War watt? Ein Denkmal für die Ökospinner

Gastautor Portrait

Hubertus Grass

Kolumnist

Nach Studium, politischem Engagement und Berufseinstieg in Aachen zog es Hubertus Grass nach Sachsen. Beruflich war er tätig als Landesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Prokurist der Unternehmensberatung Bridges und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden. 2011 hat er sich als Unternehmensberater in Dresden selbständig gemacht.

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10. Dezember 2015
Energiewende aktuell

In Paris wird die Zukunft des Planeten Erde verhandelt. Zum ersten Mal scheint es in der 21. Konferenz der Nationen über den Klimawandel möglich zu sein, ein konkretes Klimaziel in einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag festzulegen. Es geht nur noch um Transfer-leistungen in Höhe von ein paar Dutzend Milliarden, angesichts der Herausforderung und des hehren Ziels von 1,5° sind das Petitessen. Selbst das Wort von der „Dekarbonisierung“ macht in Paris die Runde. Vor wenigen Jahren wurde der Begriff noch exklusiv von ein paar Öko-Aktivisten verwandt, in diesem Jahr schaffte der es in die Abschlusserklärung des G7-Gipfels. Dass beim COP 21 überhaupt die Dekarbonisierung in Angriff genommen werden kann, haben wir ganz besonderen Menschen zu verdanken. Es ist an der Zeit, ein Denkmal für die Ökospinner zu errichten.

Ein Denkmal für die Ökospinner im Westen…

Eines dieser Denkmäler könnte ganz im Westen der Republik errichtet werden und einen ehemaligen Offizier der Bundeswehr tragen. Wolf von Fabeck,  heute 80-jährig, war 1956 Bundeswehrsoldat der ersten Stunde, Offizier, Maschinenbau-Ingenieur und Dozent an der Bundeswehrhochschule. Er ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was man sich unter einem Öko-Spinner vorstellt. Soldatisch straff, so ist heute noch heute seine Haltung.

Wolf von Fabeck wird Mitte der achtziger Jahre zu einem Öko – damals noch per se ein Schimpfwort. Er scheidet aus der Bundeswehr aus, gründet einen kleinen Verein und wird dessen Geschäftsführer. Und mit dem Solarenergieförderverein mutiert der ehemalige Soldat Wolf von Fabeck zum Alptraum der deutschen Energieversorger. KV heißt der Sprengsatz, den die Aachener unter die Monopole der EVUs legen. KV steht für Kostendeckende Vergütung des eingespeisten Stroms aus Wind- und Sonnenstrom. Das Aachener Modell, 1989 von Fabeck und seinen Mitstreitern erdacht, wird 1994 in der Stadt Aachen umgesetzt und ebnet so einem Gesetz den Weg, das von Deutschland aus fast die halbe Welt inspiriert: Das EEG mit seinen Einspeisevergütungen.

 sfv Aachen, Denkmal für die Ökospinner…und eines im Osten

Ein weiteres Denkmal für die Ökospinner könnte – von Aachen aus gesehen – am anderen Ende der Republik errichtet werden: In der sächsischen Oberlausitz sollte es Jens Blochberger tragen. 1986, im Jahr der Gründung des Solarenergiefördervereins in Aachen, installiert der gelernte Klempner Blochberger auf seinem Haus in Oberseifersdorf die erste solarthermische Anlage der DDR. Die Oberlausitz hatte in jenen Jahren, je nachdem wie der Wind blies, eine Feinstaubbelastung zu ertragen, die vergleichbar war mit der heutigen in Peking. Mal kam der graue, undurchdringliche Schleier aus den deutschen Braunkohlekraftwerken im Norden und Osten oder aus Polen und bei Südwind aus der Tschecheslowakei. Dass das nicht die Zukunft sein konnte, ahnten alle. Jens Blochberger handelte. Nach der Solarthermine wandte er sich auch der Fotovoltaik zu und so wurde der kleine Ort in der Lausitz zum Mekka der Solarfreaks in der DDR. Das PV-Magazin berichtet, dass Jens Blochberger im August 1990 die erste und einzige PV-Anlage der DDR betrieb und die Eurosolar-Sektion in der DDR gründete.

Sechs Wochen nach dem Bau der PV-Anlage war die DDR Geschichte und mit der Wiedervereinigung konnte der Solar-Pionier dann richtig loslegen. Er stritt sich mit dem örtlichen Energieversorger und als die ihm, nach langen juristischen Auseinandersetzungen mit Hilfe von Polizeigewalt 1997 den Stromzähler abklemmten, konnte Blochberger nur lachen. Dank eines Blockheizkraftwerkes, der PV-Anlage und Batterien im Keller war sein Haus schon damals energieautark. Einen Zustand, der heute, 18 Jahre später, zum großen Geschäftsmodell werden könnte, hatte der Öko-Pionier damals im Alleingang realisiert.

Es ist solchen Typen wie Wolf von Fabeck, Jens Blochberger, dem viel zu früh verstorbenen Herrmann Scheer, Hans-Josef Fell und vielen, vielen anderen Visionären zu verdanken, dass die Welt heute mit Hoffnung auf den Pariser Klimagipfel schaut. Ohne sie, diese Ökospinner, würde es weder die Technologie geben, die ein Ende des fossilen Zeitalters ermöglicht, noch wäre diese Technologie bezahlbar. Es ist an der Zeit, ein Denkmal für die Ökospinner zu errichten.

 

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