Fluch und Segen der Digitalisierung
Ohne Digitalisierung würde sie nicht funktionieren. Die Energiewende ist auf die Digitalisierung angewiesen. In der Cloud werden Mini-BHKWs, Biomassekraftwerke, Solar- und Windkraftanlagen zu virtuell zu einer netzdienlichen Erzeugergemeinschaft zusammengeschlossen. Der schnelle Anfahren oder die Abschaltung von Kraftwerken, der Handel mit Strom oder mit CO2-Emissionen: Auf dem Energiemarkt ist digital das neue normal. Der Segen der neuen Technik hat aber auch seine Schattenseiten. Fluch und Segen der Digitalisierung liegen dicht beieinander. „Software eats the world.“ Bei der Digitalisierung geschieht das durch einen stetig wachsenden Bedarf an Energie und Ressourcen. Deshalb lohnt es sich, bei der Digitalisierung und ihrem ökologischen Nutzen sowie den negativen Folgen einmal genauer hin zu schauen.
Der Segen: Digitalisierung macht’s möglich
Digitale Technologie ist ein Segen, wenn es ums Energiesparen geht.
Bevor der Verschleiß an der Maschine zu einem größeren Schaden führt, melden die Sensoren, dass der Austausch eines kleinen Ersatzteils nötig. Falls nötig, wird der asiatische Monteur vom deutschen Maschinenbauer bei der Reparatur aus der Ferne begleitet. Digitale Überwachung und Fernwartung verhindern Produktionsausfälle und machen Reisen unnötig. Die Industrie 4.0. wird effizienter und spart Ressourcen ein.
Gleiches gilt für die Logistik, die Steuerung des Verkehrs, die Optimierung von Fahrten und auch im Privathaushalt: Digitale Technologie ist ein Segen, wenn es ums Energiesparen geht. Selbst unserer Waschmaschine können wir beibringen, erst dann in Betrieb zu gehen, wenn die Solaranlage auf dem Dach Strom produziert.
Und auch in der Pandemie hat die Digitalisierung ihre Leistungsstärke gezeigt. Uns, mit unserem strengen Datenschutz und einer Verwaltung, die digital nicht immer auf der Höhe der Zeit agiert, ist es zwar nicht gelungen, sie sinnvoll bei der Eindämmung der Pandemie zu nutzen. Aber in Millionen Heimbüros ging die Büroarbeit im Lockdown wie gewohnt weiter. Studenten und Schülerinnen konnten – leider nicht überall – der Lehre folgen. Corona hat bei der Digitalisierung gezeigt: Da wäre noch mehr drin, wenn wir entsprechend ausgerüstet und mental vorbereitet wären. Wie viel Personenkilometer könnten wir am Tag einsparen?
Der Fluch: Der Ressourcenhunger ist kaum zu stoppen
Der Wert des Bitcoins steigt. Aktuell kostet ein Bitcoin 43.423€. Noch stetiger als der Wert der digitalen Währung wächst der Energiebedarf beim Schürfen. Anfang 2017 verbrauchte die Digitalwährung 6,6 Terawattstunden Strom pro Jahr. Im Oktober 2020 waren es bereits 67 TWh. Jetzt, im März 2021, sind es 121 TWh. Um die Größenordnung nachvollziehen zu können: Der Strombedarf des Bitcoins übersteigt den der Niederlande. Oder anders ausgedrückt: 121 TWh würden ausreichen, um den derzeitigen deutschen Pkw-Verkehr mit über 40 Millionen Fahrzeugen elektrisch abzuwickeln.
Nicht ganz so krass wie beim Bitcoin aber: Rasantes Wachstum lässt sich auf allen Feldern der Digitalwirtschaft beobachten: Bei den Rechenzentren, dem Streaming, im Mobilfunknetz, sowie bei der Zunahme der Zahl der Geräte.
Die Grafik des Öko-Instituts fasst das Problem anschaulich zusammen. Noch mehr als der Betrieb der Geräte sorgt deren Herstellung für eine wachsende ökologische Herausforderung. Vor 13 Jahren kamen Smartphones auf den Markt. Heute ist der Markt – mit über 107 Mio. Geräten bei 80 Mio. Einwohnern in Deutschland – durchdrungen.
Die Digitalisierung hat gerade erst begonnen
Wer glaubt, in den letzten beiden Jahrzehnten als Zeitzeuge eine digitale Revolution erlebt zu haben, der irrt. Die Digitalisierung hat gerade erst begonnen. Viele Dinge sind schon da, stecken aber noch in den Kinderschuhen. Mit dem Internet der Dinge, der virtuellen Realität, der künstlichen Intelligenz, der Industrie 4.0 und dem autonomen Fahren werden neue digitale Anwendungen tauglich und erschwinglich für den Massenmarkt. Und wieder braucht es neue Geräte, schnellere Mobilfunknetze, größere Speicherkapazitäten und am Ende mehr Ressourcen und Energie.
Wir werden uns gewöhnen an Tabletts als Steuerungszentrale des Autos, an Trägerinnen von Datenbrillen in der Fußgängerzone, an Kühlschränke, die Bestellungen auslösen sowie an Busse, die ohne Fahrer unterwegs sind. Ein Blick auf den Anstieg des Datenvolumens im mobilen Internet zeigt nicht nur, wohin die Reise gehen wird, sondern auch wie schnell sie verläuft.
Die Herausforderung annehmen
Regierung, Forschung und privaten Initiativen sind sich der doppelten Herausforderung, Fluch und Segen der Digitalisierung, bewusst. Das Bundeswirtschaftsministerium gibt in schneller Folge Studien zur Gestaltung der Digitalisierung und ihrer energieeffizienten Umsetzung in Auftrag. Netzwerke von NGOs wie Bits und Bäume haben das Thema ebenso auf dem Schirm wie Universitäten und Forschungsinstitute.
Bei der Ressourcen- und Energieeffizienz führen sie den Kampf von Davids gegen Goliath. Kurzfristige Erfolge (wie der Ersatz des Desktops-PCs durch den viel weniger Energie verbrauchenden Laptop) werden aufgefressen durch Rebound-Effekte. Wenn mehrere Laptops und Tabletts in jedem Haushalt vorhanden sind, ist es mit dem Energiesparen vorbei. Ähnlich Entwicklungen erleben wir bei den Rechenzentren. Sie werden effizienter, doch das Mengenwachstum macht den Fortschritt wieder zunichte. Und Aufforderungen an uns, die Verbraucherinnen, lieber fern zu sehen als zu streamen, die Browsereinstellungen und andere Software energiesparend einzustellen, laufen ins Leere.
Und das Recycling kommt auch nicht im Ansatz hinterher. Schon beim Markt für Elektroschrott haben die EU und Deutschland kapituliert. Bei den Geräten der Digitalwirtschaft, deren Produktzyklus 3 bis 5-mal schneller läuft als der von herkömmlichen Elektrogeräten, haben Gesetzgeber und Markt offenbar kapituliert.. Zudem gilt: Je moderner ein Gerät, desto schwieriger ist das Recycling.
Und dann wäre da noch eine Herausforderung beim Einsatz für den Ressourcenschutz, die unüberwindlich scheint. Wir haben es mit einer globalen Entwicklung zu tun, die in ihrem Kern von fast allen Staaten dieser Welt unterstützt wird. Nationale Initiativen haben keine Chance. Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Und mit ihr müssen wir wohl mit den Nebenerscheinungen leben. Wie gesagt: Es ist der Kampf zwischen David und Goliath. Wir wissen, wer am Ende gewonnen hat.
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