Viel zu langsam. Viel zu zögerlich. Das kennzeichnet bisher die Klimapolitik. National wie international. 2018 erfüllten gerade einmal 16 % für 90 Unterzeichnerstaaten die erforderliche Reduktionsrate der Treibhausgase gemäß der Übereinkunft von Paris. Doch der Wechsel im Weißen Haus und die ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten versprechen einen radikalen Kurswechsel in den USA. Das belebt die Hoffnung, dass die internationale Klimapolitik mit neuem Leben erfüllt wird. 2021 verspricht mit Blick auf die Energiepolitik ein spannendes Jahr zu werden. In Deutschland stehen neben der Bundestagswahl sieben Landtagswahlen an. Bundeskanzlerin Angela Merkel scheidet mit Ende der Legislaturperiode aus dem Amt. Veränderungen, das ist sicher, werden kommen. Offen bleibt, ob es sich nur um Akzentverschiebungen oder um eine Trendwende handelt.
Wo stehen wir in der Energie- und Klimapolitik?
Deutschland hat im letzten Jahr das eigene Klimaziel einer 40-prozentigen Reduzierung der CO2-Emissionen gegenüber 1990 auf den letzten Metern noch erreicht. Der Corona-Lockdown hat es ermöglicht. Darüber hinaus ist nicht viel passiert. Wir reihen uns damit ein in einen großen Kanon von Staaten, die das Pariser Klimaabkommen unterschrieben haben, an der nationalen Umsetzung aber nur höchst ungenügend arbeiten. So kommt eine Studie zu dem Schluss, dass der gegenwärtige Emissionspfad das Ziel einer Begrenzung der durchschnittlichen Erderwärmung weit verfehlen wird.
In Deutschland ist eine Menge passiert in der Energieversorgung. In den anderen Sektoren mit dem Wärmeverbrauch, im Verkehr, der Landwirtschaft und in der Industrie sieht es eher mau aus. Handlungsbedarf besteht. Ernsthaft bestreitet das niemand. Das Ende der atomaren Stromerzeugung ist auf den 31.12.2022 festgelegt. Derzeit sieht es nicht so aus, dass man die Leistung der AKWs zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien kompensieren kann. Mindestens mittelfristig ist folglich mit einem Wiederanstieg der CO2-Emissionen im Energiesektor zu rechnen
Druck kommt jetzt aus der Europäischen Union. Die Anpassung des Klimaziels auf eine Reduzierung von 55 Prozent mit auf die Bundesrepublik zu erneuten Anstrengungen zwingen. Überhaupt die Europäische Union. Mit dem Green Deal wird sie Akzente in Sachen Nachhaltigkeit setzen. Auch in den Bereichen Chemie und Pharmazie kommen bislang ungehörte ökologische Töne aus Brüssel. Das Europäische Parlament hat der Kommission mit Mehrheit aufgetragen, bis 2030 für eine Reparaturpflicht zu sorgen und bis 2050 eine ökologische Kreislaufwirtschaft einzuführen.
Sehen wir die Transformation des Verkehrssektors?
Im letzten Jahr sind in Deutschland fast 200.000 rein elektrisch betriebene Fahrzeuge zugelassen worden. Noch stärker als der Kraftfahrzeugmarkt boomt das Geschäft mit E-Bikes und Pedelecs. Ein lang anhaltender Trend in Richtung nachhaltiger Mobilität bekam durch die Pandemie noch mal einen ordentlichen Schub.
Die Umstellung vom Verbrenner auf einen klimaneutralen Antrieb eröffnet im Wettbewerb des globalen Marktes Chancen für neue Herausforderer. Tesla schickt sich an, den deutschen Herstellern nicht nur im Luxussortiment, sondern auch in der Mittelklasse Konkurrenz zu machen. Wir werden aber auch in 2021 Kfz-Marken auf unseren Straßen, von denen wir zuvor noch niemals etwas gehört haben. BAIC, Dongfeng, Maxus – das sind chinesische Hersteller, mit denen sich die Daimlers, VWs, Audis und BMWs zukünftig messen lassen müssen. Schafft Deutschland es, seine Rolle als Exportweltmeister auch unter den Bedingungen einer großen Transformation zu wahren? In 2021 wird diese Frage nicht beantwortet werden. Aber wir werden Weichenstellungen sehen.
Und unter Nachholbedarf in den anderen Sektoren?
Bei Klimaschutz im Einklang mit dem Pariser Abkommen könnten in Deutschland bis 2040 pro Jahr bis zu 165.000 frühzeitige Todesfälle vermieden werden.
Man darf gespannt sein, welche politischen Impulse in der gemeinsamen Agrarpolitik, bei der Gebäudewärme und in der Industrie das laufende Jahr bringen wird. Mit entscheidend wird sein, ob wir beim Thema Wasserstoff Fortschritte machen. Grüner Wasserstoff, erzeugt durch erneuerbare Energien, ist ein großes Thema, spielt in der Praxis aber keine Rolle. Die regierende Große Koalition scheint sich im laufenden Jahrzehnt damit abgefunden zu haben, dass Erdgas die zentrale Rolle als Übergangstechnologie übernehmen wird.
Damit eröffnet sich eines von zahlreichen Konfliktfeldern bei der Regierungsbildung im vierten Quartal dieses Jahres. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass Berlin – allen außenpolitischen Konflikten zum Trotz – an der Fertigstellung von Nordstream 2 festhalten wird. Bündnis 90/Die Grünen als potentieller Koalitionspartner lehnen sowohl das Pipeline Projekt ab als auch den Bau von neuen LNG-Terminals.
Dass wir uns auch in Ernährung umstellen sollten, belegt eine aktuelle internationale Studie. Mehr Klimaschutz macht die Menschen gesünder. Bei Klimaschutz im Einklang mit dem Pariser Abkommen könnten in Deutschland bis 2040 pro Jahr bis zu 165.000 frühzeitige Todesfälle vermieden werden.
Die Rückkehr der USA auf das Parkett der Klimadiplomatie
Eine der ersten Amtshandlung des neuen Präsidenten Joe Biden war die Unterzeichnung des Wiederbeitritts der USA zum Pariser Klimaabkommen. Nun davon gespannt sein, welche praktischen Akzente der neue amerikanische Präsident setzen wird. Rückt er die Klimapolitik ins Zentrum seiner nationalen und internationalen Agenda? Wird das Auswirkungen auf die bi- und multinationalen Handelsverträge haben? Und bei der Exploration von Gas in den USA – wird er die Umweltstandards wieder verschärfen? Hält die neue Administration den Druck auf Deutschland wegen des Baus von Nord Stream II aufrecht? Wir werden diesen Fragen einen eigenen Debattenabend widmen, der am 11. März wiederum in digitaler Form stattfinden wird.
Wie weiter in der Energie- und Klimapolitik? Was bringt das Jahr 2021? Bei aller Ungewissheit ist eines sicher: Langweilig wird es nicht.
Quelle Grafik: Global Stocktake Indicators – PBL Netherlands Environmental Assessment Agency
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