VKU-Positionspapier: Wasserstoff für Energie- und Wärmewende unverzichtbar

Gastautor Portrait

Isabel Orland

Verband kommunaler Unternehmen e. V.

Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. ist die Interessenvertretung der kommunalen Versorgungs- und Entsorgungswirtschaft in Deutschland. Isabel Orland (orland@vku.de) ist dort Senior-Fachgebietsleiterin Gasnetze und koordiniert das Themenfeld Wasserstoff. Darüber hinaus ist sie zuständig für sämtliche Fragen zum Gasnetzzugang, zur Gasversorgungssicherheit und Power to Gas im Energiesystem. Studiert hat sie „Sprachen und Wirtschaft“ (B.A.) und sie hat anschließend den Master of European Regulation of Network Industries (LL.M.) absolviert.

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11. September 2023
Foto: Alexander Hauk

In allen relevanten Szenarien bis zum Jahr 2045 übersteigt der prognostizierte H2- Speicherbedarf das theoretische Umstellungspotenzial, so dass neben der Transformation bestehender auch der Aufbau neuer Wasserstoff-Speicherkapazitäten erforderlich ist.

Wasserstoff ist auf dem Weg zur klimaneutralen Energieversorgung bis 2045 ein wichtiger Energieträger und ein unverzichtbarer Rohstoff, um die Energiewende zu vollziehen. Bei der Transformation kommt Stadtwerken und kommunalen Energieversorgern eine entscheidende Rolle zu, denn nichts passiert, wenn es nicht vor Ort geschieht.

Wasserstoff, Biomethan und synthetisches Erdgas sind wichtige Bestandteile eines klimaneutralen Energiesystems. Auch nach 2045 werden gasförmige Energieträger benötigt werden. Vor allem wegen des Bedarfs von Industrie, Gewerbe und Mittelstand: 99 Prozent der Industrie- und Gewerbekunden beziehen Gas über die Verteilnetze, darunter 1,8 Millionen Betriebe aller Größen mit mehreren Millionen Arbeitsplätzen.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) fordert bei der Wärmewende tatsächliche und rechtsverbindliche Technologieoffenheit. Entscheidend ist, dass die Nutzung grüner Gase zur Wärmeerzeugung grundsätzlich möglich bleibt, insbesondere in KWK-Anlagen, sowie zur Versorgung von industriellen und gewerblichen Anwendungen sowie in Haushalten.

In allen relevanten Szenarien bis zum Jahr 2045 übersteigt der prognostizierte H2- Speicherbedarf das theoretische Umstellungspotenzial, so dass neben der Transformation bestehender auch der Aufbau neuer Wasserstoff-Speicherkapazitäten erforderlich ist.

Der VKU hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie ein Wasserstoff-Markthochlauf erfolgen kann und dazu das „Positionspapier zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“ veröffentlicht.

In dem Positionspapier werden die wichtigsten Faktoren für den Wasserstoffmarkthochlauf dargestellt. Im Vordergrund steht dabei die Wirkung im Sinne einer beschleunigten und großvolumigen Verfügbarkeit von klimaneutralem und langfristig weitgehend grünem Wasserstoff – und dies unabhängig davon, in welchen Sektoren der klimaneutrale Energieträger künftig tatsächlich zum Einsatz kommt. Wichtig ist, dass das Industrieland Deutschland CO2-freie Moleküle in erheblichem Umfang wird importieren müssen.

Unsere Kernbotschaften und -forderungen:

Steigerung des Wasserstoffangebots

Es darf keine Beschränkungen auf aktuelle Herstellungsverfahren und Methoden bei der Förderung von Wasserstoff geben, sondern es muss technologieoffen ein möglichst breites Spektrum an Wasserstofferzeugung (Elektrolyse, Dampfreformierung aus Biogas, Katalyse, Pyrolyse, etc.) zugelassen sein. Aufgrund langer Planungs- und Umsetzungshorizonte ist eine frühzeitige Weichenstellung elementar. Das Elektrolyseziel von zehn Gigawatt bis 2030 muss zügig realisiert werden. Notwendig ist ein Starterprogramm, um dieses Ziel erreichen zu können. Dies muss Hand in Hand gehen mit einer effektiven Importstrategie und Partnerschaften mit Ländern, die eine großes Potenzial für die Erzeugung grünen Wasserstoffs aufweisen.

Nachfrage durch den Wärmemarkt

Es ist wichtig, dass der Rechtsrahmen für den Wärmemarkt Wasserstoff für Anwendungen im Wärmemarkt nicht faktisch ausschließt, weil alle technischen Möglichkeiten genutzt werden müssen, um den Gebäudebestand gesichert zu dekarbonisieren.

Unbestritten werden in Zukunft die meisten Häuser entweder einen Fernwärmeanschluss oder eine Wärmepumpe haben. Doch nicht überall wird es Fernwärmeleitungen geben und die Schwierigkeiten beim Wärmepumpenhochlauf sind vielfältig. Sie reichen vom Fachkräfte- und Gerätebedarf, über den erforderlichen Ausbaubedarf der Stromnetze bis hin zum Zustand des Gebäudebestands und der niedrigen Sanierungsquote. Die Schwierigkeiten lassen sich zeitnah nicht lösen.

Ergänzend zur Wärmepumpentechnologie und dem Ausbau der Nah- und Fernwärmenetze muss die Politik auch der Vielfalt weiterer technischer Lösungen Raum geben. Eine technologieoffene kommunale Wärmeplanung muss auch Wasserstoff in der Wärmeversorgung als Option berücksichtigen. Das gilt in technischer, baulicher, sozialer und finanzieller Hinsicht. Deswegen ist es wichtig, dass sichergestellt wird, dass sogenanntes Grüngas ab 2024 auch bilanziell in Gasthermen genutzt, beziehungsweise nachgewiesen werden kann und die entsprechenden Mengen so schnell wie möglich verfügbar sind.

Aufgrund langer Planungs- und Umsetzungshorizonte ist eine frühzeitige Weichenstellung elementar. Das Elektrolyseziel von zehn Gigawatt bis 2030 muss zügig realisiert werden.

Infrastrukturaufbau und -finanzierung:

Der Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur muss gemeinsam – von Staat und heutigen Stakeholdern – gestaltet werden. Mit dem Mitte Juli 2023 von den Fernleitungsnetzbetreibern vorgelegten Planungsstand für ein Wasserstoff-Kernnetz wird ein richtiger und wichtiger Schritt begangen. Als VKU richten wir den Fokus auf die angekündigte zweite Phase und die Anbindung der Verteilernetzebene. Dann erfolgt eine umfassende Wasserstoffnetzplanung im Rahmen eines integrierten Netzentwicklungsplans Erdgas und Wasserstoff für die Jahre 2025 bis 2037. Details zu unserer Bewertung des Kernnetz-Entwurfs können Interessierte hier nachlesen.

Besonderes Augenmerk muss auf die Wasserstoffversorgung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) und Gaskraftwerken gelegt werden. Dies ist nahezu die einzige Möglichkeit, gesicherte und zugleich klimaneutrale Kraftwerksleistung als Backup für Wind- und Solarstrom zur Verfügung zu stellen. Daher müssen (künftige) Kraftwerksstandorte bereits in der Infrastrukturplanung berücksichtigt werden.

EU-Rahmengesetzgebung transformationsfreundlich gestalten

Einen Teil des Regulierungsrahmens, der über den Erfolg der Transformation der Gasnetze mitentscheidet, bilden die Entflechtungsregeln für künftige Wasserstoffnetzbetreiber. Der VKU ist angesichts der von der EU-Kommission vorgelegten und den Mitgliedstaaten – entgegen der Position des europäischen Parlaments – unterstützten Ausgestaltung im Rahmen der Gasbinnenmarktnovelle äußerst besorgt.

Konkret geht es um die Frage, wie entflochten Wasserstoffnetzbetreiber von Erdgasnetzbetreibern sein sollen. Während der ursprüngliche Entwurf der Europäischen Kommission vorsah, beide sehr streng, auch eigentumsrechtlich, zu trennen und Wasserstoffverteilnetzbetreiber sogar strenger als Erdgasverteilnetzbetreiber zu entflechten, orientieren sich die Vorschläge des Europäischen Parlaments an der bewährten Entflechtung des Erdgasnetzbetriebes.

Auf der Verteilnetzebene werden sich weniger strengere Regeln positiv auf die ressourcenschonende sowie sozialverträgliche Umnutzung von vorhandenen Gas- zu Wasserstoffnetzen und damit den erfolgreichen Ausbau der Infrastruktur auswirken. Kurz: Die Möglichkeit des gemeinsamen Betriebs von Wasserstoff- und Gasnetzen muss ohne die unnötige bürokratische Hürde der Trennung in zwei Gesellschaften im Rahmen einer horizontalen Entflechtung muss gegeben sein.

Aufgrund langer Planungs- und Umsetzungshorizonte ist eine frühzeitige Weichenstellung elementar. Das Elektrolyseziel von zehn Gigawatt bis 2030 muss zügig realisiert werden. Notwendig ist ein Starterprogramm, um dieses Ziel erreichen zu können. Dies muss Hand in Hand gehen mit einer effektiven Importstrategie und Partnerschaften mit Ländern, die eine großes Potenzial für die Erzeugung grünen Wasserstoffs aufweisen.

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