitigation und Climate Engineering Technologien auf der Individualebene.

Prof. Dr. Gernot Klepper forscht am Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW, wo er Leiter des Research Center Umwelt und natürliche Ressourcen war. Seit 2014 koordiniert er den Dialog zur Klimaökonomie im Rahmen des BMBF Förderschwerpunkts Ökonomie des Klimawandels. Er ist Sprecher des Kiel Earth Institutes.

Professor Dr. Frank Wätzold hat einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Umweltökonomie, an der BTU Cottbus-Senftenberg inne. Seine Forschungsgebiete sind die ökonomische Analyse von umweltpolitischen Instrumenten, die Ökonomie des Biodiversitätsschutzes sowie die regionale Entwicklung.

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