Infrastruktur der Zukunft – Klimaschutz, Energiewende und Netzausbau stehen in engem Zusammenhang

Gastautor Portrait

Evamaria Lutz

Stellvertretende Projektleiterin beim Bürgerdialog Stromnetz

Frau Lutz hat einen Master in internationaler Volkswirtschaftslehre und begleitet die Energiewende sowie den Stromleitungsausbau seit 8 Jahren u. a. bei einem Landesministerium und ist dadurch sehr versiert in Fragestellungen rund um Energieversorgung und Stromnetze. Sie hat verschiedene Energiedialoge, wie den Energiedialog Bayern, begleitet. Darüber hinaus war sie Ansprechpartnerin für Vorhabenträger, Politik und weitere Stakeholder zu aktuellen Fragestellungen zum Übertragungsnetzausbau und zuständig für die Begleitung von Gesetzgebungsverfahren auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Außerdem hat sie an diversen Studien und Gutachten zu den Themenbereichen Energiewende, Energieversorgung, (EU-)Strommarktdesign, Versorgungssicherheit und Bürgerbeteiligung mitgearbeitet. Foto: Marc Theis

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13. Oktober 2021

Klimaschutz zählt zu den politischen Schwerpunkten der Europäischen Union und damit auch Deutschlands. Die EU will ihre Treibhausgase bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 senken und erarbeitet derzeit entsprechende Maßnahmen; Deutschland plant sogar, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dafür wird die Energiewende hierzulande intensiv vorangetrieben: Die letzten bundesweit noch aktiven Kernkraftwerksblöcke sollen bis Ende 2022, die aktuell noch betriebenen Kohlekraftwerke schrittweise bis spätestens 2038 vom Netz gehen.

Stattdessen erzeugen immer mehr Erneuerbare-Energien-Anlagen – vorwiegend im Norden und Osten der Republik – den nötigen Strom. Damit er in die Verbrauchszentren im Süden und Westen des Landes gelangen kann, muss das Stromnetz ausgebaut werden. Weil dies zum Teil Eingriffe in Umwelt und Lebensraum der Menschen erfordert, braucht es einen breit angelegten, gesamtgesellschaftlichen Austausch.

Mehrheit steht hinter Klimaschutzplänen

Rund 90 Prozent der Deutschen befürworten Umfragen zufolge die Klimaschutzpläne und halten den Erneuerbaren-Ausbau für wichtig.

Evamaria Lutz

Hier kommt der Bürgerdialog Stromnetz ins Spiel: Die Initiative vermittelt als neutraler Akteur fundiertes Wissen zum Stromnetzausbau in Deutschland und berücksichtigt die Belange der BürgerInnen.

So befürworten rund 90 Prozent der Deutschen Umfragen zufolge die Klimaschutzpläne und halten den Erneuerbaren-Ausbau für wichtig. Wird aber der Bau von Höchstspannungsleitungen oder Erneuerbare-Energien-Anlagen konkret, wächst der Widerstand der Betroffenen oft schnell. Dies bezeichnet Professor Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim, als NIMBY-Phänomen („Not in my backyard“): „Man ist prinzipiell für die Energiewende, aber bitte nicht zulasten des eigenen Grundstückswertes oder der schönen Aussicht auf die Landschaft.“ Oft würden jedoch andere Gründe vorgeschoben, etwa Schattenwurf oder Infraschall von Windkraftanlagen. Um BürgerInnen ihre Bedenken zu nehmen, sucht der Bürgerdialog Stromnetz frühzeitig das Gespräch auf Augenhöhe.

Bürgerdialog Stromnetz informiert auf allen Kanälen

Dazu bietet die Initiative vielfältige Informationen und beantwortet individuelle Fragen der BügerInnen. Interessierte können zum Beispiel das Online-Bürgerbüro oder ihre(n) Regionale(n) AnsprechpartnerIn direkt kontaktieren. Darüber hinaus finden sie auf den Social-Media-Kanälen Twitter (@stromnetzdialog) und Instagram (@stromnetzdialog) neben Veranstaltungshinweisen viel Aktuelles rund um die Energiewende und den Stromnetzausbau. Ein regelmäßig erscheinender Newsletter, der neue Podcast „Stromnetzdialog“ und eine eigens entwickelte Strom-Quiz-App ergänzen das Online-Angebot. Nicht zuletzt versorgt ein Presse- und Medienteam lokale und regionale Medien neutral und umfassend mit Informationen.

„Grüne" Energie muss quer durchs Land „fließen" können

Der Hauptgrund für den hohen Informationsbedarf: Viele BürgerInnen fragen sich, wie sich der Stromnetzausbau auf Mensch und Umwelt auswirkt. Auf oberster Netzebene spielen Vorhaben wie der SuedLink und der SuedOstLink eine besondere Rolle. Auch auf der Verteilnetzebene müssen verstärkt dezentrale Energiesysteme, darunter private Solaranlagen und E-Autos, in das Stromnetz integriert werden.

Der dazu erforderliche Stromnetzausbau betrifft viele Regionen in Deutschland, von Nord nach Süd und von Ost nach West. Windkraftanlagen in Nord- und Nordostdeutschland sowie der Nord- und Ostsee tragen den größten Anteil an erneuerbar erzeugtem Strom bei. Denn dort sind diese Anlagen besonders ertragreich und lassen sich wirtschaftlich betreiben. Besonders in Mittel- und Süddeutschland gibt es Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte und energieintensiver Industrie. Deren Strombedarf können lokale Erneuerbare-Energien-Anlagen auf absehbare Zeit nicht decken – zumal es an kostendeckenden Energiespeichertechnologien mangelt. Die neuen Stromleitungen braucht es auch, weil das bestehende Übertragungsnetz bereits heute an seine Kapazitätsgrenzen gelangt ist.

Die Versorgungssicherheit steht an erster Stelle

Es braucht eine Kultur, die alle Interessierten einbezieht, fundiertes Wissen vermittelt und die verschiedenen Belange der BürgerInnen berücksichtigt.

Evamaria Lutz

Bislang ist die Energieversorgung in Deutschland sehr sicher. Es gibt so wenige Stromausfälle wie kaum anderswo auf der Welt. Das zeigt auch eine weltweit anerkannte Berechnungsmethode für Stromausfallzeiten: der System Average Interruption Duration Index (SAIDI). Demnach wurden ungeplante Stromausfälle für deutsche Letztverbraucher seit 2006 im Schnitt immer kürzer; 2020 waren es nur noch rund 11 Minuten, hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) errechnet. Allerdings: Selbst kurze Ausfälle können gravierende Folgen für Unternehmen und Privathaushalte haben. Damit die Versorgungssicherheit während der Energiewende auf diesem Top-Niveau bleibt, müssen der BNetzA zufolge rund 10.500 Kilometer Stromleitungen modernisiert oder neu gebaut werden.

Weitere Infos gibt es im Fachbeitrag von Bürgerdialog Stromnetz.

Die Mission des Bürgerdialog Stromnetz

Das Stromnetz zu modernisieren, ist eine komplexe Herausforderung. Um sie zu meistern, braucht es die ganze Gesellschaft. Deshalb sind Transparenz und ein offener Austausch sehr wichtig. Es braucht eine Kultur, die alle Interessierten einbezieht, fundiertes Wissen vermittelt und die verschiedenen Belange der BürgerInnen berücksichtigt.

Dafür steht der Bürgerdialog Stromnetz: Seit 2015 bietet er vielfältige Informations- und Dialogformate zur Energiewende im Allgemeinen und zum Stromnetzausbau im Speziellen. Gesprächsbedarf zum Netzausbau entsteht insbesondere dort, wo BürgerInnen vom Netzausbau betroffen sind. Die Anliegen der BürgerInnen reichen dabei von den Ursachen des Stromnetzausbaus über seine Auswirkungen auf Mensch und Umwelt bis hin zu Entschädigungspraxis für GrundstückseigentümerInnen und PächterInnen. Der Bürgerdialog Stromnetz verfolgt daher einen konsequent regionalen Ansatz: Er bietet Infostunden vor Ort an und ist auf Messen oder Bürgerforen vertreten, ebenso auf lokalen Baumessen, örtlichen Nachhaltigkeitstagen oder regionalen Umweltfesten. Die Initiative nimmt eine neutrale Rolle ein, um „das große Ganze“ aufzuzeigen. Das Für und Wider von Leitungsverläufen hingegen kommunizieren die Vorhabenträger und Genehmigungsbehörden.

Der Bürgerdialog Stromnetz setzt sich für einen konstruktiven Austausch zwischen allen Interessengruppen ein und zeigt, wie sich BürgerInnen an den unterschiedlichen Planungs- und Genehmigungsverfahren beteiligen können.

Stets im Dialog bleiben

Die insgesamt zehn Regionalen AnsprechpartnerInnen des Bürgerdialog Stromnetz organisieren die bundesweiten Dialog- und Informationsveranstaltungen – bei Bedarf auch virtuell. Die Veranstaltungen richten sich an BürgerInnen jeden Alters, kommunale VertreterInnen, Schulen oder Hochschulen sowie weitere Interessengruppen und Verbände. Allein 2020 gab es trotz der Einschränkungen infolge der Coronavirus-Pandemie rund 1800 Fachgespräche und Sprechstunden, fast 40 Regionalnetzwerktreffen sowie 25 Bürgerinformationsveranstaltungen mit dem Bürgerdialog Stromnetz. Zudem war die Initiative bei rund 80 Veranstaltungen zu Gast. Aktuell ist der Bürgerdialog Stromnetz wieder überwiegend bei den Menschen vor Ort.

Gefördert wird der Bürgerdialog Stromnetz vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Weitere Infos gibt es auf der Website des Bürgerdialog Stromnetz.

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