Drastische Klimawandelfolgen lassen sich nicht mehr ausschließen

Gastautor Portrait

Dr. Oliver Geden

Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

Seit 2006 arbeitet Dr. Oliver Geden (Jahrgang 1971) für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Er leitet die Forschungsgruppe EU/Europa, wurde allerdings bereits mehrfach zu Sonderaufgaben in die Bundesregierung abgeordnet, etwa an den Planungsstab des Auswärtigen Amts (2011) oder die Leitungsabteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (2014/15). Geden ist Leitautor des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC, der 2021 erscheint. Seine Forschungsgebiete sind die Energie- und Klimapolitik der EU, die internationalen Klimaverhandlungen sowie die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre, sogenannte "negative Emissionen". Geden schreibt regelmäßig für deutschsprachige Print- und Online-Medien, vor allem für die Süddeutsche Zeitung, die Neue Zürcher Zeitung und ZEIT ONLINE.

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07. Februar 2019
Verdorrte Äcker vor einem grünen Windpark

Am 20. Februar findet unser nächster Debatten-Abend in Stuttgart statt. Eine hochkarätige Expertenrunde wird sich mit den Klimaveränderungen, den Auswirkungen auf uns in Deutschland und möglichen Anpassungsmaßnahmen beschäftigen. Wie immer können auch aus dem Publikum heraus oder über den Livestream Fragen an die Experten gestellt werden.

Wir hatten vorab Gelegenheit, mit Dr. Oliver Geden ein Interview zu führen. Der Wissenschaftler leitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik die Forschungsgruppe EU/Europa.

Wird die UN drastische Geoenginering-Maßnahmen vorschlagen?

Dr. Oliver Geden, von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist Leitautor des 6. Sachstandsberichts des IPCC.

Stiftung Energie & Klimaschutz: Das Pariser Klimaabkommen von 2015  (COP 21) schien einen Aufbruch im internationalen Klimaschutz zu markieren, aber von dieser Stimmung ist nichts mehr zu merken. Bei der COP 24 in Katowice hat man gerade noch eine formale Verständigung auf den Weg gebracht. Ist der Klimawandel so überhaupt noch zu stoppen?

Dr. Oliver Geden: Die internationale Klimapolitik ist sicherlich nicht völlig ohne Ambition, aber das bisherige Niveau wird bei weitem nicht ausreichen, um das vereinbarte Temperaturziel von 1,5-2 Grad mit herkömmlichen Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen. Schon jetzt werden unkonventionelle Klimaschutzoptionen wie „negative Emissionen“ in Modelle zur Zielerreichung mit eingebaut, damit die Rechnung noch aufgeht. Ich bin zuversichtlich, dass wir bei den globalen Emissionen in absehbarer Zeit den globalen Gipfelpunkt erreichen, aber es ist schwer abzusehen, bei welchem Temperaturniveau es zu einer Stabilisierung kommen wird. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass auf UN-Ebene eines Tages ernsthaft diskutiert werden wird, ob man den Temperaturanstieg nicht mit drastischen Geoenginering-Maßnahmen dämpfen sollte.

Die Eingriffe in die Sektoren Verkehr und Wärme werden noch schwieriger als die Stromwende

Stiftung Energie & Klimaschutz: Die deutsche Bundesregierung hat sich selbst Klimaziele gesteckt, aber dann die Aufgabe, diese auch einzuhalten und den Strukturwandel einzuleiten, an eine Kommission ausgelagert. Kann Deutschland so auf internationalem Parkett überhaupt noch etwas bewegen?

Dr. Oliver Geden: Es ist ja eine gute deutsche Tradition, komplexe Sachentscheidungen an Kommissionen zu delegieren, und deren Beschlüsse dann ohne großen politischen Streit umzusetzen. Mit der nun getroffenen Entscheidung gibt es immerhin einen klaren Ausstiegspfad für die Kohleverstromung, das beseitigt auf dem internationalen klimapolitischen Parkett zumindest mal eine Peinlichkeit. 2035/2038 mag im Vergleich zu anderen europäischen Ländern auf den ersten Blick unambitioniert aussehen, aber in Deutschland erfolgt der geplante Ausstieg von einem vergleichsweise hohen Niveau aus. Viel schwieriger dürften sich die nun folgenden Auseinandersetzungen in den Bereichen Verkehr und Wärme gestalten, denn im Gegensatz zum Stromsektor greift man viel direkter in den Alltag der Wählerinnen und Wähler ein.  Da neigen Regierungen in allen europäischen Ländern eher zur Vorsicht, umso mehr nach den Protesten der „Gelbwesten“ in Frankreich.

Das Erreichen der Pariser Klimaziele von 1,5 bis 2 Grad ist derzeit nicht plausibel

In der Politik ist leider der Eindruck entstanden, dass es immer irgendwie »5 vor 12« ist, egal was sie tut oder auch nicht tut.

Dr. Oliver Geden

Stiftung Energie & Klimaschutz: Jeden Tag erreichen uns alarmierende Nachrichten aus der Klimaforschung – vom auftauenden Permafrostboden, den versauernden und sich schneller erwärmenden Ozeanen usw. Parallel dazu erleben wir eine Weltgemeinschaft, die scheinbar andere Sorgen hat; bei dem einen ist es eine Mauer, beim anderen sind es gelbe Westen und bei weiteren das Bedürfnis, sich generell in die nationale Nische zurück zu ziehen. Haben Sie für unsere Leserinnen und Leser ein paar Botschaften parat, aus denen sich Hoffnung schöpfen lässt?

Dr. Oliver Geden: Angesichts der klimapolitischen Versäumnisse der vergangenen beiden Jahrzehnte „Hoffnung“ zu verbreiten ist möglicherweise fahrlässig – und generell zählt „Hoffnung verbreiten“ auch nicht zur Aufgabe der Wissenschaft. Die berechtigte Furcht, dass negative Einschätzungen bezüglich der Erreichbarkeit globaler Ziele zu klimapolitischer Resignation führen können, hatte leider einen kontraproduktiven Effekt. Klimaforschung und Umweltverbände arbeiten in ihrer öffentlichen Kommunikation nach wie vor mit einer „5 vor 12“-Metapher, und das obwohl die globalen Emissionen seit 1990 fast kontinuierlich angestiegen sind, auch 2018 wieder. In der Politik ist leider der Eindruck entstanden, dass es immer irgendwie „5 vor 12“ ist, egal was sie tut oder auch nicht tut. Die relativ positive Nachricht, dass wir zwar auf eine dramatische Situation zusteuern, es aber immer noch schaffen können, wenn wir nur wollen, hat sich so in ihr Gegenteil verkehrt. Möglicherweise ist es Zeit für mehr Ehrlichkeit in der Debatte. Das Erreichen der Pariser Klimaziele von 1,5-2 Grad ist derzeit nicht plausibel. Drastische Klimawandelfolgen lassen sich nicht mehr ausschließen, aber auch jenseits von 2 Grad lohnt es sich, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur so weit wie möglich zu begrenzen.

Stiftung Energie & Klimaschutz: Herr Dr. Geden, haben Sie herzlichen Dank.

Interessiert am nächsten Debatten-Abend?

Wie immer haben wir einige Plätze bei unserem Debatten-Abend „Das Klima ändert sich – was heißt das für uns?“ für die Besucherinnen und Besucher unserer Plattform reserviert.

So können Sie teilnehmen: Bitte schreiben Sie uns bis zum 11. Februar eine E-Mail mit dem Betreff „Debatten-Abend“ an: anmeldung@energie-klimaschutz.de.

Ergänzende Informationen erhalten Sie im Zuge der Teilnahmebestätigung.

Einen weiteren Experten des Debatten-Abends haben wir bereits interviewt: Özden Terli, Meteorologe, Redakteur und Moderator der ZDF-Wetterredaktion.

Livestream

Haben Sie keine Gelegenheit zur Veranstaltung nach Stuttgart zu kommen, interessieren sich aber fürs Thema? Am 20. Februar können Sie der Veranstaltung ab 18:30 Uhr im Livestream folgen.

Diskutieren Sie mit

  1. Max Mustermann

    vor 5 Jahren

    "Bis zum Ende des Jahrhrunderts werden große Teile unbewohnbar sein" - ja, bitte noch mehr Panikmache und Hysterie. Davon haben wir in der aktuellen Debatte ja noch bei weitem nicht genug meine Lieben.

  2. Uwe Hartmann

    vor 5 Jahren

    Das ist absolut korrekt, Herr Weberndorfer.

  3. Julia Huhn

    vor 5 Jahren

    Die Klimamodelle der Muenchner Rueckversicherung zeigen bei der aktuell, jaehrlichin in die Athmosphaere eingetragenen Emissionsmenge einen Anstieg der globale Durchschnittstemperatur um 10°C bis Ende des Jahrhunderts. Das bedeutet ergo das in den Bereichen zwischen den Wendekreisen fast das ganze Jahr ueber Temperaturen herrschen werden, die innerhalb kurzer Zeit toedlich sind. Die fehlende Temperaturdifferenz zwischen Polen und Aequator wird die Meeresstroemungen zum Erliegen kommen lassen, so das weite Bereichen zu anoxischen Todeszonen werden usw. Das letzte Mal als es zu diesen Temperaturerhoehungen gekommen ist, an der Perm/Trias-Grenze sind 70%der landlebenden Vertebrate und 90%der marinen Lebewesen ausgestorben. Auch ein Grossteil der Pflanzenarten hat nicht ueberlebt. Naja, die Versicherung der Versicherungen hat grosses Interesse daran Gewinn zu erwirtschaften und beschaeftigt, daher die besten Spatial Analysts fuer ihre Modelle. Wenn man die Daten des groessten Massensterbens der Erdgeschichte mit heute vergleicht, wundert man sich warum in den Medien der Klimawandel so verniedlicht wird. Keine redet ueber die Konsequenzen fuer unsere Kinder und die gesamte Zivilisation. Oder sollen vielleicht innerhalb weniger Jahre 90% aller Menschen sterben? Die University of Hawaii hat ein Paper veroeffentlicht mit dem Schluss das pro Jahr 75 von 100 aufgrund von Hitze sterben werden. Dann duerfte die Dezimierung der Menschen auf eine kleine Zahl recht schnell von statten gegen. Es kann doch nicht sein das eine kleine Geowissenschaftsstudentin diese Information hat und interpretieren kann und Regierungen mit ihren Think tanks kommt nicht drauf? Ich muss alleine lesen und denken und Gruppen von Experten kommen nicht drauf. Die Bucher findet man in der Bibliothek. Und die Publikationen bei Research Gate. Obwohl Geowissenschaftler haben in der Nature Ergebnisse, zum Thema Sundimming mit Hilfe von kuenstlich in die Athmosphaere eingetragenen Partikeln publiziert. Geoengineering. Die Sonne verdunkeln und die globale Photosyntheseleistung herabsetzen. Herrlich bescheuert. Pflanzt doch mal einfach ein Paar Baeume. Pflanzen sind Kohlenstoffsenken, das hab ich schon in der Schule gelernt. 90% der Menschen war wohl da auch nicht da, sowie alle Experten...So das musste Mal gesagt werden aber der wundervollen beruehrenden Vortrag einer jungen Polynesierin vorm Weltklimagipfel 2016 hat auch nicht geaendert. Ich habe dabei heulen muessen als ihrem Baby geschworen hat das ihre Inseln nicht untergehen werden. Das Kapitalozaen wird kommen und am Ende bleibt nur verbrannte Erde...

  4. Roberto Weberndorfer

    vor 5 Jahren

    Es ist nicht 5 Minuten vor,- sondern schon längst nach 12 Uhr. Und noch immer wird so getan als hätten wir alle Zeit der Welt um noch etwas an der Klimakatastrophe zu ändern. Selbst wenn wir rein theoretisch den CO2 Ausstoß von Heute auf Morgen auf Null reduzieren würden, benötigt die Erde Jahrzehnte bis das Fieber wieder fällt. Die Situation ist mit einem Hochgeschwindigkeitszug vergleichbar, der eine Notbremsung machen muß. Bis der Zug wieder steht wird aber noch Kilometerlang weiterfahren. Die Klimakatastrophe interessiert sich nicht für Grenzen,..sie ist ein globales Problem und muß deshalb auch mit drastischen Mitteln global gelöst werden. Nicht in 5 oder 10 Jahren, sondern JETZT Ist Handeln angesagt,..sinnlos geredet wurde schon viel zu lange.

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