Debatten-Abend – Wasserstoff für Baden-Württemberg: Woher und wohin?

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Redaktion

Stiftung Energie & Klimaschutz
06. Dezember 2021

Holistisch denken, flexibel planen und ein sehr komplexes Netzwerk etablieren: So lautete ein Zwischenfazit beim Debatten-Abend. Leitfrage war: Wie kann Wasserstoff als weitere Säule in das neue Energiesystem integriert werden? Die Komplexität der Herausforderung ist nicht nur eine technologische. Es muss alles gleichzeitig passieren: Hochlauf der Erneuerbaren, Import von EE-Strom und von Wasserstoff, Realisierung entsprechender Energiepartnerschaften, Steigerung der Energieeffizienz, Integration von Wasserstoff in die vorhandene Gas-Infrastruktur, sowie den Wärmemarkt, Aufbau einer neuen Infrastruktur in der Industrie und Anpassung der Prozesse. Die Etablierung der Wasserstoffwirtschaft ist eine komplexesten Herausforderung in der Transformation des Energiesystems. Der Zeitdruck ist enorm. Die Diskussionen bei unserem Debatten-Abend waren entsprechend spannend.

Debatten-Abend wieder als Livestream aus dem Stuttgarter Studio

Entgegen der ursprünglichen Planung haben wir den Debatten-Abend aus Gründen der Rücksichtnahme und der Zielsetzung der durch die Covid-Pandemie erforderlichen Kontaktbeschränkungen erneut ausschließlich als Livestream organisiert. Zwei der drei Podiumsgäste, die im Stuttgarter Raum ansässig sind, waren gemeinsam mit der Moderatorin vor Ort, unser dritter Podiumsgast digital zugeschaltet.

Staatssekretär Dr. Andre Baumann vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, sowie Dirk Güsewell, Mitglied des Vorstands der EnBW, und Dr.-Ing. Sylvia Schattauer, stellvertretende Institutsleiterin des Fraunhofer-Instituts IMWS (Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen), diskutierten im Verlauf des Abends mit kurzweiligen Dialogen, umfassenden Fakten und klaren Positionen. Die Journalistin Dr. Melinda Crane moderierte fachkundig und stellte zudem sicher, dass zahlreiche Fragen und Einwürfe der Zuschauer*innen via Chatbox den Weg auf das Podium fanden.

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Nicht nur Grüner Wasserstoff ist klimaneutral

Die Bandbreite der angesprochenen Themenfelder war groß. Je nach Perspektive – ob aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – wurden die Schwerpunkte deutlich. “Wir müssen uns um den Ersatz regelbarer Kraftwerksleistung kümmern”, sagte EnBW-Vorstand Güsewell zum Einstieg in die Debatte. In der Verantwortung der Energieversorger liegt die Aufgabe, auch in der Phase der Transformation für Versorgungssicherheit  zu sorgen. Fraunhofer-Expertin Schattauer betonte, dass nicht nur grüner Wasserstoff klimaneutral sei, denn “es gibt durchaus auch andere Technologien, die mitentwickelt werden müssen”. Dazu betonte Staatssekretär Baumann: “Mittel- und langfristig muss es grüner Wasserstoff sein, aber zur Wahrheit gehört auch zur Vermeidung von Fehlinvestitionen in der Industrie, dass man eben zeitweise den noch nicht grünen Wasserstoff verwendet”. Summa summarum waren sich alle einig: Es wir noch ein längerer und schwieriger Weg ist, die großen Mengen an grünem Wasserstoff zu produzieren.

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Wir haben eine gesamtheitliche Aufgabe zu lösen und das macht den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft so komplex und nicht gerade trivial.

Dr.-Ing. Sylvia Schattauer

Die Wasserstoffwirtschaft werde in Frankreich mit großer Intensität ausgebaut, betonte Güsewell, was auch Baumann so bestätige konnte: Er war gerade erst in der vorherigen Woche in Lyon vor Ort, um mitunter den grenzübergreifenden Erfahrungsaustausch zu Fragen der Energieversorgung zu fördern. Güsewell sagte weiterhin: “Viele Diskussionen haben fast den Charakter von beginnenden Verteilungskämpfen” und “Über die heimischen Produktionsmöglichkeiten von grünem Wasserstoff hinaus werden wir eine breite Rohstoffverfügbarkeit am globalen Markt sehen – und darauf müssen wir uns vorbereiten”.

Auf die Frage der Moderatorin, welchen technologischen Fortschritt es noch brauche bei der Wasserstofferzeugung, meinte die Fraunhofer-Institutsleiterin Schattauer: “Wir sind noch bei Preisen, die einfach noch nicht zur Etablierung der Systeme beitragen”. Viel Förderung sei nach wie vor notwendig, um Wasserstoff zu einem wettbewerbsfähigen Bestandteil des Energiesystems zu etablieren. 16.000 Arbeitsplätze rund um das Jahr 2030 seien im Bereich Wasserstoff im Ländle  möglich, berichtete Baumann und bezog sich dabei auf die Ergebnisse einer vom Land Baden-Württemberg beauftragten Studie. Dazu ergänzte er: “Wir möchten innerhalb von Deutschland einer der Leitmärkte sein”.

Um Wasserstoff zur vierten Säule der Energiewende zu etablieren, müssen noch eine Menge Modellprojekte initiiert werden, war von Seiten der Politik beim Debatten-Abend zu hören. Solche Projekte gibt es bereits im Konzernverbund der EnBW, denn die Fragen, die hier mitunter besonders umtreiben, sind: “Was passiert beim Kunden vor Ort – wie kann die Transformation beim Kunden, also dem klassischen Haushalt, stattfinden?” Ein Knoten, der gelöst werden müsse.

In diesem Zusammenhang kritisierte Dirk Güsewell: “Es gibt keinen einzigen Akteur im deutschen Markt – keine Behörde – die überblickt, ob das, was in dem einen System passiert zu dem passt, was im anderen System passiert”. Ein Umstand, den es schnell zu beheben gilt, denn: Der Blick muss auf das Gesamtsystem gerichtet sein. Dies bestätigte auch die Wissenschaftlerin Schattauer: “Wir haben eine gesamtheitliche Aufgabe zu lösen und das macht den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft so komplex und nicht gerade trivial”. Andere brachten es mit dieser Metapher auf den Punkt: “Es ist wie eine Operation am offenen Herzen und man kennt den Patienten auf dem Tisch nicht.”

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Einhelliger Wunsch: ein rascher und organisierter Markthochlauf für Wasserstoff

In der Debatte kamen noch zahlreiche weitere Aspekte zum Tragen, mitunter auch dank der klugen und vielfältigen Fragen aus dem Publikum via Chatbox. Vom Labeling des Grünen Wasserstoffs über die Rolle der Biomasse bis hin zur Infrastrukturplanung, der Rolle von Erdgas, Beimischungen in den Leitungen, dem Stichwort Fuel Switch und der Frage nach den Einsatzbereichen. Es gibt nicht diese eine Wasserstoff-Debatte, sondern eine Vielzahl davon. Umso wichtiger, immer wieder den Blick auf das große Ganze – die angestrebte Klimaneutralität  eines Wirtschaftssystems – zu werfen. Grüner Wasserstoff könnte überall zum Einsatz kommen. Im Wärmemarkt ebenso wie in der Logistik, in der chemischen Industrie ebenso wie beim Stahl. Ob es in jedem Fall energetisch sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Zur Zeit ist grüner Wasserstoff vor allem eines: Äußerst knapp. Das muss sich ändern, die Weichen sind gestellt, der Wille ist da. Jetzt gilt es zu handeln. Möglichst schnell – so der einhellige Wunsch zum Abschluss der Diskussion der Podiumsgäste.

Debatten-Abend zum nachträglichen Ansehen

Wie bewährt finden alle Interessierten die vollständige Aufzeichnung unseres Livestreams direkt hier zum Ansehen. Auch diesmal haben sich zahlreiche Zuschauer*innen am Debatten-Abend aktiv beteiligt und die Chatbox genutzt, um Fragen und Statements einzubringen.

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Mehr von Staatssekretär Dr. Andre Baumann zu diesem Thema lesen Sie auch in seinem Gastbeitrag mit dem Titel „Grüner Wasserstoff – Schlüsselfaktor und Säule der Energiewende.

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