Erneuerbare Energien – Motor für Energiewende und Klimaschutz

Gastautor Portrait

Dr. Simone Peter

Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. (BEE)

Dr. Simone Peter ist seit März 2018 Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) e.V.. Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland bündelt der BEE die Interessen von 45 Verbänden und Unternehmen. Die promovierte Biologin war von 2013 bis 2018 Bundesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von 2009 bis 2012 Ministerin für Umwelt, Energie und Verkehr des Saarlandes. Von 2012 bis 2013 war sie Mitglied des Landtags des Saarlandes als stellvertretende Vorsitzende und Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Seit 2020 ist sie Vizepräsidentin der Österreichischen Energieagentur sowie Mitglied im Aufsichtsrat der Naturstrom AG.

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16. Dezember 2020

Unser Stromsystem steht unter Spannung. Auf der einen Seite rückt der Atomausstieg näher und Kohlekraftwerke werden unrentabel, auf der anderen Seite stockt der Ausbau der Erneuerbaren Energien, die so dringend für die Deckung des wachsenden Strombedarfs in allen Bereichen benötigt werden. Im Stromsektor konnten sich die Erneuerbaren 2020 als tragende Säule etablieren und decken nach jetzigem Stand zu knapp 50 Prozent den Bruttostrombedarf. Die Kopplung der Sektoren Strom, Wärme, Mobilität und Industrie sorgt für zusätzlichen Bedarf an sauberem Strom. Elektromobilität, Wärmepumpen und Grüner Wasserstoff werden verstärkt nachgefragt, doch bisher wird der zusätzliche Strombedarf, der mit ihrer Anwendung einhergeht, nicht ausreichend in die Ausbaupfade der Erneuerbaren Energien einkalkuliert.

Ökostromlücke absehbar

Wie der BEE berechnet hat, droht eine massive Ökostromlücke schon in naher Zukunft, wenn der geschätzte Stromverbrauch nicht einem Realitätscheck unterzogen wird. Dem massiven Einbruch bei der Windenergie, der sich erst langsam wieder erholt, und den ebenfalls zu schwachen Ausbauraten bei der Photovoltaik muss politisch gegengesteuert und die Ausbaupfade und –mengen für neue Anlagen im Entwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2021 erheblich angehoben werden. Zudem ist damit zu rechnen, dass im kommenden Jahr viele Anlagen vom Netz gehen, wenn ihre Förderung nach 20 Jahren beendet wird. Sollte die EEG-Novelle also nicht deutliche Verbesserungen bringen, werden die Ausbauziele für Erneuerbare Energien und die Klimaziele im Jahr 2030 weit verfehlt und somit auch die Chance für eine konjunkturelle Belebung des Industriestandorts Deutschlands, der sich nachhaltig ausrichten muss.

Grafik: BEE-Szenario 2030

EEG novellieren

Doch bislang bleibt der EEG-Entwurf hinter dem Notwendigen zurück, um dem Bau von Sonnen-, Wind- oder Biogasanlagen neuen Schwung zu verleihen.

Dr. Simone Peter

Die derzeit im parlamentarischen Prozess befindliche EEG-Novelle soll den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor neu tarieren und faire Marktbedingungen für Erneuerbare schaffen. Doch bislang bleibt der EEG-Entwurf hinter dem Notwendigen zurück, um dem Bau von Sonnen-, Wind- oder Biogasanlagen neuen Schwung zu verleihen. Der EEG-Entwurf nimmt die Annahmen des Klimaschutzprogramms der Bundesregierung zur Grundlage, die einen deutlich steigenden Stromverbrauch im Kontext der Sektorenkopplung (Elektromobilität, Wärmepumpen, Grüner Wasserstoff) erheblich unterschätzen.

Die Treibhausgas-Minderungsziele und eine stark steigende Nachfrage vor allem im industriellen Sektor widersprechen den Annahmen. Allein aus der in der nationalen Wasserstoffstrategie geplanten Elektrolyse-Leistung ergibt sich ein höherer Strombedarf aus Erneuerbaren Energien, der im Klimaschutzprogramm 2030 noch nicht berücksichtigt ist.  Darüber hinaus sind die europäischen Zielvorgaben für eine ambitioniertere Treibhausgasminderung zu berücksichtigen, die auch eine Anpassung der nationalen Klima- und Erneuerbaren-Ausbau-Ziele erforderlich machen würden.

Dynamischerer Erneuerbaren-Ausbau notwendig

Wie die Bundesumweltministerin und einige aktuelle Studien geht der BEE deshalb davon aus, dass eher ein Ziel von 75-80 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 im Stromsektor angenommen werden muss, statt das bislang geltende Regierungsziel von 65 Prozent. In diesem Sinne muss das EEG bei Ausbauzielen und -mengen erheblich nachgebessert und der Ausbau der Erneuerbaren entfesselt werden. Allein um das bisherige 65-Prozent-Ziel bis 2030 zu erreichen, müssten nach Berechnung des BEE bis dahin knapp 5 Gigawatt (GW) Windenergie Onshore, 2 GW Windenergie Offshore, 10 GW Photovoltaik, 0,6 GW Bioenergie und je 50 Megawatt (MW) Geothermie und Wasserkraft installiert werden. Dafür müssen Marktbarrieren beseitigt, Flächen bereitgestellt und Genehmigungen erteilt werden. Aber es gilt auch, Lösungen für Anlagen von mehreren Megawatt installierter Leistung zu finden, die nach 20-jähriger Vergütung Anschlussregelungen brauchen.

Neues Strommarktdesign

Perspektivisch geht es aber vor allem auch darum, einem Strommarkt gerecht zu werden, der verstärkt auf der Einspeisung Erneuerbarer Energien fußt und deren Systemdienstleistungen anerkennt. Gerade auch in einem stärker sektorengekoppelten System. Hierfür braucht es einen gänzlich anderen regulatorischen Rahmen und eine Abgabenreform, die Endkunden besser von den niedrigen Kosten der Erneuerbaren profitieren lässt und neue Technologien befördert. Die Zukunft liegt in den erneuerbaren Technologien, die sauber und kostengünstig die Energieversorgung übernehmen und zur Erreichung der Klimaschutzziele erheblich beitragen.

Grafiken: https://unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/vermiedene-treibhausgas-emissionen-durch-die-nutzung-erneuerbarer-energien, https://www.unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/endenergieverbrauch-nach-anwendungsbereichen-2018

Aber nicht nur Erneuerbare Energien im Stromsektor sind ein erheblicher Klimaschutzfaktor. Insgesamt vermieden Erneuerbare Energien über alle Sektoren mittlerweile über 200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr. Das ist mehr als der gesamte Verkehrssektor an Emissionen ausstößt. Der Aufholbedarf ist im Wärme- und Verkehrssektor groß, für die Klimaziele einerseits, für die Energiewende und wirtschaftliche Wertschöpfung andererseits.

Mehr als die Hälfte unseres Endenergieverbrauchs entfällt auf Wärmeanwendungen, bei denen die Dekarbonisierung noch deutlich stärker als bisher voranschreiten muss. Gerade die Wärmewende bietet die große Chance, die wirtschaftliche Belebung auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen mit Klimaschutzzielen und Kosteneinsparung in Verbindung zu bringen. Es werden heute noch fast 85 Prozent der Wärme und Kälte mit fossilen Energien erzeugt. Vor allem im Gebäudebestand sind hier Effizienzmaßnahmen und die Umstellung auf saubere Energien dringend erforderlich. Das erfordert weiterhin eine umfängliche Förderung, aber auch Nachbesserungen beim Ordnungsrecht (z.B. Gebäudeenergiegesetz) und Marktanreize, die sich durch den beschlossenen CO2-Preis einstellen müssen.

Grafik: https://unendlich-viel-energie.de/mediathek/grafiken/grafik-dossier-arbeitsplaetze-im-bereich-erneuerbare-energien

Und auch im Verkehrsbereich stehen enorme Veränderungen – vom Antriebs- und Treibstoffwechsel, bis hin zu einer völlig neu gedachten Mobilität, die verstärkt auf Öffentlichen Verkehr, Rad und leisen Individualverkehr setzt. Für Elektromobilität, den Antrieb von Schwerlast- und Zugverkehr bis hin zu Sunfuels für Schiffe und Flugzeuge (Grünes Kerosin) werden Erneuerbare Energien als Ökostrom, Wasserstoff, Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe benötigt. Und auch hier lassen sich Klimaschutznutzen, wirtschaftliche Impulse und eine breite Wertschöpfung miteinander verbinden.

Herstellung, Planung, Installation und Betrieb von Erneuerbare-Energien-Anlagen schaffen Arbeit. Insgesamt waren im Jahr 2018 etwa 304.400 Menschen in der Branche der Erneuerbaren Energien beschäftigt (2017: 315.000). Gegenüber einem starken Zuwachs bis zum Jahr 2011 ist seitdem ein leichter, aber stetiger Rückgang an Arbeitsplätzen zu verzeichnen. Diese Entwicklung lässt sich wieder ins Gegenteil umkehren.

Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, wie sie durch die Corona-Pandemie entstehen, haben die Erneuerbaren Stabilität bewiesen und bilden die Grundlage für einen grünen konjunkturellen Aufschwung. Sie sind Schlüsselindustrie für den Klimaschutz und sorgen gleichzeitig für zukunftsfähige Arbeitsplätze, welche die Lebensgrundlage für künftige Generationen sichern – wenn sie durch die politischen Rahmenbedingungen vorangebracht werden. Das gilt es jetzt zu organisieren.

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