Grüner Wasserstoff – ein Schlüssel für die Energiewende

Gastautor Portrait

Dr.-Ing. habil. Matthias Jahn

Leiter der Abteilung „Energie- und Verfahrenstechnik“, Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS

Dr.-Ing. habil. Matthias Jahn ist seit 2006 am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS tätig. Zunächst war er als Projekt- und Gruppenleiter für die Brennstoffzellen-Systementwicklung verantwortlich. Aktuell leitet er die Abteilung „Energie- und Verfahrenstechnik“. Seit 2015 lehrt Matthias Jahn zudem als Privatdozent zum Thema Brennstoffzellensysteme und Elektrolyse an der TU Dresden. Als Experte im Bereich Power-to-X liegen seine Schwerpunkte u. a. in der Entwicklung und Bewertung von Prozessen und Anlagen zur effizienten Herstellung hochwertiger Produkte sowie beim Einsatz von Wasserstoff zur Vermeidung von CO2-Emissionen in der Stahlindustrie.

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30. Oktober 2023

Wasserstoff wird bei der Transformation des Industriestandorts Deutschland eine bedeutende Rolle spielen: als Energieträger und Rohstoff. Nur mit Wasserstoff kann es gelingen, die industrielle Produktion klimaneutral darzustellen und gleichzeitig geostrategische Abhängigkeiten zu reduzieren. Wasserstoff ist aber nur dann klimaneutral und kann als grün bezeichnet werden, wenn er aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Um den Bedarf an grünem Wasserstoff decken zu können, bedarf es großer Kapazitäten an effizienten, kostengünstigen und stabilen Elektrolyseuren sowie einer entsprechenden Kapazität an Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien.

Heutige und zukünftige Herstellung und industrielle Nutzung von Wasserstoff

Heute wird der größte Anteil an Wasserstoff über die Dampfreformierung von Erdgas erzeugt, wobei große Mengen an CO2 freigesetzt werden. Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen so rund zehn Tonnen CO2. Ein Großteil dieses sogenannten grauen Wasserstoffs wird in Raffinerien sowie in der Ammoniaksynthese für die Produktion von Kraftstoffen und chemischen Grundstoffen benötigt. Des Weiteren wird er für die Methanolsynthese oder die Fischer-Tropsch-Synthese eingesetzt. Langfristig werden grüner Wasserstoff und dessen Syntheseprodukte die bedeutendste Rolle beim Aufbau einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft spielen. Seine Herstellung erfolgt weitestgehend emissionsfrei. Gegenwärtig ist grüner Wasserstoff im Mittel etwa dreimal teurer als grauer Wasserstoff. Allerdings werden die Kosten für grünen Wasserstoff perspektivisch weiter sinken, wenn die Effizienz und Langzeitstabilität der angewendeten Elektrolyseprozesse weiter gesteigert, geeignete Rahmenbedingungen gesetzt und eine bedarfsgerechte Wasserstoffinfrastruktur aufgebaut werden.

Elektrolysetechnologien für die Wasserstoffherstellung

Aus CO2 und Wasserstoff lassen sich werthaltige Produkte wie Kraftstoffe und langkettige Alkohole gewinnen.

Zur Erzeugung von grünem Wasserstoff wird Wasser mithilfe von elektrischem Strom in H2 und O2 zerlegt. Jede Art der Elektrolyse bringt spezifische Vorteile mit sich, sodass die Wahl der geeigneten Technologie je nach Einsatzszenario unterschiedlich ausfallen kann.

Alkalische Elektrolyse

Die alkalische Elektrolyse (AEL) ist ein industriell etabliertes Verfahren zur Wasserstoff- und Sauerstoffherstellung. Sie nutzt einen OH-leitenden Flüssigelektrolyten und wird bei einer Temperatur von etwa 80 °C betrieben. Aufgrund der fortgeschrittenen Technologiereife, der bereits erreichten Anlagengröße sowie der geringen spezifischen Investitionskosten im Vergleich zu anderen Elektrolysetechnologien ist sie derzeit das weltweit am meisten genutzte Verfahren. Dennoch ist die Marktdurchdringung der alkalischen Elektrolyseure allgemein noch nicht sehr groß und automatisierte Produktionsverfahren bislang nicht etabliert. Trotz der steigenden Anzahl an Wasserelektrolyseuren und der derzeit weltweit geplanten Projekte wird bislang die größte Menge an Wasserstoff noch als Nebenprodukt aus der Chlor-Alkali-Elektrolyse gewonnen, welche ebenfalls zu den Verfahren der alkalischen Elektrolyse gezählt werden kann und die Grundlage für die Entwicklung der alkalischen Wasserelektrolyse gelegt hat. Die robusten alkalischen Elektrolyseure kommen bisher u. a. an Wasserkraftanlagen und in Kombination mit chemischen Synthesen mit stationärer Belastung zum Einsatz. Durch die regenerativen Energien entstehen jedoch starke Lastschwankungen, die eine neue Herausforderung für die Betriebsführung darstellen.

PEM-Elektrolyse

Jünger als die alkalische Elektrolyse ist die PEM-Elektrolyse. Hier wird ein Festpolymer-Elektrolyt eingesetzt. Sie arbeitet ebenfalls bei niedrigen Temperaturen zwischen 50 °C und 80 °C.  Allerdings schränkt die geringere Lebensdauer eine breite Nutzung bisher noch ein. Der Technologiereifegrad liegt bei sieben bis acht. Auch sie bietet Vorteile: Die verwendeten Stromdichten sind sehr hoch. Die Bauweise ist damit sehr kompakt – und das Verfahren ist dynamisch betreibbar. Aufgrund der erforderlichen Edelmetalle sind die Materialkosten beim großtechnischen Einsatz der Technologie zu beachten.

Hochtemperatur-Elektrolyse mit SOE-Stacks

Bei der Hochtemperatur-Elektrolyse mit Solid Oxide Electrolysis (SOE)-Stacks finden die Umwandlungsprozesse bei Temperaturen von ca. 800 °C statt. Durch Anlegen einer Spannung über einen sauerstoffionenleitenden Elektrolyten wird Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff gespaltet. Darüber hinaus besteht im Co-Elektrolyse-Betrieb die Möglichkeit, nicht vermeidbares, klimaschädliches CO2 aus der Luft oder aus Abgasströmen zur Herstellung klimaneutraler Produkte zu nutzen. Dafür werden Wasser und CO2 in Sauerstoff, Wasserstoff und Kohlenmonoxid aufgespalten. Am Ende entsteht ein Synthesegas, welches gespeichert aber vor allem über die Methanol- und Fischer-Tropsch-Synthese in höherwertige Produkte wie grüne Kraftstoffe (z. B. Kerosin) oder Basischemikalien umgewandelt werden kann. Damit ermöglicht die Hochtemperatur-Elektrolyse auch eine weitgehend effiziente Sektorkopplung.

Die Hochtemperatur-Elektrolyse bietet weitere Vorteile. Im Vergleich zu etablierten alkalischen oder PEM-Elektrolyseuren benötigt sie keine Edelmetallkomponenten. Wird die Hochtemperatur-Elektrolyse in Prozesse implementiert, in denen zusätzlich große Mengen an Abwärme verfügbar sind – wie in der Stahlindustrie – kann der Wirkungsgrad gegenüber anderen Technologien deutlich erhöht werden. Für eine CO2-arme Stahlerzeugung oder Ammoniaksynthese ist die Umstellung eines großen Teils der etablierten Prozesskette notwendig. Dies ist mit hohen Investitionskosten verbunden, erlaubt jedoch eine signifikante Minderung der Emissionswerte. Da die Hochtemperatur-Elektrolyse aufgrund des hohen elektrischen Wirkungsgrades deutliche Vorteile hinsichtlich der Betriebskosten aufweist, zielen aktuelle Bemühungen auf die Skalierung der Technologie für die großtechnische Anwendung ab.

 

Im Vergleich zur PEM-Elektrolyse können mit der Hochtemperatur-Elektrolyse ein höheres CO2-Vermeidungspotenzial sowie geringere CO2-Vermeidungskosten erreicht werden.

Grüne Wasserstoffwirtschaft in Dresden

Einen passenden Rahmen für diese erfolgreiche Entwicklung bietet insbesondere der Standort Dresden, wo es ein vitales Ökosystem im Bereich der Elektroylsetechnologien gibt.

Dr.-Ing. habil. Matthias Jahn

Das Fraunhofer IKTS leistet mit seinem Know-how in der Entwicklung und Fertigung von Hochtemperatur-Elektrolyseuren, PtX-Anlagen im Labor- und Pilotmaßstab sowie dem Scale-Up zu Demonstrationsanlagen einen wichtigen Beitrag in der Entwicklung und techno-ökonomischen Bewertung von Wasserstofftechnologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Mit einer ausgezeichneten Infrastruktur können Projekte verschiedenster Umfänge und Skalen realisiert werden. Einen passenden Rahmen für diese erfolgreiche Entwicklung bietet insbesondere der Standort Dresden, wo es ein vitales Ökosystem im Bereich der Elektroylsetechnologien gibt. Gemeinsam mit anderen Akteuren hebt das IKTS hier die Chance, den Pfad zu einer CO2-neutralen Industrie zu erschließen.

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