Hinweis der Redaktion: Dies ist der zweite Teil des Beitrags. Der erste Teil liegt hinter diesem Link..
Sektorenkopplung par excellence mit einem Wirkungsgrad jenseits der 85 Prozent
Die direkte Umwandlung von ansonsten abgeregeltem Strom (s. Abb) in Wärme (Power-to-Heat) ermöglicht einen Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent.
Netzgekoppelte Speicher versorgen die Verbraucher:innen nicht nur mit CO2-freier Energie, sie haben auch weiterhin eine bedeutende Entlastungsfunktion für das Netz. Immer dann, wenn viel Strom produziert wird und die Netze zu überlasten drohen, nehmen Power-to-Heat Anlagen sehr schnell sehr hohe Mengen Strom auf entstressen so die Netze, da er unmittelbar „aus dem Verkehr gezogen“ – sprich – eingespeichert wird. Netzbetreiber honorieren die flexible Fahrweise von Energiespeichern, z.B. das Abschalten des Speichers in den Zeiten, in denen das Netz droht, zu überlasten. Perspektivisch wird dies mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien immer relevante, da dieser mit einer zunehmenden Volatilität der Stromproduktion einhergeht: Der Wind weht meist zugleich an mehreren Orten mit hohen Stärken – die Sonne scheint intensiv zu den sonnenreichen Stunden. Damit erhöht sich der Stress im System, der sich in der Volatilität der Marktpreise widerspiegelt, die sich Stromspeicher zueigen machen, um damit Versorgungssicherheit, Dekarbonisierung und Flexibilität zur Verfügung stellen.
Das Osterpaket als wichtiger Meilenstein – jetzt braucht es Schwung für die nächste Etappe
Es ist davon auszugehen, dass die Akzeptanz für den Ausbau von erneuerbare Energienanlagen steigt, wenn man direkt vor Ort eine Beteiligung ermöglicht.
Mit der innerhalb des sogenannten Osterpakets im Juli 2022 verabschiedeten Definition von Energiespeichern hat der Gesetzgeber einen entscheidenden Pflock in das Energiesystem geschlagen. Zukünftig wird das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Speicher nicht mehr als Zwitter – als gleichzeitig Energieerzeuger und Endverbraucher – bezeichnen. Diese Trennung führte bisher zu teilweise verworrenen regulatorischen Konstellationen. Jetzt fokussiert die Regulatorik auf den Vorgang der Speicherung, in dem in § 3 Nr. 15d des EnWG „die endgültige Nutzung elektrischer Energie auf einen späteren Zeitpunkt, als den ihrer Erzeugung verschoben wird“. Damit ist der Funktion der Energiespeicher als Vehikel zur flexiblen Bereitstellung von Energie durch die Verschiebung auf einen beliebigen Zeitpunkt Rechnung getragen. Folgen tut die Bundesregierung damit einer entsprechenden EU-Regelung aus dem Jahr 2019 und erkennt Energiespeicher als vierte Säule des Energiesystem neben Erzeugung, Transport und Verbrauch an.[1]
Die Ampelkoalition hat im gleichen Atemzug mit ihrer Speicherdefinition die Erarbeitung einer Speicherstrategie angekündigt. Spanien hat eine solche Strategie bereits 2021 verabschiedet und mit Themen wie Kreislaufwirtschaft, Cybersecurity, Innovationsförderung, Ressourcen- und Lieferkettensicherung sowie Umwelt- und Naturschutzstandards untermauert. Zu erwarten sind mit einer deutschen Speicherstrategie eine Reihe von regulatorischen Anpassungen und Konkretisierungen. Diese sollte nicht nur die neue 4. Säule im Energiesystem mit einem Fundament ausstatten. Vielmehr sollten sie auch die Grundlage für Versorgungssicherheit, Flexibilität und Dekarbonisierung als Business Case schaffen.
Begrüßenswert ist, dass die Bundesregierung ihr parteiübergreifendes Verständnis, Energiespeicher systematisch in den Energiemarkt zu integrieren z.B. mit der Ausweitung von Innovationsausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Quellen und Speichern gestützt hat. Dies schafft Anreize für Flexibilität und Autarkie. Schnelle digitale Planungs- und Genehmigungsverfahren oder Anschlusserleichterungen sind ein erster wichtiger Schritt in Richtung Investitionssicherheit.
Es ist davon auszugehen, dass die Akzeptanz für den Ausbau von erneuerbare Energienanlagen steigt, wenn man direkt vor Ort eine Beteiligung ermöglicht. Diese könnte zum Beispiel in einer günstigen dezentralen Wärmeversorgung aus ansonsten abgeregeltem Strom bestehen.
Wie sieht ein Energiemarktdesign aus, das 100% erneuerbare Energien integriert?
Es sollte deutlich geworden sein, dass die Wärmewende weniger ein technisches, denn ein regulatorisches Problem ist. Es gibt heute eine Vielzahl von marktreifen thermischen Speichern, die sofort gebaut und kostengünstig zur Versorgungssicherheit und zu den Klimazielen beitragen können. Was fehlt, ist der regulatorische Rahmen, der den Übergang aus der fossilen in die dekarbonisierte Energiewelt ebnet.
Das zurzeit diskutierte Strommarktdesign bietet die große Gelegenheit, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die auf ein atmendes, erneuerbares, dezentrales, digitales Energiesystem ausgerichtet sind. Damit wäre für die thermischen Speicher ein wichtiger weiterer Meilenstein gelegt, um ihre systemische Rolle zu erfüllen und auch mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit zu geraten.
Fazit: Ohne Energiewende im Wärmesektor werden wir keine Versorgungssicherheit erreichen
Eine gelingende Wärmewende im Industrie- und Gebäudesektor ist sowohl aus Gründen des Klimaschutzes als auch zur Gewährleistung langfristiger Versorgungssicherheit und energiepolitischer Souveränität dringend geboten. Sie nimmt eine Schlüsselrolle auf dem Transformationspfad hin zur Klimaneutralität ein.
Die ersten Schritte hin zu einer rechts- und investitionssicheren Integration von Energiespeichern in unser System sind getan. Seit langem marktreife Technologien können mehrere Gigawatt Speicherflexibilität in unser Energiesystem integrieren.
Die derzeit hohen Energiepreise zwingen uns, Energie so effizient wie möglich zu managen. Speichertechnologien ermöglichen es, marktpreisorientiert das Stromangebot und die Nachfrage aufeinander abzustimmen. Den Schlüssel, den Energiespeicher systemisch darstellen, ist ihre Bereitstellung von dekarbonisierter Flexibilität. Die kosteneffiziente Entkopplung von Energiebezug und -verbrauch ermöglicht bereits heute, das marktbasierte Angebot zu Stunden mit Niedrigpreisen und den Energiebedarf in Stunden mit hohen Kosten zu optimieren. Diese Fahrweise stellt einen entscheidenden Kompass für die Integration einer hohen Zahl von volatilen Erzeugungsprofilen dar. Die Potenziale liegen auf der Hand:
- Versorgungssicherheit durch den Ersatz von teuren Erdgasimporten,
- Netzstabilität durch marktgesteuerte Preisoptimierung und Bereitstellung von Flexibilitätsprodukten,
- Dekarbonisierung durch effiziente Nutzung volatiler Erzeugungsprofile für planbare CO2-freie (Prozess-) Wärmeversorgung bei Wirkungsgraden zwischen 80-95% (Power-to-Heat),
- Wirtschaftlichkeit und sozial verträgliche Planbarkeit durch hohe Wirkungsgrade, geringe Eintrittsbarrieren durch Skalierungsschritte ohne technologische Lock-ins sowie hohen Lebensdauern auf Kraftwerksniveau.
[1] Als nächster Schritt müssen noch Details in der Formulierung geklärt werden. Der beschlossene Text ist dahingehend überarbeitungswürdig, als dass er einen Übersetzungsfehler enthält. Anstatt „Elektrizitätssystem“, wie im Original der EU-Richtlinie EU 219/944, § 2, Abs. 59 ist in der vom Bundestag beschlossenen Definition von „Elektrizitätsnetz“ die Rede. Diese Rechtsunsicherheit und lässt Diskussionen in der Praxis erwarten, ab wann ein Elektrizitätsnetz vorliegt und wie ein Netz überhaupt auszusehen hat.
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